7 - Ed, Chris und besorgte Mütter

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Ed sieht auch ziemlich übel zugerichtet aus, er hat ein dickes blaues Auge und läuft ein wenig gekrümmt, vermutlich wegen seinem Magen. Gepaart mit dem äußerst brutalen Eindruck der kompletten Raserei, den ich gerade von ihm gewonnen habe, kann ich nicht anders, als vor ihm zurückzuweichen. Er wäscht sich das Gesicht und fängt dann vorsichtig an, sein weißes T-Shirt auszuziehen, als wären Pierce und ich gar nicht da. 

Verwirrt runzele ich die Stirn und sehe Pierce mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Wir wissen wohl beide nicht, was genau wir hiervon halten sollen und Pierce nickt kurz in Richtung Ausgang, ehe er sich umdreht und die Türe öffnet. Ich gehe ebenfalls an Ed vorbei und sehe, dass Pierce im Flur steh und mir die Türe aufhält. Gerade als ich rausgehen will, höre ich Eds Stimme hinter mir. "Seb bleibt hier."

Wie ertappt erstarre ich und werfe Pierce einen Blick zu, der ganz klar "Hilfe" schreit, aber dieser zuckt lediglich entschuldigend mit den Schultern und lässt die Türe vor mir zufallen. Arsch. Angespannt drehe ich mich zu Ed um, der immer noch mit seinen blauen Flecken im Spiegel beschäftigt ist. Vorsichtig tastet er sie ab und verzieht immer wieder das Gesicht, wenn er zu feste drückt. "Wusste nicht, dass Theo so zuschlagen kann", sagt er belustigt in keine bestimmte Richtung und ich nicke bloß betreten. Noch immer frage ich mich, was das Ganze hier soll. An das letzte Mal, als wir so ein Gespräch geführt haben, erinnere ich mich nicht gerne.

Entgegen aller Erwartungen, war es Ed damals, dem die blauen Flecken als erstes aufgefallen sind. Später war er auch der Erste, der mich zur Rede gestellt hat. Und mit dafür gesorgt hat, dass ich aus dieser Scheiß-Schule rauskomme. 

Unentschlossen stehe ich hinter Ed im Bad rum und weiß nicht ganz, was ich mit mir anfangen soll. Dann ergreift Ed endlich das Wort und dreht sich zu mir rum: "Seb. Ich hab dir das jetzt schon öfters gesagt. Dieser ganze Fuck hier ist nichts für dich. Theo und ich, wir kommen klar. Lass dich von ihm nicht immer in alle mögliche Scheiße reinziehen. Wie geht's deiner Nase?"

Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich zucke mit den Schultern, "wie soll's der schon gehen?", frage ich mit einem zögerlichen Schmunzeln. "Kann ich dir ehrlich was sagen? Ohne dass du mir eine dafür reinhaust?", frage ich dann, nachdem ich mit einigen tiefen Atemzügen meinen Mut gesammelt habe. Er nickt, also sage ich mit zögernder Stimme: "Wenn Pierce oder ich nicht dazwischen gegangen wären. Was wäre dann passiert. Um ehrlich zu sein, sahst du auch nicht mehr wirklich so aus, als hättest du alles unter Kontrolle." Eds Gesichtsausdruck verdunkelt sich erheblich und ich bereue sofort, was ich gesagt habe. Dann schmunzelt er und lehnt sich etwas weiter gegen das Waschbecken zurück. Wie zu sich selbst nickt er ein paar Mal, antwortet mir aber nicht.

Ich beschließe, es dabei zu belassen. "Wolltest du sonst noch was?", frage ich Ed dann, immer noch nach einer Gelegenheit suchend, mich zu verziehen. Eds Gesichtsausdruck wird wieder ernster. "Einer von diesen Typen von deiner alten Schule hat sich über Zig ne ordentliche Menge Gras besorgt und dealt jetzt wohl für uns. Zu meiner Verteidigung: Zig hat das im Alleingang geregelt und da er damals nicht dabei war, hatte er natürlich keine Ahnung, welches Arschloch er da vor sich hat. Hätte ich irgendwas davon mitgekriegt, hätte ich dem Typen fett eine reingehauen und weggeschickt, aber was soll man machen. Der läuft jetzt jedenfalls mit ner ordentlichen Packung von unserem Stoff rum. Kann also sein, dass der auch mal hier auftaucht", erklärt Ed und beobachtet dabei genau meine Reaktionen.

Das ganze ist jetzt zwei Jahre her. Und trotzdem reagiert mein ganzer Körper augenblicklich auf die Erwähnung meiner alten Schule. Ich fühle mich, als würde er mich wie ein rohes Ei behandeln, was mich tierisch nervt. Und dabei weiß Ed nicht mal die Hälfte von dem was passiert ist. Nervös fange ich an, meine Hände zu kneten, versuche es aber zu unterlassen, als ich sehe, wie Eds Blick zu meinen Händen wandert. "Wer?", ist so ziemlich das einzige, was ich mir momentan zutraue ohne wacklige Stimme zu fragen. 

Wasting My Young YearsWhere stories live. Discover now