Kapitel 4 - Zum ersten Mal.

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Gegen vier in der Früh wachte ich schwer atmend und schwitzend auf, meine Tränen wie jede Nacht strömend aus mir heraus. Durch die Schlaftabletten erlebte ich nur sehr wenig von meinen Albträumen und das war auch gut so. Ehrlich gesagt weiß ich nicht wie ich damit zurecht kommen würde, wenn ich diese Albträume jede Nacht ertragen müsste. Natürlich nimmt es mir scheiß viel Energie und Gesundheitlich bin ich auch nicht grade in Top Form -geschweige denn seelisch-, aber es war einfacher so. Es war einfacher nichts zu fühlen. 

Gestern hatte ich etwas Unüberlegtes getan und obwohl ich es nicht bereue, weiß ich auch dass ich das nie wieder tun werde. Wer war sie schon für mich? Egal was in ihrem beschissenem Kopf vorgeht oder warum sie so merkwürdig ist, sie war immer noch sozusagen eine Fremde für mich und sie sollte mich nicht interessieren.“Nein! Hör auf!? Warum hast du das getan?! Warum!?“ hörte ich sie schreien und automatisch erhob ich mich vom Bett und ging zum Fenster. Mit einer Hand wischte ich den Schweiß von meinem Gesicht und atmete bebend tied durch, meine Augen auf Katherine fixiert die sich panisch in ihrem Bett wälzte.“Ich hasse dich! Ich hasse dich! Warum nur!?“ ihre Lampe war noch an, ihre kleine Dose neben ihr offen und sie schien in so viel Schmerz zu sein, dass sie fest ihre Zähne zusammen biss. So fest, dass ich mir einbildete ich hätte ihre Zähne aufeinander schleifen hören. Ihre Hand die ich noch vor ein paar Stunden verarzte, hielt nun verkrampft die Bettdecke und durchblutete den Verband.

Und da wurde mir bewusst, sie interessierte mich. Es interessierte mich warum Katherine Moore täglich so tut, als wäre sie perfekt und hätte das perfekte Leben, wenn sie Nachts von etwas verflogt wird in ihren Träumen. Es interessiert mich warum sie jeden Tag lächelt und lacht, wenn sie Nachts weint und leidet. Sie interessierte mich. 

Aber sollte ich diesem Interesse nachgehen? Was würde es mir schon bringen ihre Geheimnisse rauszufinden? Offensichtlich will sie ja nicht, dass ihre Geheimnisse aufgedeckt werden sonst hätte sie es schon alleine Menschen erzählt. Dann müsste sie keine Fassade auftragen oder so tun, als wäre alles in Ordnung. Und warum sollte ich mich wirklich in diese Sache einbringen? Es ergab kein Sinn. 

Jedoch wollte ich es. Irgendwo tief im Inneren, wollte ich es unbedingt. Ich wollte unbedingt heraus finden wer eigentlich Katherine Moore war. 

—∞— 

Wenn ich mal sterbe, musst du mein Grab jede Woche mindestens einmal besuchen, hast du verstanden Jay? Unbedingt, schließlich wollen wir ja nicht, dass meine Blumen die du immer dort hinbringst, hässlich werden und die anderen Geister über mich lästern, nicht wahr? 

Ihr Lachen vermisste ich am meisten. Ich liebte es sie lachen zu sehen. Wie ihre Augen funkelten, ihre Lippen sich trennten und die Falten der Erschöpfung durch Falten der Freude verwechselbar waren. Es war immer so schön sie lachen zu sehen, so beruhigend und gefühlvoll. 

Seufzend legte ich die Blumen auf ihrem Grab und betrachtete langsam die Schrift in dem der Name meiner Mom geschrieben wurde. Es passte so ganz und gar nicht zu ihr. Dieses Gold war leblos und elegant, wenn nicht schon überheblich und meine Mom war alles andere als das. Kopfschüttelnd ging ich zurück zu mein Auto und startete den Motor, der Schmerz in meiner Brust mal wieder spürbar. So ein angespanntes Gefühl, als würde mein Brustkorb von Innen immer enger und enger werden. Schnell schloss ich meine Augen und ließ mein Kopf gegen den Sitz fallen, bevor ich tief einatmete. 

“Mom! Mom, ich war der Beste in Chemie und Biologie. Mal wieder.“ ich küsste ihre Stirn und legte grinsend meine 2 Tests auf den Tisch, meine Mutter nur breitlächelnd in der Küche. Sie nahm die Tests in ihre Hände und betrachtete sie, bevor sie mich umarmte.“Ich bin ja so stolz. Wie wärs wenn wir heute ausgehen? Nur du und ich, wir fieren wie gute Noten du immer bekommst? Hm?“ ich erwiderte ihr strahlendes Lächeln , nickte und ging schnell hoch in mein Zimmer um mich umzuziehen. 

Als ich mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren spürte, kam ich wieder zur Realität zurück und atmete zittrig ein, bevor ich mein Handy rausnahm. Die Schule.“Ja?“ 

Mr.Ellis? Darf ich den Grund erfahren warum Sie heute nicht in der Schule sind?“ fragte mich die Professorin, so wie meistens wenn ich fehlte und ich seufzte laut.“Ich bin krank.“ antwortete ich schlicht und für ein paar Sekunden gab es Stille.“In Ordnung Mr.Ellis. Vergessen Sie nicht die Bestätigung von einem Arzt oder eine Entschuldigung.“ ich antwortete mit einem ‚ja‘ und legte schließlich auf, mein Handy wieder in meine Hosentasche gesteckt. Eigentlich fehlte ich nicht oft, aber in letzter Zeit kamen mir so viele Erinnerungen hoch, dass ich es anders nicht durchgehalten hätte. 

Beim Arzt Dr.Reynolds angekommen, tritt ich ein und wartete drauf, dass ich von ihm aufgerufen werde. Schließlich als es passierte, ging ich zu ihm rein und schloss seufzend die Tür hinter mir.“Immer noch schön am Seufzen Mr.Ellis?“ fragte er lächelnd und stand auf um mir die Hand zu reichen, was ich erwiderte und mich setzte.“Ich habe keine Schlaftabletten mehr.“ er nickte, nahm meine Akte zur Hand und guckte rauf, bevor er mit hochgezogenen Augenbrauen wieder zu mir sah.“Da steht ich habe dir vor 2 Wochen eine Dose verschrieben. Was ist damit?“ ich seufzte und legte meine Hand auf mein Nacken, bevor ich es hin und her rieb.“In letzter Zeit war es schwer, ich habe mehr gebraucht um ein zu schlafen. Und öfters.“ gab ich zu und traf die ernsten Augen von Mr.Reynolds, worauf ich nur wieder aufseufzte.“Können Sie es mir einfach aufschreiben?“ meinte ich schroff, worauf er seufzend meine Mappe hinlegte. 

Er ging zu seinem Computer, tippte ein paar Sachen ein und der Zettel kam ausgedruckt beim Drucker heraus.“Hier.“ sagte er, als er mir den Zettel überreichte und als ich danach griff, hielt er den Zettel noch fest. Er guckte mir in die Augen und ich starrte desinteressiert zurück.“Das sind sehr starke Schlaftabletten Mr.Ellis, damit ist nicht zu spaßen. Versuchen Sie es besser einzuteilen, wenn es geht nur eine am Tag.“ ich nickte, steckte mir den Zettel ein als er endlich losließ und reichte ihm die Hand, bevor ich wieder aus dem Raum ging.

—∞— 

Zuhause angekommen, musste ich müde werden, deshalb entschied ich mich ein wenig Sport zu machen. Die Fenster weit geöffnet für frische Luft, die Musik laut damit es meine Gedanken verdrängt und mein T-shirt ausgezogen, fing ich mit Liegestützen an. Meine Muskeln spannten sich an, mein Atem verschnellerte sich bei dem zehnten und ich fing an laut mit zu zählen.“11…12…13..“ die Musik blendete meine Gedanken aus, genau wie ich es mir erhofft hatte und ich zählte weiterhin mit. 

Bei 100 hörte ich schließlich auf und machte mit Sit-ups weiter, das Brennen und die Anspannung in meinem Bauch spürbar schon nach dem 20.ten Sit-up.“21…22…23…24…“ ich atmete schwer ein und aus, meine Hände stützend zu meinem Kopf gelegt und zählte weiter.“25…26…27…28…“ doch dann hörte ich plötzlich selbst durch die Musik einen Schrei und ich ließ mich schwer atmend ganz auf den Boden fallen. Verwirrt sah ich auf die Uhr und bemerkte, dass es grade mal nach 11 Uhr war am Vormittag und ich stand auf, während ich bebend ein und aus atmete. Schnell nahm ich mir ein Handtuch vom Badezimmer und machte dann die Musik aus, worauf ich Katherine erblickte. 

Sie war nicht in der Schule? 

Ich sah zu wie sie mit einem Schuh in ihrer Hand ängstlich Schritte nach vorne zu ihrer Wand machte und schließlich den Schuch dahin schmiss, bevor sie schnell zu ihrem Bett lief und drauf sprang. Dann drehte sie sich in meine Richtung und ihre blauen Augen trafen auf meine. Der Schmerz den sie in ihren Augen verborgte war verwundernd für mich…

“K-kannst du mir helfen?“ fragte sie, ihre Stimme leise und zittrig, worauf sich meine Augen weiteten. Das war das erste Mal, dass sie mich ansprach.“Da ist eine Spinne und ich…“ meinte sie, worauf ich seufzend den Vorhang zu machte. Danach machte ich die Musik wieder an und machte weiter mit meinen Sportübungen, in der Hoffnung das ich Katherine aus meinem Hirn kriegen kann. 

Ungefähr um 22 Uhr hörte ich auf mit dem Lernen und legte meine Bücher wieder hin, bevor ich mich auszog und nur in Boxer da stand. Dann entzog ich die Vorhänge und sah kurz rüber zu Katherine die schon ihr Zimmer ganz dunkel hatte. Seufzend legte ich mich in mein Bett und legte ein Arm unter mein Kopf, bevor ich die Decke anstarrte.

Katherine Moore….Katherine Moore…Katherine Moore….

Wer bist du wirklich? 

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