Chapter VI

231 22 3
                                    

Vier Schicksale, die unwiderruflich mit ihrem eigenen verknüpft waren.

Cinnamon ging in die Knie und stemmte dann mit Schwung die Schubkarre aufrecht. Unkraut, vertrocknete Blätter und alte Erde häuften sich bereits einige Meter vom Gartenhäuschen entfernt zu einem Kompost. Ihr mürrischer Blick schweifte über die tiefstehende Sonne und ihr wurde bewusst, dass es an der Zeit war zu Erwin Smith zu gehen. Er hatte einen Auftrag für sie, hatte er gesagt. Mehr nicht. Es schien so, als wollte er die Details nicht vor den neugierigen Ohren der anderen Anwesenden sagen.

Sie verräumte die Schubkarre wieder im Metallschrank, schloss mehr oder weniger erfolgreich die schiefe Tür und ging zügigen Schrittes zurück zum Hauptgebäude. Gerade als sie die Tore des Pferdestalles passierte, hörte sie es. 

Neben dem Zirpen der Grillen erklang das hektische Trommeln von Pferdehufen auf dem Pflaster. Sie drehte sich irritiert um als ihr bewusst wurde, dass das Hufgeklapper keineswegs langsamer wurde, sondern immer lauter. Mit weißem Schaum vor dem Mund und wild aufgerissenen Augen hielt das Pferd direkt auf sie zu und machte keine Anstalten das Tempo zu verringern. Ein Reiter saß zusammengesunken auf dem Rücken des Pferdes und schien nicht mehr dazu in der Lage das Pferd zu navigieren, also folgte es schlichtweg seinem Instinkt und suchte Schutz im vertrauten Heim unter seinen Artgenossen.

Sie riss die Hände in die Luft und machte einen Laut, den das Pferd beruhigen sollte. Dieses allerdings bockte nur kurz, stampfte die Hufe in den weichen Boden und preschte knapp an ihr vorbei in die dämmrige Stallgasse. Cinnamons Herz flatterte wie wild und der Druck auf ihrer Brust wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer bis sie bemerkte, dass sie den Atem angehalten hatte und nun den Sauerstoff gierig einsog. 

Strauchelnd drehte sie sich um und folgte dem Pferd. Ihr Auge musste sich kurz an das flackernde Licht der Laternen gewöhnen, die vereinzelt von den Balken hingen und mit ihren gelb-rot züngelnden Flammen die Pferde, Heu und Stroh in ein warmes, tröstliches Licht tauchten. Das panische Pferd hatte sich in eine leer stehende Box geflüchtet, wo es nun mit bebenden Flanken und zitternden Beinen Kreise zog. Der bewusstlose Reiter rutschte bei diesen Bewegungen immer weiter aus dem Sattel, doch als Cinnamon ihren Schritt noch beschleunigte um ihn auffangen zu können, stellte das Pferd die Ohren ängstlich auf und stieg. 

Schnelle Reflexe ließen sie den fliegenden Hufen ausweichen und zurück an die Boxentür treten. Atemlos und entsetzt sah sie dabei zu wie der Körper des Mannes nun vollends fiel und mit einem furchtbar endgültig klingenden Geräusch auf den gepflasterten Boden fiel. Sie erkannte den grünen Umhang des Aufklärungstrupps, sowie die passenden Stiefel zur Uniform, wovon einer noch immer samt Fuß im Steigbügel hing, seltsam verdreht in einem ungesunden Winkel.

Die Weißhaarige legte den Kopf schief, kniff sich in die Nasenwurzel und suchte angestrengt nach einer Möglichkeit dieses Pferd zu beruhigen. Sollte es nochmal steigen, geschweige denn loslaufen oder nach hinten austreten, würde der Mann seinen Fuß verlieren. Fraglich war natürlich auch, ob der Reiter überhaupt noch am Leben war.

Sie holte noch einmal tief Luft und ließ die Anspannung von sich abfallen. Das Tier würde sich nicht beruhigen, wenn Cinnamon dies nicht selbst tat. Und doch flüsterten ihre Gedanken ihr zu, dass sie nicht die Zeit dafür hatte in dieser Situation wichtige Sekunden verstreichen zu lassen. Sie sollte jetzt handeln, schnell und rabiat, auch auf das Risiko hin, dass der Mann seinen Fuß verlieren würde, auch auf die Gefahr hin, dass das Pferd nach hinten ausschlagen würde und dem Leben des Reiter ein Ende setzen würde. 

Sie fegte diese Gehirngespinste blinzelnd fort und fing stattdessen an zu summen. Sie wusste nicht, wie genau sie auf diese Idee gekommen war. Früher hatte sie ihrer kleinen Schwester Kinderlieder vorgesungen bis sie eingeschlafen war. Sie hatten immer eine beruhigende Wirkung auf Rosemary gehabt und so hoffte sie, dass es den gleichen Effekt auf das Tier hatte. Sie versuchte eine möglichst unbedrohliche Körperhaltung einzunehmen und rutschte Zentimeter für Zentimeter an der hölzernen Boxenwand entlang um das Pferd zu umrunden. Es ließ sie nicht aus den Augen und zuckte gefährlich zurück, als das Stroh unter Cinnamons Stiefel raschelte.

Pure Souls (Attack on Titan FF)Where stories live. Discover now