𝕱𝖎𝖗𝖘𝖙 𝕾𝖎𝖌𝖍𝖙

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Mit einem Male öffnete ich die Tür in einem Zug, bis mir der Atem stockte und ich erstmal nicht wusste, was ich sagen sollte. Es war eine große Küche, die sich hier befand. Jedoch keine normale Küche, wie ich sie kannte, sondern eine deutlich zu erkennen alte Küche. Das Zimmer an sich war recht groß, und es befanden sich mindestens 15 Leute hier drinne.

Nun verstand ich auch, woher die Geräusche alle herkamen. Hektisch liefen sie alle von A nach B. Wie manipulierte Maschinen gingen sie alle individuell ihren Aufgaben nach. Junge Menschen, Frauen und Männer, Jugendliche. Alle mit einem erschöpften Geschichtsausdruck und einer ermüdeten Körperhaltung. Ihre Kleidung war wie von hier aus zu erkennen, kapput und abgetragen.

Je länger ich hier stand, desto mehr Fragen bildeten sich, desto mehr Gedanken bildeten sich. Wer waren diese Menschen?? Was machten sie hier unten, und weshalb sahen sie aus wie Sklaven?? Waren es etwa die Küchenhilfen oder die Dienstmenschen für die Adelsfamilie? Bei dem Gedanken, dass ich das Essen aus den Händen von erschöpften, ausgelaugten Menschen gegessen hatte, wurde mir schlecht.

Mein Blick schweifte recht geschockt über die Masse, wobei sie mich vorerst gar nicht zu bemerken schienen. Jeden einzelnen arbeitenden Menschen schaute ich für einen Moment an, um die Situation einschätzen zu können, bis mein Blick unwillkürlich stoppte.

Meine Augen weiteten sich für einen Moment, und meine Lippen spalteten sich abwesend. Auch die Türklinge ließ ich langsam los, bis ich komplett abschweifte. Mein Blick, mein Fokus haftete an dieser unbekannten Gestalt. An diesem zierlichen, schlanken Körper, der von einer lockeren Hose und einem dreckigen, weißen Shirt umhüllt war.

Ich bemerkte nicht, wie es um mich herum nun still wurde. Je mehr Zeit verging, desto mehr Augenpaare lagen auf mich. Ich hörte, wie sie fragend nuschelten, Angst bekamen und mit allem aufhörten, so, als sei ich das unerwünschte Monstrum ihrer Dunkelheit.

Meine Gesichtszüge entspannten sich etwas, sobald diese Gestalt ihre Aufmerksamkeit mir widmete nachdem es von der umgebenden Stille mitbekam. Es war dieser eine Moment, in dem er mich anschaute und wahrnahm. Seine Augen, die ihren Weg in meine fanden, sodass ich tief durchatmete und wie verdutzt im Türrahmen stand.

Ein Engel, so, wie sie es in den Werken beschrieben.

„Hört auf zu gucken! Jetzt muss es flott gehen!! Wir haben keine Zeit. Wenn der Schnösel was will, wird er es uns schon selber sagen!! Hopp, Hopp!!",ertönte die drängelnde Stimme einer älteren Dame, die nun auch dafür sorgte, dass alle sich der Küchenarbeit wieder hingaben. Genauso hektisch, genauso beanstrengt wie davor.

Jedoch wollte ich ihn nicht aus meinen Augen verlieren. Er wandte seinen Blick von mir ab und begab sich dem Waschen des benutzten Geschirrs wieder hin. Sein Kopf war gesenkt, sodass ihm die welligen Haarsträhnen den einzigartigen Fokus in seinen Augen verhinderten. Durch seine seitliche Körperhaltung konnte ich mir sein Seitenprofil genauestens anschauen. Zart und unberührt, wie eine Rose mitten auf einem Asphalt.

Ohne zu zögern, stürzte ich mich in die ganze Menschenmasse und drängelte mich zwischen allen durch. So, als würde er mir wegrennen, beeilte ich mich hastig. Meine Beine führten mich automatisch zu ihm, während meine Augen konstant an ihm hafteten.

Und dann stand ich plötzlich neben ihm, er war seitlich von mir gedreht und blickte weiterhin so trüb in das graue Wasser des Waschbeckens hinein. Ich schaute ihn vertieft an, wobei ich seinen betörenden Eigenduft wahrnahm, der mein Herz unkontrolliert schneller schlagen ließ.

Achtsam hob ich meine Hand zu seinem Kopf an, während ich bereits spürte wie sein Atem schwerer wurde. Meine Fingerspitzen fanden ihren Weg in seinen wunderschönen, welligen Haarsträhnen, die ihm vor den Augen hingen. Behutsam strich ich ihm Strähne für Strähne sein Haar aus seinem makellosen Gesicht hinter sein Ohr, wodurch er tatsächlich mit seinem Handeln des Geschirrspülens stoppte.

Er war empfindlich. Seine körperliche Reaktionen meldeten sich sofort, sobald ich ihm näher kam. Seine Brust bebte etwas, sein leises Atmen wurde schneller und seine zierlichen Hände zitterten etwas. War es die Angst, die ihn beklagte? Die Sorge, die ihn so beeinflusste?

Langsam, aber zaghaft drehte er seinen Kopf zu mir und blickte mir erstmal mit seinen glasigen Augen auf die Brust, bevor er seinen Blick anhob und mir einen einzigartigen Ausblick auf sein Gesicht gewährte. Er hatte wunderschöne Kulleraugen, die sich der klaren Nacht wundervoll anpassten. Zarte Wangen, die wahrscheinlich durch die ganze erschwerte Arbeit ihre Blässe gewannen. Somit wirkte seine Haut wie das reinste, teuerste Porzellan, welches wir besaßen.

Er schien meine betrachtenden Blicke zu bemerken, so, wie er mir in die Augen schaute und sich in ihnen verfing. Als ich den Augenkontakt mit vollen Genuss erwiderte, wandte er sich aber abrupt von mir ab und starrte in den Waschbecken hinein. Mit einem Male ließ er alles stehen und liegen und schlängelte sich mit seiner schlanken Figur durch all die anderen Mitarbeitern hier unten.

Ein leichtes Lächeln schlich mir auf mein Lippenpaar, als ich ihn weglaufen sah. Er sollte mir aber nicht entkommen. Er sollte keine Angst vor mir haben. Wovor hatte er denn Angst? Hatte er überhaupt Angst oder war es die unschuldige Verlegenheit, die ihn überkam?

Infolgedessen lief ich ihm hastig hinterher ohne meinen Fokus von seiner elfenhafte Erscheinung zu nehmen. Das ehrliche, leichte Lächeln, welches meine Lippen immernoch umspielte. Mein schneller schlagendes Herz, welches mir den Ansporn dazu gab, ihn durch die ganze Küche zu folgen.

Seine Schürze war eng um seine Hüfte gebunden, demzufolge ich seine zerbrechliche Körperfigur umso besser erkennen konnte. Seine auffällig schlanken Beine, die mir zeigten, dass er nicht in besonders guten Verhältnissen lebte. Doch schnell ergriff ich seine schmalen Schultern, womit er mir stehen blieb und sich von mir in einer ruhigen Ecke des Zimmers führen ließ.

Die Faszination spiegelte sich in meinen Augen klar wieder, als ich sein Seitenprofil von hinten wieder betrachten konnte. Er hatte den Kopf gesenkt, so, wie er es von der Adelsfamilie beigebracht bekommen hatte.

Doch, wollte ich das?
Nein, ich wollte, dass er mich anschaut.
Mir in die Augen blickte.

Langsam blieben wir beide stehen. Sein Atem verschnellerte sich wieder etwas. Seine Beine zitterten. Behutsam ließ ich meine Hände von seinen Schultern zeitlos seine Oberarme entlang fahren. Manchmal drückte ich etwas fester zu, manchmal strich ich ihm einfach nur liebevoll über den dünnen Stoff, der ihn zu der kalten Jahreszeit wärmen sollte.

Er drehte sich in meinem Tun zu mir, damit er mir auf das Gesicht schauen konnte, was ich direkt erwiderte. Und von dieser Nähe erkannte ich seine wahre Schönheit, die er hinter der von der Gesellschaft eingeordneten Klasse zu verstecken schien. Seine großen, dunklen Augen. Die schmalen, rosigen Lippen. Die zarten Wangen sowie das voluminöse Haar, welches ihm die Schönheit der Jugend gab.

„Die Kälte des erschaudernden Winters wird dich in den tiefen, ohnmächtigen Schlaf der Nacht beförden. So wärme dich, hüte dich.",sprach ich leise zu ihm, während ich ein beiges Tuch aus meinem Jackett zückte, womit ich seine nassen, eiskalten Hände abtrocknete.

Still beobachtete er mich bei meinem Handeln vertieft. Ich spürte, wie seine Augen mich vor Neugier und Unschuld förmlich beschlagnahmten. Vorsichtig griff ich nach seinen zitternden Händen, die die robuste Kälte eines sibirischen Winters besaßen. Das Tuch war aus einem teuren Baumstoff hergestellt worden, welches seine Hände wenigstens etwas wärmen sollte. Somit wickelte ich sie achtsam in das Tuch, bis mich das Rufen eines Dienstmädchen aus dem Handeln rauszog.

„Herr Kim, Ihre Familie erwartet Sie bereits. In Sorge und Eile suchen und suchen sie nach Ihnen. Sie haben hier nichts verloren, mein Herr, das ist der Bereich der Dienstmädchen - und Jungen. Hier machen Sie sich nur schmutzig!"

Ich schaute das junge Mädchen mit den großen, braunen Locken ruhig an und nickte ihr etwas zu. Doch schnell galt meine Aufmerksamkeit der unbekannten Schönheit vor mir, die mich leicht panisch anschaute, als er von meinem Stand hörte.

Wohlwollend ließ ich meine Finger über seine Schläfe entlang fahren, wobei er mich weiterhin nur stumm beobachtete. Er gewährte mir einen letzten Blick in seinen dunklen Kulleraugen, bevor ich nun meinen Weg einschlagen musste und zur Tür lief. Wieder schlich sich ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen, und ich ließ ihn mit meinem Abschied vorerst wieder gehen.

Doch eines Tages, würde ich ihn wieder finden, ihn halten und alles über ihn herausfinden. Dem war ich mir sicher.

𝕻𝖎𝖙𝖞 𝕽𝖔𝖘𝖊𝖘 : 𝕿𝖆𝖊𝕶𝖔𝖔𝖐Where stories live. Discover now