„Ist das euer Ernst?“, fragte ich atemlos als Kai und ich den Innenhof des Palastes betraten. Vor uns stand eine Kutsche, die von zwei prächtigen Reitpferden gezogen und einem dünnen, älteren Mann gelenkt wurde. Was mich jedoch aus dem Konzept brachte, war nicht diese Kutsche, sondern die halbe Armee an weiteren Wächtern und Pferden die sich um die Kutsche versammelt hatten.
 Kai wandte sich zu Kwanghee. „Was soll das? Was machen die ganzen Wächter hier?“
 Kwanghee zuckte seinerseits ratlos die Achseln. „Anordnung seiner Königlichen Hoheit.“
 Kai verdrehte die Augen. „Meine Mutter ist bloß über-vorsichtig, schicken sie die Männer fort, zwei werden schon genügen.“
 „Sie irren sich Prinz Kai. Es war ihr Vater der die Schar an Wachen diligiert hat.“
 Kais Augenbrauen schossen in die Höhe. „Wie bitte? Mein Vater?“
 Kwanghee nickte. „Ja. Er persönlich.“
 Der Königssohn verfiel plötzlich ins Grübeln und beäugte die Wachen mit einem skeptischen Gesichtsausdruck. „Ist irgendetwas passiert von dem wir nichts wissen?“
 Kwanghee zuckte die Achseln. „Nicht das ich wüsste.“
 Der braunhaarige schien nicht zufriede mit der Antwort, gab sich letztlich jedoch geshlagen, trat zur Kutsche und hielt mir die Türe auf. Nachdem ich eingestiegen war, krabbelte auch Kwanghee schnell hinterher. Kai und ich stöhnten gleichzeitig auf.
„Was denn? Dachten Sie etwa ich würde mich freiwillig auf eines dieser Monster dort draußen setzten? Niemals. Nich tüber meine Leiche würde ich das!“
 „Damit könnten wir nachhelfen“, murrte Kai und zog die Türe hinter sich zu. Kwanghee ignorierte seinen Kommentar gekonnt und klopfte auf das Polster neben sich. „Nun halten Sie nicht den Betrieb auf und setzten Sie sich zu mir Prinz, wir wollen endlich los fahren.“
 Kai setzte sich neben mich und legte die Füße hoch, exact dort wo eben noch Kwanghees knochige Hand gelegen hatte. Ich prustete los und Kwanghee zog rümpfend die Nase hoch, bevor er dem Kutscher mit zwei maligem Klopfen gegen das Holz zu verstehen gab, das er sich in Bewegung setzten konnte.
 „So, wo geht es jetzt hin?“, hakte ich nach, nachdem die Kutsche sich mit einem Ruck in Bewegung gesetzt hatte.
 Kwanghees Lächeln erschien von neuem. „An einen wirklich sehr schönen Ort.“
 Ich verdrehte die Augen, um Nichts in der Welt würde der Kerl mir freiwillig mehr Informationen geben. „Und für wie lange bleiben wir?“
 „Vielleicht zwei Wochen, vielleicht mehr, oder weniger, je nachdem.“
 „Je nachdem was?“, warf Kai ein und Kwanghee zuckte zusammen.
 „Je nachdem was für weitere Befehle ich erhalte!“
 Kai runzelte die Stirn. „Was verheimlicht ihr uns?“
 „Es liegt nicht in meinem Aufgabenbereich euch dergleichen zu erklären.“
 Kai gab auf. Sichtlich genervt.
 Mit der Kutsche zu reisen hatte mir noch nie wirklich gefallen. Man spürte praktisch jeden Stein, jedes Loch und jeden Hügel im Boden wenn die großen Räder darüber fuhren und immerzu hüpfte ich leicht auf von meinem Sitz oder wurde orfentlich durch gerüttelt. Viel lieber säße ich nun in dem Sattel eines Pferdes denn dann könnte ich außerdem die Geschwindigkeit meiner Fortbewegung bestimmen und den Wind in meinem Haar spüren während Felder, Wälder und so weiter an mir vorbei sausten. Als Königssohn war dies natürlich absolut gegen die Etikette und die Frage mir ein eigenes Pferd zu geben, somit noch nicht einmal die Mühe wert. Vergeudeter Atem, sozusagen.
 Die Fahrt sollte eine ganze Weile in Anspruch nehmen und während Kwanghee vor sich her schnatterte hatte das Rütteln und Beben der Kutsche bald eine beruhigende Wirkung auf mich. Meine Augenlider schlossen sich ohne mein Zutun, mein Kopf sakte immer wieder auf meine Brust hinunter und wieder hoch. Irgendwann, als meine Kopf erneut zu meiner Brust gesakt war, spürte ich wie leichter Druck auf meine Kopfseite ausgeübt wurde. Ohne zu registrieren was geschah lies ich mich von der Berührung zur Seite lenken, bis mein Kopf auf Kais Schulter gebettet war. Noch bevor ich mich beschweren konnte, hüllte mich Müdigkeit ein wie eine dicke Wolldecke und Schlaf kam und brachte mich in Welten wohltuender Ruhe.
 Als ich die Augen öffnete dachte ich kurz ich hätte einen Albtraum, aber das entsetzte Stöhnen das aus Kais Kehle entfloh, bestätigte mir das dies leider kein Traum war. Nicht einmal Träume konnten so deprimierend sein.
 Kai hatte den Stoff, der als Vorhang vor den Fenstern der Kutsche, fungierte zur Seite geschoben, was den Blick auf dunkle Wälder, schlammigen Boden und ein schwarzes Gebäude enthüllte.
 „Sind wir in der Hölle?, fragte ich noch immer Schlaftrunken.
 „Zumindest das Vorderzimmer zur Hölle“, gab Kai leise zurück. „Sagtest du nicht das wären unsere Flitterwochen?“
 Kwanghee, der seine Unzufriedenheit selbst nur schwer kaschieren konnte, versuchte sich an einem wackeligen Lächeln. „Aber Hoheit das ist doch die perfekte Einrichtung um ein paar gemütliche Wochen zu verbringen.“
 „Natürlich, ich stelle mir das ganze sehr romantisch vor. Eine dunkle Hütte, Mitten im Dickicht des Waldes, auf einem Berg, weit entfernt von jeder Menschenseele, geschweigedenn dem Palast! Was werden wir hier überhaupt tun können?“
 Kwanghee zuckte die Achseln. „Anweisungen seiner Majestät, Prinz.“
 „Was zum Teufel denkt mein Vater sich bloß? Will er uns vom Rest der Welt abschotten oder was?“, knurrte Kai und stieg widerwillig aus der Kutsche. Von meinem Sitz aus musste ich mit Schrecken beobachten wie Kai plötzlich zehn Zentimeter kleiner wurde. Ich dachte schon der Boden würde ihn gleich verschlucken da seufzte Kai laut. „Schlamm. Großartig. Schlamm überall.“ Er watete ein paar Schritte von der Kutsche fort, bis ich seine komplett braunen Füße und ebenfalls braun gefärbten Hosenbeine sah. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen und verblasste als ich mich daran erinnerte das ich selbst auch irgendwie aussteigen musste.
 Unsere Weggefährten zesrtreuten sich mit ihren Pferden direkt in alle Himmelsrichtungen, gingen um das Gebäude, checkten das Gelände und langsam wurde auch mir sehr mulmig zu Mute. Kais Skepsis war gewiss nicht unbegründet und das bereitete mir Kopfzerbrechen.
 Ein großer schlanker Mann in geschäftlicher Robe und einem lächerlichen kleinen Schnurbart trat heraus, strackte die Arme aus und begrüßte Kwanghee mit einer Umarmung und einem sehr glücklichen Seufzen. „Kwanghee mein Lieber, gut siehst du aus, wie ist es dir ergangen?“
 „Gut mein Guter, sehr gut.“ Ich verdrehte die Augen und machte mich kurz darauf zum Sprung anzusetzen um die Schlammpfütze direkt unter mir irgendwie zu umgehen. Ich atmete tief ein und aus hielt mich an jeder Seite des Türrahmen kurz fest, holte schwung und sprang heraus. Wie durch ein Wunder hatte ich die tiefen Stellen des aufgeweichten Bodens gekonnt verpasst und landete auf recht ebenem, doch dennoch sehr feuchtem Untergund. Der Matsch flog bei meinem wackeligen Aufkommen zu allen Seiten und ich kicherte leise und kindisch. Als ich aufblickte sahen Kwanghee und der Fremde mich an, als wäre ich ein unbekanntes Ungeziefer unter ihrer Schuhsohle. Na großartig, noch so einer wie Kwanghee.
 „Eure Hoheiten!“, sprach der Mann dennoch großspurig wandte sich Kai zu um sich zu verbeugen und tat das gleiche dann bei mir.
 „Nicht so laut mein Guter!“, zischte Kwanghee und 'mein Guter' duckte den Kopf und sah sich erschrocken um. Niemand weit und breit zu sehen und dies schien ihn wieder zu beruhigen. Er räusperte sich. „Richtig. Verzeiht, ich war nur so aufgeregt Eure Bekanntschaft machen zu dürfen.“ Kwanghee seufzte. „Wie auch immer, machen Sie sich um Nichts gedanken. Das Personal ist befehligt sich von Ihren Räumlichkeiten fern zu halten. Außer einer kleinen Gruppe, die mich natürlich einschließt, weiß niemand hier von ihrer wahren Identität und sollte es jemand nicht vertrauenswürdiges herausfinden, landet die Person im Kochtopf.“ Er lachte mit einer bariton Stimme die mich bis ins Knochenmark erschütterte.
 „Was soll das?“, fragte Kai mit gerunzelter Stirn. „Wieso müssen wir unsere Identität verbergen?“
 „Um erholsame Flitterwochen genießen zu können“, antwortete Kwanghee müde und griff mit Daumen und Zeigefinger nach seiner Nasenbrücke.
 „Zum Teufel damit, was ist hier los?“
 „Prinz Kai...“ Der Mann schwiff ab und ich sah ihn sichtlich hinunter schlucken. „Ich meine...Jongin Sir“, flüsterte er ehrfürchtig. „Bitte machen Sie sich um nichts gedanken, es ist alles in bester Ordnung.“ Kai sah ihn an als hätte er völlig den Verstand verloren.
 „Woher kennen Sie meinen Namen?“
 „Wir sind angewiesen Sie während ihres Aufenthaltes hier so zu nennen“, erklärte Kwanghee. „Sie und Sir Lu.“ Mir fiel die Kinnlade hinunter. Hätte Kwanghee mich oder Kai im Palast so angesprochen es wäre als ein Verbrechen mit Todesfolge angesehen worden.
 „Aber...“
 „Um ihr Aussehen müssen Sie sich jedoch keinen Gedanken machen. Hier in den Bergen sind Ihre Namen zwar in aller Munde, doch kein Porträt, vor allem kein aktuelles, hat es je hierher geschafft.“
 „Ich will gar nicht wissen warum mich das beruhigen soll“, grummelte Kai entnervt. Die Wolkendecke über unseren Köpfen hatte sich noch weiter zusammen gezogen und der dunkelgraue Himmel blickte sehr unheilverkündend auf uns herab.
 „Da nun alles gesagt wurde“, sagte der Mann im Anzug und klatschte erfreut in die Hände. „Möchte ich Sie gerne in mein trautes Heim hinein führen.“
 Es stellte sich heraus das die Anlage größer war als von draußen gedacht und Kwanghees Freund war munter und fröhlich uns jeden Winkel des Hauses zu präsentieren. Auf unserem Weg durch die Gänge, begegneten wir dabei nicht ein einziges Mal einem der anderen Gäste die hier residierten oder dem Personal, dass in anderen Herbergen immerzu geschäftig umher lief.
 „Sind wir die einzigen Gäste zur Zeit?“, fragte Kai, dem dieser Umstand ebenfalls aufgefallen war.
 „Nein nicht die Einzigen, doch wir befinden uns gerade nicht in Hochsaison, weil die Regenzeiten dem wunderschönen Ambiente einen kleinen Dämpfer zu geben scheint.“ Geheimnistuerisch wandte er sich zu uns nach hinten und beugte sich vor als würde die Information die er uns gleich geben würde, nur streng vertraulich gehandhabt werden. „Aber ich persönlich halte nicht viel von solchen Meinungen, ich finde den Ort großartig, komme was wolle.“
 „Deshalb verbringst du den Frühling auch immerzu im warmen Süden des Königreichs, verstehe“, mischte sich eine neue Stimme ein und der entlarvte Lügenbold zuckte überrascht zusammen. „Ist schon ein Weilchen her seit ich dich zu letzt in diesen Zeiten hier gesehen habe Siwon.“ Der Mann stöhnte leise und stellte sich direkt vor den Neuankömmling.
 „Kyuhyun, immer eine Überraschung dich zu sehen, was verschafft mir die Ehre?“ Doch der dunkelhaarige im Anzug schob sich einfach an Siwon vorbei und lief mit einem Grinsen auf den Mundwinkeln auf uns zu. Er verbeugte sich tief. „Freut mich Sie hier begrüßen zu dürfen. Ich hoffe Sie werden einen angenehmen Aufenthalt haben.“
 „Danke“, begann ich unsicher. „Und wer genau...?“
 „Nennen Sie mich Kyuhyun. Ich bin der Erbe dieses Gebäudes.“ Er zwinkerte mir frech zu.
 Siwon seufzte wieder. „Was du nicht vergessen solltest zu erwähnen ist das dein Erbe antritt wenn ich ins Gras beiße also...“
 „Also bin ich guter Dinge“, unterbrach der sichtlich jüngere Mann galant. „Mein Großvater, der das Hotel erbauen ließ hat seines Alters wegen ein paar eigenartige Regeln aufgestellt, aber reden wir nicht darüber, Sie müssen erschöpft sein.“ Kai und ich nickten nur hilflos. „Ich führe Sie nun direkt zu ihren Zimmern und anschließend können Sie gerne ein heißen Bad in unseren weiträumigen Anlagen genießen. Diese stehen Ihnen jeder Zeit zur Verfügung. Ebenso wie die Küche, sprich das Personal und meine Wenigkeit.“ Er erklärte uns dies alles während er uns bedeutete ihm zu folgen und wir gingen ihm hinterher, während wir Siwon einfach für sich alleine ließen. Das leicht schlechte Gewissen das ich für den anderen Mann empfand, verschwand aufgrund der Nackenschmerzen die ich seit meines Nickerchen in der Kutsche hatte und die Aussicht ein ordentliches Bad zu nehmen.
 Vor einer Türe, die mit der Zahl 100 beschrieben war verabschiedete sich Kyunhyun von uns, überreichte uns jeweils einen Schlüssen mit dem die Türe sich aufschließen lies und versicherte unser Gepäck sei bereits im Inneren. Anschließend führte er Kwanghee fort und ich hoffte insbrüstig sein Zimmer möge weit, weit entfernt von dem unseren zu finden sein.

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