Chapter VIII

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Sie spürte den drohenden Kampf, die Gefahr. Und ihre Freude darüber, denn Cinnamon lebte dafür.

Seit den frühen Morgenstunden regnete es in Strömen. Der Himmel war grau, trist und versprach keine Besserung. Auch die Landschaft schmückte sich nun in einheitlichen Tönen. Die Hufe der Pferde versanken schmatzend im Schlamm, als die kleine Gruppe sich ihren Weg durch ein Dorf bahnte. Dieses bestand nur aus wenigen Häusern, die sich schutzsuchend im Tal zusammendrängten oder an den Hang lehnten, der zum großen Wald führte.

Die Bewohner hatten sich ins Trockene geflüchtet. Nur vereinzelte Gestalten gingen ihrem Werk unbeirrt nach. Ein Schmied, der rot glühende Hufeisen im Wassertrog ablöschte. Eine Magd, die mit einem Laib Brot im Korb über den Weg eilte, während eine andere mit gesenktem Haupt unter einem Vordach Schutz gesucht hatte und sie dabei beobachtete. Ein zerlumpter Bettler, der unweit auf dem Boden kauerte und sich eine löchrige Decke übergeworfen hatte. 

Nur zwei Gestalten schienen den Regen nicht verdrossen zu begrüßen. Zwei Jungen, einer etwas größer als der andere, sprangen enthusiastisch in die Pfützen und spielten Fangen. Ihr glockenhelles Lachen schallte durch die Gassen.

"Laut dem Kommandanten sollte Levis Einheit hier durchgekommen sein auf dem Weg nach Grassach. Wir haben also noch einen Ein-, vielleicht Zweitagesritt vor uns", erklärte Daniel unglücklich und rieb sich die kalten Hände.

 Cinnamon lenkte ihren Blick gen Himmel, spürte die dicken Tropfen im Gesicht und rümpfte die Nase. Hinter ihnen lag der große Wald, durch den sie zwei Tage geritten waren. Über den Baumkronen am Horizont hatten sich dunkle, fast schwarze Wolken zu einem Turm zusammengebraut, der unaufhörlich näher rückte.

"Wenn wir weiter reiten, geraten wir mit Sicherheit in das Unwetter. Wir sollten hier einkehren und es aussitzen", schlug Arnold vor. Mit hängenden Köpfen trottelten die Pferde die Straße entlang, die mittlerweile nicht mehr aus Schlamm, sondern aus Kopfsteinpflastern bestand. 

Daniel navigierte sie zielsicher zu einem zentral gelegenen, zweistöckigen Gebäude. Manche würden sagen, es wäre rustikal. Cinnamon empfand es eher als marode. Rostige Fensterläden, klappernde Scheiben, dunkel angelaufene Holzwände. Auf einem roten Schild über der Eingangstür prangte ein Schriftzug, den die Weißhaarige nicht lesen konnte. Sie hätte Friedrich bitten können es ihr vorzulesen, doch es kränkte ihren Stolz. 

Der hoch gewachsene Mann hatte sich am Morgen noch zurückhaltend gegeben bis er die Information, dass Cinnamon eine Mörderin war, verarbeitet, beziehungsweise verdrängt hatte. Vielleicht glaubte er Daniel auch einfach nicht und sah in ihr immer noch ein schwaches, nutzloses Weib. Danach war er wieder in alte Verhaltensmuster gefallen und Cinnamon musste erneut seine Berührungen und schmutzigen Kommentare über sich ergehen lassen.

Zusätzlich zu Friedrichs aufdringlichem Gehabe, hatte Cinnamon bemerkt, dass auch Arnold ihre Nähe suchte, was sie keineswegs störte. Sein aufmerksamer Blick, der meistens auf ihr ruhte, vermittelte ihr ein zartes Gefühl von Sicherheit, von Vertrautheit. Als gäbe es abgesehen von ihrer kleinen Schwester eine weitere Person in der Welt, die sich um sie sorgte. Jemand, dem es auffallen würde, wenn sie einfach verschwand und den dies kümmern würde. 

Sie schenkte Arnold beim Vorbeireiten ein zögerliches Lächeln. Anstatt dieses jedoch zu erwidern, zuckte Arnold beklommen zurück und starrte ertappt, beinahe beschämt weg. Die Weißhaarige zog sich ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. Nach all den Jahren, all den Männern - und auch Frauen -, die ihr gesagt hatten, dass ein Lächeln keineswegs ihr Gesicht zierte, sondern noch mehr verunstaltete, hätte sie es besser wissen sollen. Sie sollte ihre Gefühle anderweitig zur Schau stellen, oder gar nicht. Am besten wäre, sie würde überhaupt keinen Drang mehr verspüren Emotionen zu zeigen.

Pure Souls (Attack on Titan FF)Where stories live. Discover now