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Lärm umgab mich; die typischen brummenden Geräusche der leistungsstarken Motoren, gepaart mit den Schreien der anwesenden Menschen, jedoch alles gedämpft durch den dicken Helm, welcher schwer auf meinem Kopf ruhte. Auch an dieses Gewicht hatte ich mich gewöhnt und jetzt war es fast schon tröstlich; zu wissen, dass ich es bald wieder spüren könnte.

Es wurde lauter. Ich wusste der Start war in unmittelbarer Nähe. Mein Kopf flog noch ein letztes Mal zur Seite, dahin wo Tae nun eigentlich stehen müsste. Ich wusste, dass sein Blick die ganze Zeit über auf mir lag, dass er es nicht aushalten konnte mich aus den Augen zu verlieren. Ich wollte seinen Blick erwidern, ihm nochmal verdeutlichen, dass es okay war. Jedoch musste ich mich mit einem groben Andeuten in die Richtung der Tribünen beglücken. Es war keine Chance unter den Massen von Menschen Tae zu entdecken, auch wenn ich mich gerne damit rühmen würde ihn aus tausenden wiederfinden zu können. Doch dafür blieb mir nun keine weitere Zeit. Der Countdown hatte bereits begonnen und ich hörte die Stimmen meines Teams in meinem Ohr rauschen. Mit einem Grinsen spielte ich mit dem Gas, gesellte mich mit meinen Tönen zu den anderen Komponisten eines wunderbaren Stücks. Es war wie das letzte Teil zur Perfektion, die letzte Harmonie, damit alles stimmte. Zufriedenheit durchflutete mich, bevor der Countdown auch schon endete und die Schlacht begann.

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Ich schlug mich gut; nicht besser als die anderen Male, doch im Angesicht der Umstände nicht miserabel. Ich spürte wie die Reifen über den noch feuchten Asphalt glitten, wie sie eine wunderschöne Spur der Freiheit über die Straßen malten. Es befähigte mich, entfernte all das wirre Gedankenchaos, welches mich immer erfasste sobald ich meine Füße auf die Erde setzte. Aber hier war ich frei, vollkommen losgelassen von der Dunkelheit und dem Chaos. Es war genau das, was mich dazu geführt hatte diesen Sport als meine Karriere anzustreben; die Sehnsucht nach dem Vergessen. Nichts war mehr in meinem Kopf, nur der Wille diese Strecke zu besiegen und endlich wieder zu fliegen. Gerne malte ich mir aus, wie es wäre echte Flügel zu haben, so wie die Engel, welche über uns wachten und nur selten den rauen Weg zur Erde einschlugen. Doch wenn ich auf dem Motorrad saß, meine Hände fest am Lenker, die Füße in ihrer vorhergesehenen Position, während der Wind um mich tobte und mit seinen Böen ein lustiges Spiel mit mir spielte. Genau dann hatte ich das Gefühl wahrhaft Flügel zu besitzen, sie auszubreiten und damit über die Felder zu schweben. Ein Traum, der in meinem Kopf stattfand und doch jedes Mal so unglaublich verheißungsvoll erschien. Diese Gedanken waren es, die mich vorantrieben, die mich unablässig das Gas betätigen und mich in die Kurven legen ließ. Das Adrenalin überflutete mich, schaltete jeden Rest nützlichen Verstandes in mir ab und brachte mich dazu die Vernunft in den Wind zu schießen.

Wie in einem Rausch fegte ich davon, ließ andere Fahrer hinter mir und erfreute mich an alldem. Ich vergaß alles; die Welt, Tae, sogar das Gefühl für meinen Körper. Wild pochte mein Herz in meiner Brust, pumpte all das Blut durch die Adern und verursachte dieses heiße Kribbeln, nach dem ich mich verzehrte.

Ich genoss es. Ich genoss es so sehr, dass ich für einen Moment die Augen schloss und einfach losließ. Ich wollte meine Arme ausbreiten und fliegen, nur frei sein.

Dann jedoch veränderte sich etwas, ich spürte es unter den starken Reifen meines Motorrads. Schnell riss ich meine Augen wieder auf, bemerkte dass ich von der Strecke abgekommen war und nun in einem atemberaubenden Tempo auf eine der Banden zusteuerte. Ich hörte regelrecht wie die ganze Welt den Atem anhielt, zu keiner Regung mehr fähig. Reflexartig zog ich den Lenker nach rechts, rutschte über die verbliebene Nässe und krachte schließlich seitlich gegen das Härteste, was jemals meinen Körper getroffen hatte. Nun war ich der atemlose, derjenige der verzweifelt nach Luft schnappte und versuchte zu realisieren, was geschehen war. Meine Finger fuhren kraftlos über das Gestein, auf dem ich lag, mein Gesicht gen Himmel gewannt, sodass es sich für einen Moment wirklich so anfühlte, als würde ich wirklich fliegen. Mein Verstand setzte aus, Schmerzen überfluteten mich, doch ich lenkte meinen Blick nicht von den so unglaublich weich aussehenden Wattebällen am Himmel ab. Sie versprachen mir so viel, die Freiheit, die ich suchte und das Gefühl der Schwebe. Ich träumte davon, wollte in dieser wunderschönen Vorstellung versinken, bis heisere Stimmen durch den verbeulten Helm an meine Ohren drangen.

Dutzende Köpfe schoben sich in mein Blickfeld, versperrten mir die Sicht auf das wunderschöne Blau, versetzt mit einer lebendigen Nuance von Grau. Eines dieser Gesichter war besonders grauenerregend. Tae kniete da, Tränen überhäuften sein Gesicht, während er verzweifelt meinen Namen rief und die Sanitäter ihre Arbeit machen ließ. Ich wollte seine Hand nehmen, ihm die fürchterlichen Tränen von der wunderschönen Haut streichen und ihm sagen, dass alles okay war. Denn es war alles okay. Wie von selbst blendete ich das Gewusel um mich herum aus, tastete mit meinen Fingern nur langsam über den Boden; hin zu seiner schmalen, aufgelösten Gestalt. „Tae.", entkam es mir, meine Stimme klang furchtbar angestrengt, obwohl eine angenehme Leichtigkeit meinen Körper ergriffen hatte. Er hörte mich, rutschte noch ein Stück näher und griff vorsichtig nach meiner ausgestreckten Hand. „Du hast versprochen vorsichtig zu sein!", weinte er unaufhörlich, stach mir damit in mein immer noch so wahnsinnig schnell schlagendes Herz. „Ich konnte fliegen.", brachte ich mit einem Lächeln hervor, hielt seine Hand ganz fest, niemals gewillt loszulassen und ergab mich dann der Dunkelheit.

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Und damit ist auch mein zweiter Oneshot fertig 🙈 und bevor jemand etwas sagt, bitte bedenkt, dass ich mich im Bereich Motorsport nicht auskenne und ihr deshalb hier nicht vollkommen auf die Realität zurückgreifen könnt. Dieser Text entstammt meiner Fantasie, in der ich einen riskanten Sport gewählt habe, um die Sehnsucht nach Freiheit zu beschreiben...

Ich hoffe es hat euch trd gefallen, ich habe mich ernsthaft bemüht auch dieses Genre mal zu schreiben und freue mich über jegliches Feedback 🥰💜

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⏰ Last updated: Aug 15, 2020 ⏰

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