Aber zu meiner Erleichterung konnte ich ein ganzes Stück hinter mir, die beiden so markanten Bäume erkennen, sodass mir ein unbeschwertes Seufzen über die Lippen kam. Dennoch hatte das alles hier so keinen Sinn, sodass ich mich langsam zu einem knorrigen Baum herüber begab und kurz vor ihm stehen blieb. Fasziniert hob ich meine Augen und ließ sie von der prachtvollen Krone, über den dicken Stamm zu dem kräftigen Wurzelwerk wandern. „Das ist unglaublich", staunte ich, bevor ich meine flache Hand zitternd zu dem Stamm herüberwandern ließ.

Ich hielt in meiner Bewegung inne, als meine Fingerspitzen kurz davor waren, die Rinde zu berühren, denn da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Sofort ließ ich meine Hand wieder sinken und hockte mich zum Boden herunter. Zögernd wanderte ich mit meiner Hand, mit der ich zuvor noch den Baum berühren wollte, auf das feuchte Moos.

Augenblicklich durchzog es mich wie ein Blitz. Meine Finger fingen stark an zu Kribbeln, eine Wärmewelle wanderte durch meinen ausgezehrten Körper und erneut konnte ich meine Tränen der Überwältigung nicht zurückhalten. Eine nach der anderen kullerte mir über die Wange, während ich dieses berauschende Gefühl in mir aufsog.

Doch dann kniff ich meine Augen fest zusammen und biss mir stark auf die Unterlippe. Ich musste mich konzentrieren. Mühsam versuchte ich meine flache Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen und mich nicht von meinen Emotionen ablenken zu lassen. Meine Hand lag weiterhin flach auf dem Waldboden. Irgendwo musste sie doch herkommen. Irgendwo musste doch ihr Ursprung sein. Ich bewegte die Hand etwas umher, legte sie auf eine andere Stelle, atmete wieder tief ein und gab mir alle Mühe, einen Hinweis zu finden.

Aber es gelang mir einfach nicht.

Nach ein paar Minuten, in denen ich in dem inzwischen stockdunklen Wald gesessen hatte und die Kälte sich langsam durch meine Kleider bis auf meine Haut vorschob, hatte ich die Hoffnung auf Erfolg bereits aufgegeben.

Doch plötzlich spürte ich es.

Dort zog sich etwas durch den Boden. Es zuckte in meinen Fingern.

Sofort wanderte ein triumphierendes Lächeln auf meine Lippen und ich versuchte meinen Geist noch etwas mehr zu öffnen. Gerade konnte ich bemerken, wie es sich als eine Art Faden durch den Boden schlängelte, sodass ich die Verfolgung aufnehmen konnte.

Allerdings nahm ich genau im selben Moment auch eine andere Präsenz wahr, die sich verdächtig nach einer Person anfühlte. Ich erschrak gewaltig, bei der Geschwindigkeit, mit der sie sich durch den Wald in meine Richtung vorschob.

„Gar nicht gut, Taehyung. Gar nicht gut", redete ich auf mich ein und hätte mir am liebsten selbst in den Allerwertesten getreten, denn so hatte ich das überhaupt nicht geplant. Ich wollte doch wachsam sein! Das konnte ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Nicht jetzt, wenn ich doch gerade so weit gekommen war. Wütend presste ich meine Kiefer aufeinander, als ich bemerkte, dass die Person mir immer näherkam.

„Mist!", schnaubte ich zornig auf, bevor ich meine Hand schnell vom Boden nahm und mich hektisch aufrichtete. Sofort fühlte sich mein Körper unter dem Verlust des kribbelnden Gefühls ganz leer an, sodass ich etwas unbeholfen nach vorne stolperte und dabei dummerweise auf einen Ast trat. Ein lautes Knacken schnitt durch die Luft und ich zuckte merklich darunter zusammen.

Warum war ich auch nur so tollpatschig? Und wieso war ich überhaupt wieder so unvorsichtig? Warum gab es hier in diesem Wald überhaupt so viel Leben?

Doch mir blieb keine Zeit mehr nachzudenken, denn ich spürte, wie die Person kurz stehen blieb, nur um ihren Weg dann genau in meine Richtung fortzusetzen. Ich musste verschwinden! Ich musste hier weg und zwar auf der Stelle!

Noch nie in meinem Leben hatte ich meine Beine so schnell unter meine Arme geklemmt. Ich rannte los, zwischen all den Bäumen hindurch, auf die beiden Eichen zu, die in einiger Entfernung aus dem Boden in den Nachthimmel ragten. Ich dachte nicht mehr daran, meine Spuren noch irgendwie zu verwischen, denn dafür war ich viel zu panisch. Mein Herz hämmerte unaufhörlich gegen meine Brust und meine Lungen rasselten bereits. Doch ich durfte nicht stehen bleiben. Nicht jetzt.

Nur noch wenige Meter und ich hätte es geschafft.

In einem rasenden Tempo hechtete ich auf den funkelnden Lichtschein zu, setzte zu einem Sprung an und warf mich einfach hinein.

Keine Sekunde später kam ich unsanft auf dem harten Boden auf, blieb mit dem Fuß an einer Wurzel hängen und schaffte es nicht mehr, mich noch in irgendeiner Weise abzurollen. Augenblicklich zog ich scharf die Luft ein und unterdrückte einen schmerzvollen Schrei. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Ich musste verschwinden, auch wenn ich in diesem Moment keinen Hinweis mehr, auf die Präsenz der anderen Person spüren konnte.

Trotzdem rappelte ich mich mühselig auf und klopfte mir den Dreck von der weißen Kleidung. Ein stechender Schmerz zog durch mein Fußgelenk, als ich mein Gewicht darauf verlagerte, aber ich biss die Zähne zusammen, schluckte den Schmerz tapfer herunter und setzte meinen Weg humpelnd aus dem Wald heraus fort. Ich stolperte keuchend über die Wiese, in Richtung des Stegs.

Gerade wollte ich mein Tempo etwas verlangsamen, um ein wenig Luft zu holen, als ich mit einem Mal meine Augen entsetzt aufriss und mich zurück zu dem Waldstück umdrehte. Nicht nur, dass ich es jetzt ganz deutlich spürte, nein, ich konnte ihn auch sehen. Ich konnte genau sehen, wie ein Mensch auf mich zu gerannt kam. Und plötzlich war mein Hirn wie leergefegt. Egal, wie sehr meine Beine sich auch von der Stelle bewegen wollten, mein Verstand glich einem endlosen schwarzen Nichts und ich konnte nicht mehr tun, als zu beobachten, wie besagter Mensch sich seinen Weg immer weiter zu mir herüber bahnte.

Moonchild {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt