Erwartungsvoll sah ich zu ihm herauf, doch der Hellhaarige schüttelte nur langsam den Kopf.
„Ich glaube, es ist bereits dabei sich zu schließen...", murmelte er nachdenklich und zeigte in die Ferne in Richtung Himmel. „Man sieht's nur ganz langsam, aber der Lichtstrahl zieht sich bereits zurück."
Verwirrt folgte ich seinem Blick und entdeckte selbst, wie die leuchtende Säule, die gerade noch bis hoch durch die Wolken gewachsen war, nun wieder kleiner wurde. Was hatte das zu bedeuten? War das wirklich das Tor, dass sich gerade zu schließen begann?

„Aber wieso so plötzlich?", kam es mir verdutzt über die Lippen, als ich wieder zu Taehyung hoch in den Baum schaute.
„Vielleicht weil die Mondenergie wieder in ihrer richtigen Welt ist und die Sonnenenergie wieder hergestellt", verkündete er schulterzuckend und fing an, wieder ein Stück weiter runterzuklettern.
„Meinst du?", hakte ich skeptisch nach. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich das Tor tatsächlich von alleine schloss. Wir hatten doch auch bei der Sonnenenergie erst eine Art Mechanismus auslösen müssen, bevor die Decke der Höhle eingerissen ist.

Mit beiden Füßen landete der Hellhaarige neben mir wieder auf dem Boden und strich sich die Strähnen aus der Stirn, die beim Herunterklettern durcheinander gekommen waren.
„Wie ich bereits meinte", erklärte er leicht außer Atem, „die Natur ist schon selbst ziemlich gut darin, das Gleichgewicht in Stand zu halten und jetzt wo dieses zwischen den Welten wieder hergestellt ist, gibt es keinen Grund mehr, warum das Tor zu den verschiedenen Welten geöffnet sein sollte."

„Also glaubst du, dass sich das Tor damals auch von alleine geöffnet hat, weil der Taufgarten verschüttet und das Gleichgewicht damit gestört wurde?"
Überfordert zog er die Schultern hoch: „Genau wissen tue ich es nicht, aber der Verlust der Sonnenenergie muss damals einen ziemlichen Einbruch im Kreislauf der Natur bedeutet haben. Vielleicht sollte das Öffnen des Tores eine Art Lösung bringen."

„Die Prophezeiung...", kam es mir fast wie von alleine über die Lippen, als ich mich an die Zeilen an der Säule erinnerte.
„Doch erst wenn sie den Mond hoch über sich wissen und die Sonne tief in sich spüren, halten sie das flammende Herz in ihren Händen. Das Herz, welches alles miteinander verbindet und das Gleichgewicht aufrechterhält", sagte Tae die Zeilen auf und griff nach meiner Hand. „Jungkook, wir haben das Gleichgewicht wieder hergestellt. Es ging die ganze Zeit nur darum... von Anfang an! Nur so können die Sonnen- und die Mondwelt wieder unabhängig voneinander und doch miteinander verbunden existieren."

„Also haben wir es tatsächlich geschafft?", kam es mir ungläubig über die Lippen, während ich wieder hoch zu dem stetig kleiner werdenden Lichtstrahl schaute. „Das Tor schließt sich?"
„Ja haben wir!", rief Taehyung bestätigend und fing an ungeduldig an meiner Hand zu ziehen. „Aber wir müssen schnell zu diesem Tor, bevor es sich komplett schließt!"

Gemeinsam rannten wir los. Runter von dem Unternehmensgelände. Einige Angestellten von Energy-Lodge liefen verwirrt umher, doch durch den Trubel schienen sie uns gar nicht zu beobachten. Wie kleine Ratten, die ihr Führungstier verloren hatten, schienen sie komplett aufgewühlt und nicht zu wissen, was sie noch tun konnten. Als wenn sie jetzt, wo ihre Energiequelle verschwunden war, keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen konnten. Doch verblüfft hielt auch ich einen Moment inne, als ich feststellte wie still alles war. Die Panik, die die Menschen verspürten, war zwar nicht zu übersehen, doch all die Bewegung, all die Hektik schien mit einem Mal verstummt. Die Autos, die sonst über die Straßen Omelas rauschten, waren zum stehen gekommen, während die Fahrer sich verwirrt auf der Straße umblickten. Auch all die Lichter in den riesigen Fabriken und der Qualm, der für gewöhnlich aus ihren Schornsteinen in den Himmel empor stieg, schienen erloschen. Alles war stehengeblieben. Ganz Omelas stand auf Betriebspause und mit jeder Sekunde, in der dieser Zustand präsent war, stieg die Panik um uns herum. Das war es, wovon mein Vater gesprochen hatte... die Panik, die der Gesellschaft jede Menschlichkeit raubte.

Moonchild {VKOOK}Where stories live. Discover now