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Taehyung

Ich konnte es nicht fassen. Nein, das konnte einfach nicht wahr sein. Abgesehen davon, dass er ganz offensichtlich ein Mensch war und hier so überhaupt gar nichts zu suchen hatte, jetzt hatte ich auch noch einen Deal mit ihm. Wie war ich bitte auf diese wirklich dumme Idee gekommen, ihm anzubieten, ihn hier herumzuführen? Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, so überhaupt kein gutes. Aber irgendwas in meinem Inneren schien diese Idee dann doch ganz wunderbar zu finden und hatte mir den Schubs in die, meiner Meinung nach, ganz falsche Richtung gegeben.

Dennoch betrachtete ich den schwarzhaarigen Jungen vor mir nun etwas genauer, denn ein Zurück gab es jetzt wohl nicht mehr. Er stand dort immer noch auf dem schmalen Holzsteg, seine dunklen, aber interessiert funkelnden Augen musterten mich bedächtig und er lächelte glücklich. Er war so anders. Seine ganze Aura schrie gerade „Ich bin einer von den Bösen!". Aber dennoch sträubte sich da etwas in meinem Körper gegen diese Annahme, obwohl ich doch genau wusste, wo er herkam.

Doch Zeit weiter darüber nachzudenken und vielleicht doch einfach schnell zu verschwinden, blieb mir nicht, denn mit einem Mal trat er entschlossen vor und sprang mit einem großen Satz in mein Boot rein, welches dadurch gefährlich ins Schwanken geriet. Hastig umgriff ich die Reling und krallte mich daran fest, bevor ich ihm einen finsteren Blick zuwarf. „Was sollte das?", meckerte ich ihn wütend an, konnte jedoch nicht verleugnen, dass sein Sprung wirklich beeindruckend war. Allgemein konnte er wohl von sich behaupten, ausgesprochen gut gebaut zu sein. Seine Muskelpartien zeichneten sich deutlich unter seiner Kleidung ab, welche nebenbei eigentlich ganz bequem aussah. Anders, aber gemütlich. Doch dann trafen meine Augen wieder auf die seinen und ich konnte erkennen, wie er selbst etwas geschockt zu sein schien.

„Entschuldige", nuschelte er und zog den Kopf etwas ein, was so überhaupt nicht zu seiner sonst so forschen Art passte, „ich bin nur noch nie Boot gefahren." Bitte was? Erst die Glühwürmchen und dann das Bootfahren. In was für einer verrückten Welt musste er leben?
„Bleib einfach ruhig sitzen, verstanden?", richtete ich mich mit einer hochgezogenen Augenbraue und harten Stimme an ihn. „Hast du das verstanden?" Eilig nickte er.

Für einen kurzen Moment betrachtete ich diesen Jungkook noch, wie er vollkommen fasziniert von links nach rechts blickte, dann löste ich meine Hände wieder von dem Rand und griff nach dem Holzstab, rückte noch ein ganzes Stück von ihm weg und richtete mich dann auf, um das Boot voranzutreiben.

Doch gleich nachdem ich mich hingestellt hatte, breitete sich ein unwohles Gefühl in mir aus. Er war mir im Rücken. Das war nicht gut. Feinde sollte man nicht im Rücken haben. Man sollte sie stetig mit seinen Augen fixieren können und jede ihrer Bewegungen verfolgen. Aber wieso reagierte ich dann nicht sofort? Wieso fing mein Herz nicht panisch an zu klopfen? Schließlich könnte er mir jede Zeit einen Dolch in die Rippen stechen und dann wäre alles vorbei. Von jetzt auf gleich. Und das durfte ich nicht zulassen.

„Jungkook?", versuchte ich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken, meinen Blick aber immer noch auf den Flusslauf gerichtet. „Mh?", kam es ihm knapp über die Lippen und er schien darauf zu warten, dass ich weitersprach. Aber was sollte ich sagen? Ich wollte eigentlich nur wissen, ob er mir in irgendeiner Weise böse gesinnt war. Doch nach einigen Sekunden Stille, verwarf ich diesen Gedanken. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er mir etwas antun würde. Ich wusste ja selbst nicht warum, aber seitdem ich ihn gesehen hatte, war da so eine Art Grundvertrauen. Ich verstand es nicht, aber es war da. Ich hatte keine Ahnung, ob das gut war... vielleicht würde es mich auch in gewaltige Schwierigkeiten bringen. Höchstwahrscheinlich würde es das.

„Vergiss es", winkte ich aber nur ab und würdigte ihm weiterhin keines Blickes. Wir mussten ja nicht gleich Freunde werden, nur weil wir einen Deal hatten. Es ging hier einzig und allein um die Mission. Wenn alles glatt laufen würde und ich ihn damit zufriedenstellen könnte, dass ich ihn etwas rumführe, dann würde ich auf meinen Teil des Deals zugreifen können. Und das war mein Ziel. Es war also gar nicht so schlecht, dass er hier war. Zumindest für den Anfang.

Moonchild {VKOOK}Where stories live. Discover now