Teil 23- Ranunkel

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Wie ein Blitzschlag trafen meine Lippen auf ihre, ohne jede Vorwarnung, gegen jegliche Vernunft küsste ich sie. Es war wie eine Droge, der erste Schuss nach Jahren, so unbeschreiblich befriedigend. Jede Zelle in meinem Körper wurde von ihr ausgefüllt, von ihrem Duft, ihren Berührungen, ihren Geschmack nach Wein und Zigarette. Ich ignorierte ihre Faust auf meinem Brustkorb, wie im Rausch presste ich ihr meine Lippen immer weiter auf. Eloise wehrte sich nicht mehr, ganz ruhig blieb sie stehen, erweiterte meinen Kuss nicht. Erst als sich etwas Salziges in die Küsse mischte, sie gequält aufstöhnte, öffnete ich meine Augen. Sofort ließ ich von ihr ab, was hatte ich getan? Mit weit aufgerissenen Augen starte sie mich an, Tränen liefen ihr unaufhörlich die Wangen runter, ihr Körper war wie versteinert. Stolpernd lief ich rückwärts von ihr weg. „Ich ... Ich. I... es tut mir leid." zwängte ich hervor und konnte meinen Blick nicht von ihr anwenden. Es war meine Schuld, ich hatte das getan, ein Monster mehr war ich nicht. Taumelnd erreichte ich die Tür und lief hinaus. Meine Beine trugen mich wie in Trance, ohne zu wissen, wo mein Ziel lag.

Immer hatte ich behauptet, dass ich ein Mensch war, obwohl ich schon lange keiner mehr war. Dennoch war ich der Meinung, dass ich mir meine Menschlichkeit bewahrt hatte, doch das hatte ich nicht. Ich war ein Monster, das schlimmste seiner Art. Als Kind wurde ich in dem Glauben erzogen, dass ich Sterbliche zum Leben brauchte, sie jedoch nicht meine Freunde waren, es niemals sein könnten. Mein Vater hatte uns früh vermittelt, niemanden zu erzählen was wir waren, denn dann würde man uns jagen uns versuchen zu töten. Sie würden nicht verstehen was wir sind, könnten nicht damit umgehen, dass die Götter uns geschaffen hatten. Aus Eifersucht würden sie handeln, uns den Tod wünschen, da wir ausgewählte waren. Nie hatte ich das verstanden, mich nie anders gefühlt, überlegen oder besonders. Vor allem weil mein Vater ein Sterblicher war. Lange hatte ich es nicht verstanden, warum er uns das erzählte, den er hasste uns nicht. Erst jetzt wurde mir bewusst warum er es getan hatte, er hatte Angst vor uns, vor unserer Kraft, unserer unkontrollierbaren Impulse, den wir waren keine Menschen. Wie waren Monster die von den Göttern geschaffen wurden, um über die Menschen zu richten, wir waren verdammt zu einem Leben in Einsamkeit und Sehnsucht. Wesen die aus ihren Trieben herraus handelten und nichts,a ber auch rein gar nicht sterbliches mehr an sich hatten. Und heute hatte ich genau das bewiesen. Ich hatte mich ihr aufgedrängt, sie verletzt, meine Wut an ihr ausgelassen. Sie wollte mich nicht mehr, wie könnte sie auch? Wer will schon jemanden wie mich? Eloise hatte mir mein Herz gebrochen, doch ich hatte etwas viel Schlimmeres gemacht, ich hatte sie Belästigt, sie mir zu eigen gemacht. Wie weit wäre ich noch gegangen?

Erst als ich vor meiner Haustür ankam, merkte ich wo ich war. Ich musste hier weg, weg aus Paris, weg aus Frankreich und Europa, so weit weg wie es nur ging. Niemals dürfte so etwas noch einmal passieren, niemals würde ich Eloise wieder anfassen. Ohne darüber nachzudenken, begann ich damit Sachen in meinen Seesack zu stopfe. Es war nicht viel was ich brauchte, doch ich war langsam. Meine Wut auf mich selbst wurde immer größer, braute sich in meinen Inneren zusammen und entlud sich an der Wand im Schlafzimmer. Meine Faust traf auf die harten Ziegel und ließ ein Loch zum Wohnzimmer zurück. „Fuck." Leise rieselte der Schutt zu Boden und hinterließ eine rote Staubschicht auf allem, was in der Nähe stand. Der Stein hatte mein Handgelenk aufgeschnitten, Blut floss langsam meinen Unterarm hinab und bildete eine kleine Pfütze auf dem Parkettboden. Es tat weh, der Schnitt war tief und entblößte schon den Knochen. „Fuck." Es würde mehrere Stunden dauern, bis die Verletzung verheilt war, Zeit, die ich nicht hatte, nicht hier verbringen wollte. Ich zog eins der T-Shirts heraus und presste es auf die klaffende Wunde, bevor ich eine kleine Schachtel aus dem untersten Fach meiner Kommode holte. Die Spritzen darin waren bereits aufgezogen und in kleine Plastikkammern gepackt, lediglich die Infusion musste ich noch vorbereiten. Kalt und brennend war die Lösung als sie durch meine Venen jagte, mich kurz betäubte und zu Boden sinken ließ. Minuten lang rührte ich mich nicht, lehnte einfach mit dem Kopf am Gestell des Bettes und schaute meiner Wunde dabei zu, wie sie langsam anfing sich zusammenzuziehen. Jeder meine Gedanken kreiste um Eloise, um meine Tat, um das, was gerade passiert war.

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