Explosion Widerwillen

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GUZMAN

„Hab sie erhalten. Aber was machst du denn bei der Hütte deines Alten?"

***

Ich schrecke hoch, starre auf die leere Seite neben mir und kneife mir in die Nasenwurzel. Schon wieder wache ich auf und Rosa ist nicht da.

„Verfluchte Scheisse!", knurre ich, springe aus dem Bett und gehe die zwei Schritte bis zur Tür. Reiße sie auf und sehe nur die untergehende Sonne am Horizont. Sie ist nur noch ein schmaler Streifen und taucht die Pampa, in der ich mich gerad befinde in eine teufelsrote Hölle.

„Rosa?!", schreie ich aus voller Kehle, drehe mich einmal um die eigene Achse. Doch sie ist nicht da. Weg. Verschwunden, genau wie letztes Mal. Und als ich den Wagen meines Vaters nicht mehr sehe, weiß ich auch, wie sie hier weggekommen ist.

„So ein verdammter Mist!", brülle ich und bin auf Gott und die Welt sauer. Aber vor allem, auf mich, dass ich zugelassen habe, dass sie einfach so abhauen konnte. Ich stürme wieder ins innere des Trailers, durchsuche das Bett, doch ich finde keine Nachricht. Als ich auf mein Handy schaue, sehe ich, dass mir eine unbekannte Nummer eine Nachricht geschickt hat. Ich schlucke, denn mein erster Gedanke ist, dass es Gandia oder mein Vater ist. Und wenn es Rosa ist? Ich öffne sie und atme erleichtert aus, balle aber trotzdem vor Wut die Hand zur Faust. Denn es ist wirklich Rosa, die mir eine zwei Zeilennachricht geschrieben hat.

Flucht ist keine Option. R

„Hast du sie noch alle?", knurre ich und wähle die Nummer, doch sie geht nicht ran. Was hat das nur zu bedeuten? Sie hat doch mit mir zusammen Pläne geschmiedet. Klar, die waren nicht jederzeit realisierbar, aber trotzdem waren das Worte, die wir in einem intimen Moment ausgesprochen haben. 

Denn ich sehe das so und bis jetzt dachte ich, dass es Rosa genauso sieht. Aber ich habe mich geirrt, schon wieder. Trotzdem weiß ich, dass sie recht hat. Aber wieso hat sie nicht mit mir darüber gesprochen? Wieso musste sie allein aufbrechen und mich hier sitzen lassen? Weil nach allem, was wir durchgemacht uns vorhin gestanden haben, sie nicht wollte, dass ich mich ihretwegen wieder in Gefahr bringe.

Oder – und das erscheint mir plausibler – sie will nicht, dass ich irgendeine Scheisse baue und ihren Plan, den ich überhaupt nicht kenne, sabotiere. Hat sie überhaupt einen Plan? Das kann ich nur hoffen. Ich schlage die Tür hinter mir so kräftig zu, dass der Knall in meinen Ohren widerhallt. Ich wähle Jesus Nummer, denn irgendwie muss ich ja von hier wegkommen. Als er nach dem sechsten Klingeln rangeht, könnte ich schwören Gras durchs Telefon zu riechen. Aber das ist unmöglich. Selbst in der heutigen Zeit.

„Was geht ab, Bro?", meldet er sich und lacht wie immer über seine eigene Stimme. Ich würde mitlachen, wäre mir nicht bewusst, in welcher prekären Situation Rosa schwebt.

„Du musst mich abholen. Ich schicke dir die Koordinaten", sage ich und schicke ihm meinen Standort.

„Hab sie erhalten. Aber was machst du denn bei der Hütte deines Alten?", erwidert er und tippt auf seiner Tastatur herum. Das Geräusch sticht sich in meinen Kopf. Genervt reibe ich mir übers Gesicht, spüre die Bartstoppeln und schlucke meine Worte herunter, die ich ihm eigentlich um die Ohren werfen wollte. Ich nehme einen tiefen Atemzug, wünschte mir es wäre der süße Rauch eines Joints und habe keine Ahnung, was ich jetzt machen soll.

„Ich wollte Rosa beschützen. Aber jetzt ist sie abgehauen, mit dem Wagen meines Vaters. Du musst mich also so schnell wie möglich abholen." Ich höre ihn etwas murmeln, dann steht er auf und geht durch seine Villa. Hoffentlich auf dem direkten Weg zu seinem Wagen, denke ich und als ich das Klimpern von Schlüsseln höre, atme ich erleichtert auf.

Gangs of Sinaloa - Killing LoveWhere stories live. Discover now