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"Hey, Denver, ich schau zum Supermarkt ein paar Straßen weiter, um mir Snacks zu besorgen. Willst du mit?"
Dass er eigentlich dorthin wollte, weil er dank Elliott schon wieder kein Abendessen bekommen hatte, verschwieg Noel.
"Nein, eigentlich nicht", brummte Denver von seinem Bett aus.
"Komm schon. Ich kauf dir auch ein Seil."
Denver horchte auf. "Wirklich?"
Er war schneller aus seinem Bett und in seinen Schuhen, als Noel es für möglich gehalten hatte. Nachdem Denver sich mit sechs Päckchen Zigaretten Reiseproviant eingedeckt hatte, marschierten sie los.
"Wir gehen nicht mal zwanzig Minuten. Brauchst du echt so viele?"
"Ja. Es könnte sein, dass wir uns verlaufen."
"Wirst du jetzt schon zu Audrey?", fragte Noel.
"Vielleicht verlaufen uns ja wirklich und landen in einer dunklen Gasse, wo wir ermordet werden", sagte Denver mit einem hoffnungsvollen Grinsen.
"Aber dann brauchst du die Kippen auch nicht."
"Wer weiß, wie lange der Mörder braucht."
Damit war das Gespräch beendet. 

Als sie den Supermarkt erreichten, war es schon etwas dunkel.
Denver kniff die Augen zusammen und wich dem Licht der Straßenlaterne aus.
"Stirbst du, wenn du ins Licht trittst?", scherzte Noel.
"Wäre ich dann ausgewichen?"
Darauf wusste er auch keine Antwort.
Sie betraten den Laden. An der Kasse stand als einziger Kunde P.A. und wartete darauf, dass die Verkäuferin seine 37 Energy Drinks scannte.
Als er Noel erblickte, rannte er auf ihn zu und schlug ihm ins Gesicht.
Noel wurde in die Drehtür geschleudert, die pflichtbewusst begann sich zu drehen und Noel eine Runde mitschleifte.
Als die Öffnung wieder bei Denver ankam, trat der ein und ging eine Runde mit.
Währenddessen fragte er: "Und, überlebst du's?"
Noel hielt sich den schmerzenden Kopf. "Denke schon."
"Oh. Tut mir leid für dich, Kumpel."
Denver verschwand kurz aus Noels Sichtfeld. Nach drei Umdrehungen kam er wieder, mit mehreren Packungen Pflastern und befreite Noel aus seinem Gefängnis.
Gerade noch rechtzeitig, so dass er nicht eine Runde mit P.A. drehen musste.
"Hast du die auch bezahlt?"
"Wir müssen sowieso noch was kaufen, und du hast eh Geld dabei."
Noel humpelte hinter Denver her, der geschickt den Lichtstrahlen der Kühlregale auswich und auf die Gartenabteilung zu hielt.
Währenddessen sammelte Noel alle möglichen haltbaren Lebensmittel ein, die man ungekocht essen konnte.
Denver hatte bereits sich bereits zwei Seile ausgesucht, konnte sich jedoch nicht entscheiden, welches er nehmen sollte.
"Was meinst du, Kumpel? Das hier trägt bestimmt mein Gewicht besser, aber das hier ist schwarz!"
"Ich dachte, du bist nicht fett?", antwortete Noel.
Denvers Gesicht leuchtete auf. "Du hast recht! Danke!"
Mit dem schwarzen Seil über der Schultern lief er wieder los. Noel kam kaum hinterher.
Als das Kosmetikregal passierten, blieb Denver wie angewurzelt stehen.
"Was hast du mit Make-Up zu schaffen?"
"Schon mal in mein Gesicht geschaut? Denkst du, ich mache den Eyeliner mit Wasserfarben?"
"Guter Punkt."
Er ergriff einen Kajalstift und hielt ihn Noel vors Gesicht.
"Kannst du mir den auch kaufen?"
"Hältst du mich für Bill Gates? Seil oder Eyeliner. Mehr kann ich mir nicht leisten."
"Aber kaltes Gulasch in der Dose."
Noel blickte auf sein Gulasch in der Dose und fragte sich, ob es wirklich eine gute Entscheidung gewesen war. Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück.
"Okay... Ich bring das Seil kurz zurück. Warte hier auf mich."
Schweren Herzens trennte sich Denver von seinem kostbaren Seil, verstaute den Eyeliner sicher in seiner Tasche und folgte Noel zur Kasse.
Aber als Noel diese schon fast erreicht hatte, hörte er Denver seinen Namen rufen.
"Noel! Noel! Komm sofort her, das hier ist wichtig!"
Noel seufzte und folgte Denvers Ruf. Der hielt zwei Gänge weiter eine Fünfzigerpackung Rasierklingen in der Hand.
"Kannst du mir die kaufen?"
"Wenn du den Eyeliner zurückstellst." Denver sah den Eyeliner, dann die Rasierklingen, dann wieder den Eyeliner an.
"Bitte!"
"Nein!"
"Aber die sind total billig!"
"Nein!"
"Wenn wir eine zweite Packung kaufen, bekommen wir die dritte sogar gratis!"
"Nein! Wir brauchen gar nicht so viele Rasierklingen!"
Denver schnalzte enttäuscht mit der Zunge und legte die Rasierklingen zurück auf ihren Platz.
Jetzt endlich schafften sie es bis kurz vor die Kasse. Doch das Süßigkeitenregal schien der letzte Gegner zu sein.
Denn Denver entdeckte die Oreos.
"Schau mal! Diese Kekse sind schwarz!"
"Noch nie Oreos gesehen?"
"Wann sollte ich sie gesehen haben? Ich sitze immer auf meinem Zimmer!"
Er warf Noel einen flehentlichen Blick zu.
"Bitte!"
"Nur wenn du mit mir teilst", gab Noel nach.
"In Ordnung!" Denver überwand sich, griff ins Licht und holte die Oreos aus dem Regal.
Das Zahlen und der Heimweg verliefen erstaunlicherweise ohne weitere Zwischenfälle.     

NoelWhere stories live. Discover now