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Als sie das Zoogeschäft verließen, blickten sie der Sonne entgegen. Etwa fünf Sekunden danach schüttete es wie aus Kübeln. In wenigen Augenblicken waren sie total durchnässt. Denver wischte sich seine Haare aus den Augen, die nass wie ein Vorhang vor seinem Gesicht baumelten.
"Gott sei Dank hab ich wasserfeste Boxershorts angezogen."
Audrey nickte zustimmend. "Ja, ich hatte heute auch das Gefühl, ich würde sie brauchen."
Noel, der langsam spürte, wie die Nässe seine Unterwäsche erreichte, sagte nichts. 
"Okay", begann Noel. "Gibts hier einen Bus? Ich will gerade echt nicht laufen."
Denver hob die Augenbrauen. "Was ist? Hast du keine wasserfeste Unterwäsche an?" Mörderblick.
Audrey blickte die Straße hinunter. "Was ist ein Bus?"
"Sammelleitung zur Datenübertragung zwischen mehreren Funktionseinheiten eines Computers", antwortete Denver, als hätte er in seinem Leben noch nie etwas anderes getan.
Audrey runzelte die Stirn. "Wofür brauchst du jetzt einen Bus, Noel?"
"Ist egal", sagte Noel. "Lasst uns ein Auto anhalten."
"Oh ja, ich liebe per Anhalter fahren", erwiderte Audrey.
"Machst du das oft?"
"Ja, immer. Warum denkst du hab ich einen Baseballschläger?"
"Damit du deine Feinde besser triffst?"
"Ganz genau. Und die Grenze zwischen einem Feind und einem Autofahrer ist seeeehr schmal. Ganz besonders wenn du ein Mädchen bist."
Denver zog die Hände aus den Taschen seines durchnässten Hoodies und hob den Daumen in Richtung Straße. Noel und Audrey folgten seinem Bespiel.
Die ersten 69 Autos fuhren vorbei. Nummer 70 war ein Mann Mitte vierzig mit Dreitagebart in einem verbeulten BMW. "Kann ich euch helfen?"
Audrey nickte. "Wir wollen zum Tenniscamp. Können Sie uns mitnehmen?"
Der Mann wirkte einem Moment verwirrt, dann nickte er. "Da wollte ich zufällig auch gerade hin. Springt rein."
Die drei quetschten sich auf die Rückbank, Noel bekam die goldene Mitte in Form eines Sitzes mit herausstehenden Federn.
Der Mann startete den Wagen und der Motor gab ein kostenintensives Geräusch von sich, der aber von Ludwig Beethovens Egmont übertönt wurde, das aus dem Radio drang.
"Ich liebe diesen Song", sagte Audrey.
Denver runzelte die Stirn, was die anderen nicht sehen konnte, weil seine Haare diese verdeckten. "Das, Audrey, ist keine Musik."
"Musik, die. Substantiv, feminin. Kunst, Töne in bestimmter (geschichtlich bedingter) Gesetzmäßigkeit hinsichtlich Rhythmus, Melodie, Harmonie zu einer Gruppe von Klängen und zu einer stilistisch eigenständigen Komposition zu ordnen; Tonkunst", klärte Audrey ihn auf.
Die Diskussion schickte sich an, tiefer zu werden, doch der Fahrer des Wagens unterbrach sie. "Wart ihr schon mal im Tenniscamp?"
Denver nickte mit trauriger Miene. "Ja, wir sind da seit fast zwei Wochen."
Der Mann nickte anerkennend. "Respekt. Das ist nicht leicht."
"Ja, es ist mittlerweile schon ziemlich anstrengend."
Audrey mischte sich ein. "Doch nicht für dich, Denver. Du sitzt doch noch nur im Zimmer im Bett und machst gar nichts."
"Ja, so kann man es auch handhaben", sagte der Mann.
"Noel und ich strengen uns im Gegenzug echt an", plapperte Audrey weiter, aber der Fahrer unterbrach sie sofort. "Entschuldigen Sie die Frage, aber sind Sie lesbisch?"
Audrey blickte so dramatisch aus dem Fenster, das Noel beinahe die Moll-Akkorde hören konnte. "Ich bin, wie das fliegende Spaghettimonster mich geschaffen hat."
"Aye", sagte Noel.
Der Mann klopfte aufs Lenkrad. "Nicht, das es mich stören würde."
"Wieso fahren Sie ins Tenniscamp?" wollte Audrey wissen.
Der Fahrer öffnete ohne ersichtlichen Grund die Sonnenblende, nahm ein Bild von einer Frau und zwei Kindern und steckte es verkehrt herum wieder hinein.
"Um zu spielen", sagte er in einem Tonfall, den Noel nicht wirklich identifizieren konnte.
"Sind Sie da öfter?"
"Gelegentlich." 
In diesem Moment änderte sich Beethoven in französischen Rap.
"Ich liebe diesen Song", sagte Audrey.
Denver runzelte die Stirn, was die anderen nicht sehen konnte, weil seine Haare diese verdeckten. "Das, Audrey, ist keine Musik."
"Musik, die. Substantiv, feminin. Kunst, Töne in bestimmter (geschichtlich bedingter) Gesetzmäßigkeit hinsichtlich Rhythmus, Melodie, Harmonie zu einer Gruppe von Klängen und zu einer stilistisch eigenständigen Komposition zu ordnen; Tonkunst", klärte Audrey ihn auf.
Denver schloss einen Moment die Augen. "Audrey, wenn du das nochmal machst, dann werfe ich dich aus dem Fenster."
"Gerne."
Der Fahrer sah mittlerweile ein bisschen so aus, als hätte er Magenprobleme. 
"Ach" sagte Denver. "Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Frank sich nach vorne sitzt? Ihm wird auf der Rückfahrerbank übel."
Der Mann nickte. "Klar, aber ich dachte, sein Name sei Noel?"
Noel sah ins Leere, mit dem Blick eines Mannes, der sich ständig mit so etwas herumschlagen musste. "Es geht nicht um mich."
Der Fahrer drehte sich geschockt um und blickte Audrey an. "Oh. Tut mir leid. Ich dachte..."
Audrey stemmte die Hände in die Hüften und rammte dabei Noel den Ellbogen in die Rippen. "Wie konnten sie das nur annehmen? Also wirklich, jetzt haben Sie mich beleidigt!"
"Und mich auch", schaltete Denver sich ein. "Ich bin viel zu jung, um ihr Vater zu sein. Und Noel ist auch viel zu jung, um so eine alte Tochter zu haben."
Der Fahrer sah aus, als würde er jeden Moment hyperventilieren.
"Und wer ist Frank?", brachte er noch hervor.
"Unser Sohn", sagte Denver fröhlich.
"Ich dachte, ihr seid zu jung für Kinder?"
"Ach, er ist erst zwei Tage alt. Er wurde im Tenniscamp geboren."
"Das hab ich gar nicht mitbekommen", sagte der Mann mit erstickter Stimme. "Wer ist denn seine Mutter?"
 "Noel!" antwortete Denver.
 "Ja", sagte Noel. "Ich war am Anfang auch nicht begeistert."
Der Fahrer bremste den Wagen, was klang wie eine gefolterte Bergziege, und fuhr auf einen Parkplatz.
"Wir sind da", sagte er. "Steigt aus. Bitte. BITTE!" ok. 
Sie verließen den Wagen und weniger als eine Sekunde, nachdem die letzte Tür zugeschlagen hatte, hörte man die Verriegelfunktion. So schnell es mit seinem Wagen möglich war, fuhr der Mann vom Parkplatz und man konnte noch laut Stayin Alive von den Bee Gees hören.
"Ich liebe diesen Song", sagte Audrey. 

NoelWhere stories live. Discover now