Loyalität

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23. K A P I T E L ║Loyalität

»Der Wald ist unser Thron.«




N hockte neben Zoroark auf einem Baum und sah feindselig auf die Polizisten herab, die sich auf der Lichtung versammelt hatten.
Touko versuchte ebenfalls am Baum hochzuklettern, scheiterte aber schon seit zwei Minuten durchgängig. Rot vor Anstrengung ließ sie den unteren Ast los und plumpste mit dem Hintern voran ins Gras. »Bin zu schwer. Hab zu viele Muskeln. Sorry, Jungs!« Während sie so dalag und N in seiner kühlen, ignoranten Eleganz beobachtete, spannte sie ihren linken Arm an und tastete verträumt ihren Bizeps ab.
»Touko.« Seine Armreifen klirrten hell, als er neben ihr im Gras landete, den Blick skeptisch auf die Menschengruppe gerichtet. Er blieb geduckt und näherte sich Touko auf allen Vieren. »Er hat etwas vor«, flüsterte er. »Der Vorschlag mit der Zusammenarbeit kam zu schnell, seine Argumente wirkten unbeholfen. Ich versuche die ganze Zeit herauszufinden, um was es sich handelt. Irgendetwas stimmt nicht.«
Sie spitzte ihre Ohren und lehnte sich an ihn. »Mir war schon irgendwie klar, dass das 'ne Falle ist. Warum hast du eigentlich so schnell zugestimmt?«
N legte seinen Kopf schief und roch an ihrem Haar. »Na, damit wir an die Waffe herankommen. Es ist unsere einzige Chance, Kyurem zu be-« Er stockte, sein Mund öffnete sich langsam, als schoss in diesem Moment eine Erkenntnis aus ihm heraus. Bevor sie fragen konnte, was er nun schon wieder für eine Formel gelöst hatte, stand er auf und lief zu den anderen auf die Lichtung, winkte Touko zu sich.
»Hey, Looker«, sang er lässig, so wie er es vom Menschenprofi Zwei-Punkt-Null gelernt hatte. Es sah so falsch aus, dass Touko ein Lachen unterdrücken musste. N war eine Prinzessin, kein Biker.
»Hm?« Angesprochener sah von seiner Arbeit auf, die er verrichtete. Ein kofferähnliches Gerät lag vor ihm. Darin waren viele Knöpfe und Hebel verbaut, dazu Schnittstellen für Kopfhörer. Einer steckte in Lookers Ohr. Er nahm ihn heraus und hob seinen Kopf, blinzelte fragend. »Ja, bitte?«
N hockte sich vor das Gerät, fuhr zunächst mit einem Finger an einer Kante entlang, fixierte dann Looker mit seinem stechenden Blick. »Touko und ich könnten die Waffe mit unseren Drachen zerstören, bevor das Schiff Twindrake erreicht. Wie wäre das? Ein präziser Angriff, und die Sache ist erledigt. Keine Verletzten, keine große Schlacht.« Ein Lächeln auf seinen Lippen. Ein hinterlistiges, wissendes Lächeln.
Looker zögerte ziemlich lange. Schließlich schloss er mit Bedacht den Koffer und räusperte sich. »Nun... Das ist ein gutes Angebot, aber ich kann nicht riskieren, dass ihr verletzt werdet.«
Das Lächeln verschwand. »Wir haben ein Zoroark, das hervorragende Illusionen erschaffen kann. Sie werden uns nicht sehen, wenn wir kommen«, log N und zerriss einen Grashalm zwischen seinen Fingern. Als Looker schon wieder zögerte, warf er ihm einen kühlen Blick zu.
»Clever. Sehr clever.« Der Mann mit Trenchcoat nickte in sich hinein. »Auf was willst du hinaus?«
Auf Ns Gesicht bildeten sich dunkle Schatten. Er legte seinen Kopf schief, noch immer emotionslos im Blick. »Es muss nicht zum Angriff kommen. Ihr habt es auf die Waffe an Bord des Schiffes abgesehen, habe ich recht? Aus diesem Grund wartet ihr, bis es hier in Twindrake in die Falle tappt. Machthunger verzehrt den menschlichen Verstand ziemlich schnell. Wem trachtet es nach so viel Macht, dass er den Geheimdienst in eine ferne, hilflose Region schickt, um eine Waffe zu stehlen, die von einem Jugendlichen programmiert wurde, dem während der Bearbeitung ein Messer an die Kehle gehalten wurde? Das ist armselig...«
Looker stand auf und klopfte das Gras von seiner Hose. Ns Blick erwiderte er nicht mehr. »Die Waffe ist das Interesse des Geheimdienstes. Eine lange, komplizierte Geschichte... Davon versteht ihr ebenso wenig wie von Wurmlöchern und Singularitäten. Ziel der Internationalen Polizei ist weiterhin die Wiederherstellung der Liga. Ihr arbeitet nun mit mir zusammen, also muss ich euch bitten, euch an die Abmachung zu halten. Ihr tut, was ich sage und ihr landet nicht im Knast. So einfach ist das.« Mit seinen Daumen fuhr er über die Sicherheitsschlösser des Koffers. Es klackte.
»Woah, woah!« Touko quetschte sich durch die Polizisten, die sich kampfbereit hinter N gestellt hatten. Da sie so klein war, musste sie ihre Ellenbogen benutzen. »Bei allem Respekt«, begann sie möglichst höflich, als sie endlich schwer atmend vor Looker stand, »aber das hätten Sie uns früher sagen sollen! Ich will wirklich nicht an Waffengeschäften beteiligt sein! Das ist ja sau pervers, uns da einfach reinzuziehen!«
Looker reichte den Koffer an einen seiner Männer weiter und verschränkte die Arme. »Es tut mir leid, das ist mein Auftrag. Es ist auch mein Auftrag, die Liga wiederherzustellen. Und euch von alldem, was hier passiert, fernzuhalten. Und das geht nicht, wenn ihr mit euren Drachen einen auf König und Königin macht und ganze Armeen von Pokémon versammelt!« Er zeigte mit einer übertrieben ausladenden Geste auf den Wald und fiel dabei fast um. »I-Ich habe sie gesehen! Sie sind alle hier«, erwähnte er beiläufig und leicht gehetzt. »Das hier ist kein Spiel, das ist Krieg! Also tut was ich sage und euch wird nichts geschehen! Der Transport der Waffe wird euch wohl kaum in Lebensgefahr bringen. Nun ja... Ich hätte euch auch in einen Hinterhalt locken können, um euch zu bändigen, so wie es mir aufgetragen wurde, doch mit unserer ›Zusammenarbeit‹ ist dies nicht nötig – so will ich es doch hoffen!« Seine Stimme war sehr laut geworden. So sehr, dass Touko zurückwich. »Wann hätten Sie uns erneut um die Drachen gebeten?«, fragte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen und einer hörbaren Skepsis.
Er seufzte überfordert und fasste mit Daumen und Zeigefinger an die Stelle zwischen den Augen. »Könnt ihr nicht einfach aufhören damit und nach Hause gehen? Das hier ist eine Sache der Polizei. Bitte zwingt mich nicht dazu, handgreiflich zu werden. Das will ich beim besten Willen nicht...«
»Transport der Waffe, ich glaub' mein Floink pfeift. Das war ja 'ne linke Nummer. Als hätten wir einen Arbeitsvertrag unterschrieben, ohne das Kleingedruckte zu lesen.« Sie verschränkte ihre Arme beleidigt und hoffte, dass N eine Lösung für dieses Problem hatte. Denn wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie eine Prügelei angezettelt.
»Bitte!« Looker hob seine Hände. »Bitte tut einfach das, was ich sage. Es wird euch, uns und Einall sehr viel Ärger ersparen! Und ich bitte euch anständig, weil ich keine Lust darauf habe, euch wie Wilde zu jagen.« Sein flehender Blick wurde müder und müder. »Naja, eigentlich habe ich das gar nicht nötig...«
N seufzte laut. »Ganz ehrlich: Ich will nicht im Knast sitzen. Und ich will auch nicht, dass Touko etwas passiert. Also meinetwegen belassen wir es dabei. Wir werden tun, was du sagst, wenn uns danach nichts geschieht. Und wenn wir unsere Drachen behalten dürfen.«
Looker atmete laut aus. »Danke... Danke!« Er sah zu Touko und deutete mit einem Daumen auf N. »Höre lieber auf ihn, er hat Grips.«
»Oh ja«, grummelte sie zähnefletschend, »das werde ich.«
»Die Drachen dürft ihr behalten... Ich will sie nur für ein paar Tage. Nicht, dass ihr heute Nacht Unfug anstellt.« Er streckte seinen Rücken und schnippte zwei Polizisten zu sich. »Behaltet sie im Auge«, grummelte er ihnen zu.
»Nein!«, protestierte Touko schrill und rammte protestierend einen Fuß in den Boden. N legte eine Hand auf ihre Schulter und lächelte warm. »Touko«, sagte er langsam. »Es ist besser so. Wir arbeiten jetzt mit ihnen zusammen, also...«
Sie bekam eine Gänsehaut. Wenn N derart langsam sprach, war er entweder total verliebt, oder so wütend, dass er in Gedanken mordete. In diesem Fall traf wohl eher letzteres zu. Sie sah auf den Pokéball an ihrem Gürtel. Komisch, normalerweise trug sie ihn nie dort. »Ah... Verstehe. Na gut«, sie sah zu Looker hoch, ohne ihren Kopf zu bewegen, »Wenn Sie den Ball auch nur einmal fallen lassen, wachen Sie am nächsten Morgen mit einem Brecheisen im Bein auf, verstanden?«, zischte sie mit schmalen Augen, riss den Ball von ihrem Gürtel und klatschte ihn in Lookers offene Hand.
Er hob eine Braue und sah die Kapseln an, als wären sie die verstörende Lösung für die Quadratur des Kreises. »Das... Das war einfacher als erwartet.« Er steckte sie schnell in seine Manteltasche und klopfte von außen mit seinen Händen dagegen. »Sie sind gut bei mir aufgehoben. Ihr bekommt sie sofort wieder, wenn die Gefahr vorüber ist.« Dann ging er – mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.

ℕatural Numbers  [ Pokémon Schwarz / Weiß ]Where stories live. Discover now