„Also", fing er an, nachdem wir schweigend ein Stücken gegangen waren, „so viel weiß ich auch nicht darüber... nur das, was unsere Legenden besagen."
„Eure Legenden?", wiederholte ich verwirrt und krauste die Stirn. So etwas wie Legenden gab es doch nur in Fantasy-Geschichten.
„Ja, die Legenden der Mondwelt. Alte Schriftrollen... über Generationen weitergegeben. In Ihnen steht, dass es viele Parallelwelten gibt, die einfach aneinander vorbei existieren, ohne dass sie die Existenz einer anderen Welt bemerken. Wie viele es gibt, weiß ich nicht und was sie ausmacht, weiß ich ebenfalls nicht. Aber ich weiß, dass einige von ihnen in einem engeren Zusammenhang miteinander existieren. So wie die Sonnen- und Mondwelt, die sich den Aufgang und den Untergang dieser beiden Planeten teilen."

Nachdenklich sah ich zu ihm herüber, während ich all diese Informationen auf mich wirken ließ. Auch wenn es sich absolut absurd anhörte, sagte mir irgendetwas tief in mir drinnen, dass er Recht hatte. War es wieder diese Stimme, die seit ich klein war zu mir sprach?

„Aber wenn diese Welten eigentlich aneinander vorbei existieren", grübelte ich laut und versuchte all das zu begreifen, „wie kann es dann sein, dass ich nun hier bin... hier in einer anderen Welt? Sicher, dass wir nicht doch in derselben Welt leben?"
Ein amüsiertes Schnauben erklang von der Seite und kurz darauf die belustigte, fast ungläubige Stimme Taehyungs.
„Also Jungkook, wenn ich eines weiß, dann dass du kein Mondkind bist."

Nachdenklich sah ich zu Boden. Wahrscheinlich hatte er Recht. Er und ich waren so verschieden und außerdem stand Omelas mit der Sonne auf. Warum sollten wir das tun, wenn wir in der Mondwelt lebten? Realisierend blickte ich auf meinen Unterarm, wo man nichts als gebräunte Haut erkennen konnte. Hatte sich deswegen auch mein Smartskin verabschiedet? Weil ich mich gar nicht mehr in meiner Welt befand?
„Aber wenn wir tatsächlich die Sonnenkinder sind... wenn ich in der Sonnenwelt lebe... wieso weiß dann niemand in meiner Stadt davon?"

„Vielleicht habt ihr es einfach vergessen oder vielleicht weiß nur deine Stadt nichts davon und alle anderen in der Sonnenwelt wissen es", ahnungslos zuckte er mit den Schultern und man konnte ihm ansehen, dass er auch nur reine Spekulationen von sich gab.
„Aber außer in Omelas leben in unserer Welt gar keine Menschen mehr... nicht seit der schwarzen Schwäne", murmelte ich nachdenklich und sah Tae misstrauisch an.
„Schwarze Schwäne?", hakte er verwirrt nach. Wie konnte es nur sein, dass wir tatsächlich in verschiedenen Welten lebten und wirklich so gar nichts über die Heimat des anderen wussten?

„Die schwarzen Schwäne... so nennen wir all die schlimmen Katastrophen, die in den letzten Jahrhunderten unsere Erde heimgesucht haben und Milliarden Menschen das Leben gekostet haben."
Wie angewurzelt blieb Taehyung stehen und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
„Aber wie konnte es denn soweit kommen?", hauchte er fast lautlos, während seine Augen glasig wurden. Es war beinahe faszinierend wie emphatisch dieser Kerl war. Ich war zuvor niemandem begegnet, der so viel Mitgefühl für seine Umgebung und dem kleinsten Lebewesen mitbrachte. Mitgefühl - sowas gab es in Omelas nicht und das war es wohl auch, worin sich unsere Welten voneinander unterschieden.

„Die Menschen haben die Erde komplett ausgebeutet, um den meisten Fortschritt aus ihr herauszuholen und irgendwann hat sie sich nunmal gerächt", versuchte ich ihm die traurige Wahrheit näher zu bringen.
„Und wie überlebt ihr in Omelas?", fragte er leise und schloss mit einem leidenden Gesichtsausdruck zu mir auf.
„Acritudo", murmelte ich beiläufig. „Das ist die Energie, die ein Unternehmen bei uns herstellt und so alle versorgt."

Prüfend sah Taehyung mich an. Irgendetwas an meinen Worten hatte ihn zum Nachdenken gebracht, doch er hielt sich im Schweigen. Ich wollte gerade fragen, worüber er nachdachte, als ich plötzlich Stimmen hören konnte. Sie waren entfernt, doch man konnte klar erkennen, dass sich mehrere miteinander unterhielten. Taehyung hatte es ebenfalls gehört, denn auch er war stehen geblieben und schaute sich suchend nach der Richtung um, aus der die Laute kamen.
„Wer ist das?", flüsterte ich leise, nachdem mir Tae mit einer Handbewegung zu verstehen gegeben hatte, dass ich mich ruhig verhalten sollte.

Moonchild {VKOOK}Donde viven las historias. Descúbrelo ahora