Prüfend ließ ich meinen Blick über Taehyungs Gesicht wandern. Ich wusste, dass es falsch war, andere zu berauben, um sich selbst zu retten und somit diejenigen in Gefahr zu bringen, aber ich konnte nunmal auch die Geschichte meiner Gesellschaft nicht vergessen...
„Ja, aber sie können doch nicht einfach die Welt eines anderen zerstören, nur weil sie ihre eigene zu Grunde gewirtschaftet haben!"
Seine Augen glitzerten, während Tränen der Trauer und Frustration in ihnen aufstiegen. Ich konnte ihn verstehen. Und umso mehr konnte ich verstehen, wieso er meine Welt als seinen Feind angesehen hatte, denn im Grunde war sie das auch und das wussten wir jetzt sicher.

„Jungkook?", flüsterte er und sah mich mit einem unsicheren Blick an. „Es muss schwierig sein, zwischen zwei Seiten hin- und hergerissen zu sein... aber ich erwarte nicht von dir, dass du deinem Volk den Rücken kehrst."
Überrascht sah ich ihn an. Ich hatte ihm nun einige Male gesagt, dass ich auf seiner Seite stand, doch ich spürte auch immer wieder diese Gegenstimme in mir, die mir klar machte, wie viel ich zu verlieren hatte und das schien Tae ebenfalls zu bemerken.
„Wir wissen nicht genau, was die Beweggründe von Energy-Lodge waren...", erklärte ich zögernd und atmete einmal tief durch, „aber dass sie euch eurer Lebenskraft berauben, ist falsch."

Ich wandte meinen Kopf zur Zimmerdecke und versuchte Ordnung in meine Gedanken zu bekommen. Dieser ganze Konflikt zwischen Sonnenkindern und Mondkindern fühlte sich so zwiegespalten an und dass ich das Alles durch zwei verschiedene Perspektiven sah, machte es nicht gerade einfacher für mich.

„Weißt du...", versuchte ich meine Gedanken schließlich in Worte zu fassen, „ich kann das Ganze nicht nur aus einer Sicht sehen. Ich bin ein Sonnenkind, das in Omelas aufgewachsen ist und gleichzeitig habe ich deine Welt und dein Leben kennenlernen dürfen... also werde ich mich immer auf die Seite stellen, die ich für Richtig halte und Energy-Lodge hat sich so oder so nicht richtig verhalten."
Ich drehte mein Gesicht wieder zu Taehyung, der mir verständnisvoll zunickte.

„Wir müssen irgendwie mehr herausfinden", seufzte er und zupfte mit seinen Fingern an dem Stoff meiner Bettdecke. Ein zustimmendes Murmeln kam mir über die Lippen, während ich nachdachte und mir schließlich eine Idee kam.
„Wir könnten morgen mal versuchen, etwas an dem Computer meines Vaters herauszufinden", schlug ich vor. „Er besetzt immerhin eine ziemlich hohe Position im Unternehmen und es würde mich nicht wundern, wenn wir dort einiges herausfinden würden."
Ein unsicherer Ausdruck wanderte auf Taehyungs Gesicht.
„Aber was ist, wenn er uns erwischt?"

Beruhigend legte ich meine Hand auf seine, die augenblicklich aufhörte, an dem Stoff meiner Decke zu ziehen.
„Mein Vater wird den ganzen Tag arbeiten, du brauchst dir also keine Sorgen machen. Und unsere Haushälterin Mrs. Jung ist die meiste Zeit ohnehin einkaufen. "

Ein wenig später hatten wir uns beide etwas anderes angezogen und waren unter meine warme Bettdecke gekrochen. Taehyung hatte direkt die Augen geschlossen, während seine Atmung einen ruhigen Rhythmus annahm. Er musste wohl wirklich erschöpft gewesen sein, doch ich lag wach. Als hätten wir zur Zeit nicht genug Sorgen, die mich belasteten, kam mir jetzt auch noch der Kuss von vor ein paar Stunden zurück ins Gedächtnis. Bei dem Gedanken daran, schlug mein Herz zwar schneller, aber gleichzeitig machte sich auch ein Gefühl von Unbehagen bemerkbar. Dass wir uns geküsst hatten, war eigentlich nicht geplant gewesen und machte das zwischen uns nur noch schwerer.

Ich wusste nicht, was Tae über das Ganze dachte, aber je länger ich über all das nachdachte, desto mehr wurde mir klar, dass so etwas nicht nochmal passieren durfte. Taehyung und ich mussten seine Welt retten und irgendwie eine Lösung für diesen ganzen Konflikt finden. Es ging um Leben und Tod und Tae musste all das unglaublich belasten. Die Tatsache, dass ich hier lag und über unseren Kuss nachdachte, machte mich irgendwie zu einem selbstsüchtigen Idioten und das wollte ich nicht sein.

Moonchild {VKOOK}Where stories live. Discover now