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Eine geschlagene halbe Stunde suche ich bereits nach meinem verschollenen Hund. Dabei schwanke ich zwischen aufsteigender Panik und nüchterner Logik, dass ihr nichts passiert sein kann und es ihr gut geht. Sie ist ein verdammt schlauer Hund und würde sich nicht vor ein Auto werfen. Andererseits ist sie einfach so davon gelaufen und das verstehe ich genauso wenig. Seufzend haste ich weiter, schaue mich um, bis ich plötzlich irritiert stehen bleibe. Ich befinde mich gerade wieder in dem Waldstück, etwas abseits des Weges, als ich ein Bellen höre. Da wieder. Das ist eindeutig Peppers Gebell. Rasch schiebe ich mich zwischen den Bäumen hindurch, über holpriges Terrain, als ich endlich ihr unverkennbares rotbraunes Fell aufblitzen sehe.

„Peppers! Hierher, Schätzchen!", rufe ich erleichtert. Schwanzwedeln kommt sie auf mich zu und ich kann nur ihr vertrautes Gesicht anstrahlen, so froh bin ich darüber, sie zu sehen. Sobald sie bei mir ankommt, knie ich mich zu ihr runter und vergrabe mein Gesicht in ihrem seidigen Fell.

„Wie konntest du mir das antun. Einfach abhauen. Das macht man nicht, verstanden, alte Dame", tadle ich sie mit weniger Schärfe, als sie es vermutlich verdient hat. Aber ich bin so glücklich, dass ich ihr nicht böse sein kann. Beim besten Willen nicht. Erst als ich ein weiteres Rascheln, ein Rumpeln und eine männliche Stimme mit den Worten „Wow, ... oh, Scheiße", höre, hebe ich den Blick und erkenne hinter Peppers einen Mann, der ihr folgt. Er trägt eine schmutzige, alte Jeans und ein dünnes, ärmelloses Hemd, das seine muskulöse, gebräunte Statur hervorhebt. Dunkelblonde Locken kräuseln sich um seine Ohren, manche länger, manche kürzer, die in alle Richtungen abstehen, als würde sich deren Besitzer wiederholend die Haare raufen. Ein Dreitagebart bedeckt mit dunkleren Schatten seine untere Gesichtshälfte, der seine hellbraunen Augen betont, deren Farbe an Cognac erinnert. Er ist ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein wenig älter und sieht umwerfend gut aus. Sogar als er den Kopf schief liegt und mich nachdenklich mustert, als versuche er mich zu lesen wie ein Buch.

Sofort richte ich mich wieder auf, verspanne mich ein wenig. Bevor ich etwas sagen kann, kommt er mir zuvor. „Sind Sie die Besitzerin des Hundes? Ich meine..., sieht ganz danach aus."

Seine Augen huschen zu Peppers, die zwischen meinen Beinen hin und her schwänzelt, dann wieder hoch zu mir. „Ich bin froh, dass wir sie gefunden haben. Hallo, ich bin Ethan."

Freundlich reicht er mir die Hand, wie es wohl jeder normale Mensch tun würde und ich versuche ebenfalls ganz normal zu handeln. Daher schüttle ich sie und nicke. „Ja, sie gehört zu mir. Danke."

Dann schweige ich wieder, warte ab und beobachte ihn, weil ich es so gewohnt bin, weil ich es seit Jahren nicht anders mache. Einige Momente starren wir uns wortlos an und sein intensiver Blick aus diesen wissenden Augen, der mich mustert, lässt mich die Sommerhitze noch intensiver spüren, obwohl wir im Schatten des Waldes stehen. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glauben, meine Wangen färbten sich rot. Verdutzt kneife ich die Augen zusammen. Das ist neu. Normalerweise reagiere ich nicht so auf irgendwelche dahergelaufenen Männer, die mich anquatschen. Und die gibt es sogar in einem kleinen Ort wie Silverstone Lake. Nachdem ich nichts weiter sage, fährt er sich, wie vorhin vermutet, durch die Haare und verstrubbelt die Locken noch mehr. Verlegen räuspert er sich. „Jedenfalls, ähm. Ich wohne in dieser Straße und ich war gerade im Schuppen, um Bretter zu stapeln, als sie zu mir gelaufen kam und mich dabei fast umgeworfen hat. Sie wollte sich unbedingt auf meinen Schoß setzen."

Ethan lacht leise, wobei mir seine offene Art und diese tiefe Stimme einen Schauer über den Körper jagen. Okay, das ist eindeutig genug. Dennoch lächle ich leicht. „Nun, sie ist eine ziemlich kuschelbedürftige Hündin. Danke noch mal."

Erneut nicke ich ihm dankbar zu, da ich wirklich froh bin, dass er Peppers sicher zu mir geführt hat. Dann wende ich mich ab und verschwinde ohne ein weiteres Wort mit meiner Hündin durch den Wald. Eine ganze Weile spüre ich seinen Blick in meinem Rücken und atme erst erleichtert auf, als ich außer Sichtweite bin.

~*~

Where We Got LostOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz