„Damit du wieder normal wirst"

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Der Psychiater redete bestimmt noch ne Stunde auf mich ein und ging dann, weil ich auf nichts antwortete. Wenn die Polizei die Jungs findet, verzeih ich mir das nie. Ich werde nie etwas verraten.

Nach knapp drei Wochen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Zum Glück. Ich setzte mich grad in das Auto meiner Mutter, welche mich natürlich abholte. Meine Wunde war fast komplett verheilt. Es ist nur eine kleine Narbe geblieben. Während der Fahrt nachhause redeten wir kein Wort miteinander und auch sonst war irgendwie eine Art Barriere zwischen uns entstanden. Zuhause angekommen ging ich sofort auf mein Zimmer und schloss die Tür ab. Es kam mir hier alles so fremd vor, als hätte ich hier nie gewohnt. Es war alles noch am selben Platz, wie ich es vor über einem Jahr verlassen hatte. Ich ging zu meinem Bett und ließ mich drauffallen.

Keine Ahnung wie lange ich so mit dem Gesicht auf dem Kissen dalag, aber als ich aufsah war es schon dunkel draußen. Plötzlich fiel mein Blick auf das Bild auf meinem Nachtkästchen. Darauf waren Linda und ich mit strahlenden Gesichtern. Ich nahm das Bild, drückte es fest an mich und fing an zu weinen. „Ich vermisse dich so sehr. Auch wenn Chris und Alex uns das angetan haben, liebe ich die beiden. Ich hoffe du verstehst das und ich hoffe du vermisst mich auch.“, flüsterte ich leise. Irgendwann schlief ich einfach ein.

„Hey mein Schatz aufwachen“, weckte mich meine Mutter mit einem Lächeln im Gesicht. Ich sah sie nur ausdrucklos an, stand aber auf und ging ins Badezimmer. Als ich mich in den Spiegel sah, erschrak ich. Ich hatte dunkle Ringe unter den Augen, hervorstehende Wangenknochen und einen total fertigen Gesichtsausdruck. Beim Ausziehen fiel mir etwas auf, was mir im Krankenhaus nie aufgefallen ist. Ich war wieder dünner geworden. Man sah meine Rippen wieder deutlich und auch meine Beckenknochen sah man mehr als deutlich. Ich stellte mich in die Dusche und ließ das heiße Wasser über mich rinnen. Ich stand wohl schon länger als eine halbe Stunde so da, denn meine Mutter klopfte plötzlich an und fragte, ob alles okay sei. „Ja“, antwortete ich knapp.

Zurück in meinem Zimmer zog ich mir eine Jogginghose und einen Hoodie an. Ich sah beim Fenster raus. Es war schon ziemlich warm. Man konnte die Vögel zwitschern hören und das Gras war schon richtig grün. Ich schätzte, dass es Mai oder Juni war. Nicht einmal dieses schöne Wetter konnte mich zum Lächeln bringen. Ich ging runter, da mich meine Mum jetzt schon zum dritten Mal rief. Ganz ehrlich was soll das? Warum werde ich jetzt so bemuttert? Ich will das nicht. Glaubt sie, dass dadurch alles besser wird? Wird es nämlich nicht.

Im Esszimmer war der Tisch gedeckt, als wenn zehn Gäste kommen wollten. „Wer kommt denn noch alles?“, sagte ich ausdruckslos. Ich setzte mich an den Tisch, während meine Mutter noch mehr Sachen heran brachte. „Ja weißt du Amy. Ich hab noch jemanden eingeladen. Damit du wieder normal wirst. Ich dachte es tut dir vielleicht mal gut wieder mal deinen Papa zu sehen.“, sagte sie. Ich starrte sie an. Hab ich grad richtig gehört? „Ey, das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“, schrie ich sie an. „Du hast jetzt nicht im Ernst gesagt, dass du meinen Vater eingeladen hast. Ich will diesen scheiß ignoranten Wichser nicht sehen. Der hat doch eh nur sein beschissenes Geld und seine Schlampen Blondine im Kopf“. Ich spürte wie mir vor Zorn die Tränen kamen. Und prompt in diesem Moment klingelte es an unserer Haustür.


Im Haus der MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt