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Als wäre der Tag Montag allein nicht schon schlimm genug, hatte zusätzlich heute der Akku meines Handys aufgegeben und damit auch mein Wecker, sodass ich wohl oder übel leider verschlief.

Es war kein guter Start in die Woche und anstatt dass meine Eltern mich aber rechtzeitig weckten, war ich kurz vor acht verwirrt aufgewacht und trat nun schneller in die Pedale, als es mein rostiges Fahrrad vermutlich ertragen konnte.

Ich hatte nicht gefrühstückt, weder duschen noch mich anständig fertig machen können und als wäre das nicht schon genug, regnete es. Eine Regenjacke trug ich aber leider nicht, ich glaubte nicht, dass ich überhaupt eine außer meiner viel zu dicken Winterjacke besaß, und deshalb wurde mir langsam aber sicher ganz schön kalt.

Das aber möglichst ignorierend fuhr ich im zügigen Tempo weiter und traute mich erst langsamer zu werden, als ich das schäbige Schulgebäude bereits aus der Entfernung sah und feststellte, dass ich noch eine Minute bis Unterrichtsbeginn hatte. Ich konnte es also noch rechtzeitig schaffen und während ich versuchte mit schnellen Schritten den Weg zum Fachraum zu finden, versuchte ich bereits eine annehmbare Entschuldigung für meinen unnötig strengen Englischlehrer zu finden, der auch kleine Verspätungen bereits für inakzeptabel hielt.

Ich hatte aber Glück, konnte den Klassenraum noch korrekterweise beim Klingeln betreten und setzte mich grinsend neben Oliver, der mein Grinsen kurz wissend erwiderte und netterweise dann seine Tasche von meinem Platz gleiten ließ. Er hatte offensichtlich nicht mehr erwartet, dass ich kam, und ich konnte es ihm auch nicht verübeln, wenn ich doch noch zu den wenigen Schülern aus der Oberstufe gehörte, dem noch etwas am pünktlich sein in der Schule lag.

,,Wieso hast du mir gestern Abend nicht mehr geantwortet? Dann hätte ich mir die unnötige Rede über fehlende Hausaufgaben eben ersparen können", klagte Oliver, als wir den Raum wieder verließen und fassungslos sah ich ihn an. ,,Erstens war mein Handy aus und außerdem gib nicht mir die Schuld, wenn du nicht mal eine kurze Mediation schreiben kannst. Das war echt nicht schwer und um drei Uhr nachts hab ich definitiv auch Besseres zu tun, als dir meine Hausaufgaben zu schicken." ,,Ich hab' dir aber um zwei geschrieben", entgegnete Oliver und genervt verdrehte ich die Augen. ,,Ja und eventuell liegt da das Problem." ,,Eventuell bist du das Problem." Wieder verdrehte ich die Augen, machte mir aber keine Mühe noch etwas zu erwidern, wenn das Oliver auch noch nie davon abgehalten hatte, endlos weiter zu reden.

,,Anderes Thema: Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?" ,,Wieso fragst du", entgegnete ich misstrauisch und runzelte aufgrund dem abrupten Themawechsel verwirrt die Stirn. ,,Ich glaub' ich hab mich in das rothaarige Mädchen aus der Elften verliebt", erklärte Oliver und seufzend schüttelte ich mit dem Kopf.

Schon lange hatte ich aufgegeben Oliver zu verstehen.
Er war zusammen mit Noah einer meiner besten Freunde und obwohl ich glaubte zu wissen, dass er ehrliches Interesse an Jule hatte, konnte ich von zahlreichen Mädchen erzählen, denen er das erste Mal begegnete und sich in sie 'verliebte'.

Er hatte aber bisher immer nur wenig Erfolg damit gehabt und das wunderte mich auch nicht, wenn er die Mädchen doch auch selten ansprach und sie meist in den nächsten Tagen bereits wieder vergaß. Es waren oft nur kurze Schwärmereien und deshalb hatte ich auch lange nicht verstehen können, warum er es stattdessen nicht mit Jule versuchte, wenn sich beide doch auch gut verstanden. Sie waren gute Freunde, aber im Gegensatz zu Oliver war Jule sehr religiös und interessierte sich kaum für Männer, mit denen sie sich nicht auch auf langer Sicht etwas vorstellen konnte und egal wie gemein das auch klingen mochte: Oliver würde dieser Mann vermutlich nie sein.

Leicht zuckte ich zusammen, als Oliver freundschaftlich einen Arm um meine Schulter legte und begann weiter von dem Mädchen zu schwärmen, dessen Namen er vermutlich nicht einmal kannte. Ich verdrehte somit nur die Augen, machte mir kaum die Mühe auf das Gesagte zu reagieren, aber brauchte das auch nicht, wenn Oliver das doch kaum bemerkte. Er redete genug für uns beide zusammen und bevor ich mich doch zu einer Aussage von ihm hätte äußern können, klingelte es und ich setzte mich bereits in den nächsten Kurs, der mich noch weniger interessierte als Olivers Schwärmereien von dem rothaarigen Mädchen aus der Elften.

Theoriestunden im Kunstunterricht langweilten mich nun mal zu Tode und eher wenig erfolgreich versuchte ich meine Müdigkeit beiseite zu schieben, während ich nach Schulschluss zu meinem Fahrrad wanderte und dort bereits ungeduldig auf Alicia wartete, die ich ein Stück noch nach Hause begleiten wollte.

Es dauerte aber noch, bis ich sie aus dem Schulgebäude gehen sah und erst dann steckte ich mein Handy zurück in meine Hosentasche und begrüßte sie mit einer Umarmung und einem Kuss, die sie lächelnd auch erwiderte.

,,Musstest du lange auf mich warten?", fragte sie und verneinend schüttelte ich mit dem Kopf, bevor ich mühsam mein Fahrrad aufschloss und Alicia bereits begann von ihrem anstrengenden Tag zu erzählen. Ich hatte zu hören wollen, aber schon bald fielen mir wortwörtlich meine Augen zu und das wunderte mich nicht, wenn ich doch heute kaum hatte schlafen können.

Unruhig war ich immer wieder aufgewacht, aber im Vergleich zu Oliver - der im aller besten Fall nur fünf Stunden die Nacht schlief - konnte ich mich mit meiner Menge an Schlaf vermutlich noch glücklich schätzen. Ich wusste ehrlich nicht, wie er das jeden Tag überlebte, aber er tat es und egal wie oft ich auch versuchte ihm zu erklären, dass das nicht gesund war, er wollte nicht auf mich hören.

,,Woran denkst du?", fragte Alicia, die nun auch bemerkte, dass ich ihr nicht mehr zu hörte und ihre Erzählung selbst beendete. ,,Oliver", entgegnete ich kurz angebunden und die Tonlage, in der ich seinen Namen sagte, ließ Alicia leicht lachen. ,,Muss ich mir jetzt etwa Sorgen machen, dass du mir fremdgehst? Mit einem Mann? Liebst du mich überhaupt?"

Lachend schüttelte ich mit den Kopf. ,,Alicia Haydon", begann ich. ,,...dich werde ich immer lieben", versicherte ich ihr und meinte es auch so, wenn ich auch noch nicht wusste, dass sie mehr Recht mit ihrer Aussage behalten würde als ich mit meiner.

Verflucht HeißDonde viven las historias. Descúbrelo ahora