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Regen fiel ohne Halt. Auf Jeffs Schulter fühlte es sich fast wie Kugeln einer Pistole an. Und dass er einen toten Jungen Huckepack trug, machte die Situation nicht gerade besser. Eher im Gegenteil. Wenn man die Schmerzen beiseite schob, welche schon ein großes Problem darstellten, durchnässte nicht nur der Regen seine Klamotten und ließen ihn wie ein triefendnasser Hund, wie Nana, aussehen, sondern ließ ihn auch noch wie ein Eis am Stiel frieren. Durch das Nass rutschten ständig die Beine von Henrik durch seine Arme und Jeff musste ihn andauernd von Neuem mit aller Kraft zurecht schieben. Dabei musste er allerdings aufpassen, dass er nicht zu weit rutschte oder vorn über geschleudert wurde. Und jedesmal, wenn Jeff den Jungen zurecht rückte, pochte seine Schulter umso mehr schmerzvoller auf. Es war zum Haareraufen. Langsam spürte er nicht mal mehr seinen Arm, allerdings dafür umso mehr die Schmerzen.  Doch er sagte nichts. Er ließ kein Laut über seine Lippen irren. Den Schmerz schluckte er hinunter und biss sich auf die Unterlippe, die bald darauf auch anfing zu bluten. Doch Jeff kümmerte sich nicht um seine Wehwehchen. Er hatte wichtigeres zu tun.
Schon bald hatte er das kleine Dorf verlassen gehabt. Auch wenn der Regen nicht gerade für seine Schulter zu Gunsten kam, so kam er doch perfekt, um keinen schaulustigen Menschen zu begegnen. Man verließ ungern sein Haus zur späten Stunde. Umso weniger, wenn es wie aus Eimern schüttete, was es tat. Jeff war der einzige, der bei so einem Sauwetter nachts durch den Regen stampfte.
Vor ihm Tat sich eine lange Straße auf. Wasser hatte sich in den Löchern des Asphalts gesammelt und wurden zu unruhigen Pfützen, in denen das Wasser plätscherte.
Alle paar Meter waren am Straßenrand Bäume gepflanzt worden, die mehr tot als lebendig wirkten. Sie waren zwar groß, aber dürr und ausgetrocknet und trugen keine Blätterkleider. Tagsüber sahen sie aus, als würden sie nach Wasser flehen, doch nachts wirkten die Äste wie lange, gefährliche Finger, die nach einem greifen und zu sich zerren wollten. Sie würden alles, was sie erwischten, zu einem Teil ihrer machen. Sie wollten ihren Schmerz, tot aber doch lebendig zu sein, teilen. Jedenfalls hatte Nisha dies immer gesagt gehabt. Wenn Jeff so zurück dachte, konnte Nisha diese Bäume nie sonderlich leiden.
Jeffs Blick glitt von den Bäumen zurück auf den nassen Asphalt. Er wusste nicht, warum er sich ausgerechnet jetzt an das Gerede eines pubertierenden Mädchens erinnerte. Das war doch lächerlich. Allerdings erinnerte ihn diese Geschichte an einen anderen, sehr gefährlichen Ort, an den er keine Sekunde seiner Gedanken verschwenden wollte. Es gehörte der Vergangenheit an und nichts konnte dies ändern.

Nana lief hechelnd hinter Jeff her. Ab und zu blieb sie stehen, um sich zu schütteln, was sichtlich wenig brachte, da sie wenige Sekunden später wieder absolut durchnässt war. Manchmal blieb sie allerdings auch stehen, um aus den zu Tümpel gewordenen Löchern zu trinken. Sie hatte den ganzen Tag über nichts getrunken gehabt. Nicht mehr, seit dem sie mit Jeff aus dem Haus gestürmt war.
Als sie fertig getrunken hatte sah sie auf und merkte, dass Jeff ein gutes Stück weiter voraus gegangen war. Er hatte sich nicht mal nach ihr umgesehen. Allerdings tat er das nie. Denn er vertraute Nana, dass sie ihm nachlaufen würde.
Kräftig schüttelte sie nochmal ihr Fell, um das Wasser aus diesem heraus zu bekommen, allerdings wurde es sofort wieder triefendnass. Dann rannte sie los und drosselte ihr Tempo erst ab, als sie Jeff erreicht hatte. Trabend lief sie neben ihm her und leckte sich die Wasserperlen von der Nase.
Nach Aufmerksamkeit suchend sah sie dann zu Jeff auf, der sich allerdings reichlich wenig darum kümmerte, dass sie neben ihm her lief oder sie ihn ansah. Er merkte es nicht. Er war beschäftigt. Und da Nana nicht die Aufmerksamkeit bekam, nach der sie sich im Moment sehnte, sah sie in die weite Ferne und sah eine großes Gebäude. Ein Haus. Jacks Haus. Einige Fenster waren hell erleuchtet. Die meisten allerdings schwarz. Sie jaulte einmal kurz auf und rannte wie von der Tarantel gestochen los.
Jeff sah ihr verwundert nach, entdeckte allerdings daraufhin schnell, was Nana so aus dem Häuschen fahren ließ. Keine dreihundert Meter war sein Zuhause entfernt. Heiser auflächelnd rückte er Henrik nochmal zurecht und legte einen Gang zu. Gleich war er Zuhause. Im warmen. Und er konnte sich endlich der Leiche entledigen. Jack würde sich seine Verletzung ansehen. Dann würde er schlafen. Sehr lange schlafen. Jeff merkte erst jetzt, wie die Müdigkeit ihm durch die Knochen kroch. Langsam und kläglich. Es war schwer die Augen auf zu behalten. Aber noch war er nicht Zuhause. Er gab sich einen Ruck.
Nana legte einen Gang zu. Fast wäre sie auf dem nassen Asphalt ausgerutscht, allerdings nur fast. Hundert Meter noch. Dann fing sie an zu Bellen. Laut zu Bellen. Fünfzig Meter. Gleich war sie Zuhause. Im Trockenen. Sie würde sich ausschütteln und sich dann neben die warme Heizung niederlassen. Die Wärme genießend würde sie sich trocknen lassen und dann auf ihr Abendessen warten. Sie hatte Hunger.
Dann entdeckte sie die Haustüre. Aus vollem Anlauf und mit aller Kraft sprang sie gegen diese. Und bellte lauter als zuvor. Sie sprang auf und ab und kratzte an der Tür. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Türe und Nana quetschte sich ohne weiter zu warten hindurch. Im Flur schüttelte sie die Nässe von sich, wobei Jack einiges ab bekam, und lief Richtung Wohnzimmer und Heizung. Dort war eine Decke ausgebreitet. Extra für sie. Auf jene legte sie sich genugtuend und hechelte zufrieden.

REBORN || Jeff x Ben || All We Need Is Faith 2Where stories live. Discover now