Mit einem Ruck löste ich mich von der Berührung des Dunkelhaarigen, schloss meine Hand eisern zu einer Faust und trat einen Schritt zurück.
„Du brauchst keine Angst haben", gab ich mit fester Stimme von mir, was mich einiges an Überwindung kostete, „nicht um mich."
Aus großen Augen sah mich Jungkook ziemlich ungläubig an und im ersten Moment dachte ich schon, er würde mir erneut widersprechen. Doch schließlich zog er einmal scharf die Luft ein und nickte mir stumm zu. Dennoch blieb mir das entschlossene Funkeln in seinen Augen nicht verborgen. Er meinte es nicht so. Es war schon zu spät.

„Mir geht es gut", ich wusste selbst nicht so wirklich, warum ich dem Jungen nochmals versichern wollte, dass wirklich alles okay war, aber es kam mir einfach so über meine Lippen. Ich hatte nicht lange darüber nachgedacht. Es war mehr ein Reflex. Für einen flüchtigen Moment ließ Jungkook seinen besorgten Blick noch auf mir ruhen, doch dann nickte er ein zweites Mal knapp und ein sanftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
„Komm", mit meinem Kopf deutete ich über meine Schulter hinweg Richtung Norden und drehte mich zum Gehen um. Ich sollte einfach versuchen, ihn auf Abstand zu halten und schnell wieder von hier wegzubekommen. Hatte er denn etwa nicht aus dem Schicksal des Schmetterlings gelernt? War er wirklich so unwissend wie er sich gab? Oder steckte mehr dahinter?

Aber egal wie viele solcher Fragen auch durch meinen Kopf schwirrten, tief in mir drinnen brannte eine kleine Flamme, fast als hätte jemand ein Streichholz entzündet und gab mir Hoffnung. Dieses Gefühl, was der Junge in mir ausgelöst hatte, wollte nicht mehr verschwinden und langsam, ganz zögerlich gesellte sich noch ein weiteres Gefühl hinzu. So sehr ich auch versuchte es zu unterdrücken und von mir wegzuschieben. Aber ich spürte immer mehr, wie ich diesem wirklich merkwürdigen Jungen anfing zu vertrauen. Auch, wenn ich ihn mit meinem Sein in den Wahnsinn treiben würde, wenn wir so eine Art Freundschaft aufbauen würden.

Die eiligen Schritte Jungkooks drangen an mein Ohr und ich lief zielstrebig auf eine Lichtung zwischen all den Bäumen zu. Aus irgendeinem Grund viel sogar mir auf, dass der Mond heute sehr stark leuchtete und den sonst so dunklen Wald erhellte. Das gleißende Licht bahnte sich seinen Weg durch die fahl funkelnden Baumkronen und warf tänzelnde Schatten auf den mit trockenem Moos bewachsenen Boden. Nur noch ein paar Meter und wir würden aus dem grauen Wald ausbrechen und zu dem Ort gelangen, welchen ich Jungkook gerne zeigen wollte.

Entschlossen trat ich einen weiteren Schritt vor, setzte meinen Fuß in das etwas höhere, weiche Gras und wurde augenblicklich von dutzenden schwarzen Knopfaugen gemustert.
„Ich hoffe, du hast wenigstens schon mal Kaninchen gesehen", sagte ich und konnte mir ein erheitertes Kichern nicht verkneifen, denn aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie Jungkook ein weiteres Mal völlig fasziniert, als wäre das alles ein Traum, auf die Lichtung vor uns starrte.

„Du hast wirklich noch keine Kaninchen gesehen?", hakte ich nach einigen Sekunden Stille nach und ließ meinen Kopf zu meinem Nebenmann herumwandern.
„Nein- ich meine... ja...also", stotterte er und sein Mund klappte mehrmals auf und zu, als die kleinen Häschen zutraulich zu mir herüber hoppelten, „ich habe sie noch nie frei gesehen", beendete er seinen Satz. Wie er hatte sie noch nie frei gesehen? Wie meinte er das?

„Noch nie frei?", wiederholte ich seine Worte fragend, während ich mich langsam herabhockte und meine Hand zu einem der possierlichen Tierchen austreckte, wodurch dieses sein Köpfchen sofort zu meinen Fingern vorschob. Augenblicklich konnte ich ein leichtes Stechen in meiner Brust verspüren, aber ich wollte nicht schon wieder schwächeln, nicht vor den wachsamen Augen Jungkooks.

Doch er schien trotz seiner Faszination für die kleinen Klopfer sofort mitzubekommen, dass es mir nicht sonderlich gut ging. Wie machte er das nur?
„Bei uns gibt es nur Zuchtkaninchen", sprach er jedoch und beobachtete mich aus besorgten Augen. „Sie werden von vielen Bewohnern in Omelas gegessen."
„Bitte was?", sofort zog ich meine Hand von dem Kaninchen zurück und riss meinen Kopf zu Jungkook herum. „Ist das ein schlechter Scherz?"

Moonchild {VKOOK}Where stories live. Discover now