12

306 13 0
                                    

Der nächste Morgen ist anders als jeder andere Tagesbeginn im letzten Monat.
Ich wache auf, spüre das Sonnenlicht auf meinem Gesicht und muss lächeln. Durch mein gekipptes Fenster kommt ein angenehm erfrischender Luftzug und ich höre das melodische Zwitschern junger Vögel.
Letzten Abend sind Noe und ich sehr spät nach Hause gekommen. Schon im Flugzeug bin ich auf seiner Schulter eingeschlafen und er saß zwei Stunde regungslos da, um mich nicht aufzuwecken. Als wir schließlich endlich wieder in der Villa waren, hat er mich zu meinem Zimmer begleitet und mir eine gute Nacht gewünscht.
Es ist seltsam Noe Glen tatsächlich einen Freund zu nennen, doch es fühlt sich eigentlich nicht schlecht an.
Lustig, dass ich ausgerechnet mit einer Geste, mit der ich seine Managerin aufregen wollte, seine Zuneigung gewonnen habe.
Ich strecke mich ausgiebig und überwinde mich dann schließlich aufzustehen. Nach einer schnellen Dusche und dem Überstreifen frischer Klamotten verlasse ich mein Zimmer.
Normalerweise habe ich nach dem Aufstehen noch eine halbe Stunde in meinem Raum gewartet, um sicher zu sein, dass Noe schon fertig gegessen hat. Wenn ich dann runterkam stand meistens nichts als Obst und Brot auf dem Tisch. Mrs Stryker hat wohl dem Personal ziemlich strikte Anweisungen über meine Diät gegeben.
Doch heute komme ich in den Speisesaal, während der Hausbesitzer noch da ist und dort wie immer seinen Toast isst.
Mein Kommen scheint ihn zu überraschen, doch er lächelt mich trotzdem an - nicht so, wie er in dem Interview oder auf dem roten Teppich gelächelt hat, nein, es ist ein anderer Gesichtsausdruck. Natürlicher. Ehrlicher.
»Morgen«, begrüße ich ihn, als ich mich zu ihm setze. »Gut geschlafen?«
»Besser als im Flugzeug«, antwortet er grinsend und ich ziehe den Obstteller zu mir.
»Glaube ich dir«, erwidere ich und trinke einen Schluck Kaffee. »Der Pilot gestern schien noch in der Ausbildung zu sein.«
Er lacht leise und nimmt sich noch eine Scheibe Toast.
Eine kurze Stille entsteht, wobei es noch offensichtlicher wird, dass wir uns nicht wirklich gut kennen. Es ist, als wären wir eine außerirdische Spezies, die keine Ahnung hat, wie man Freundschaften schließt.
»Hör zu«, sage ich vorsichtig. »Ich weiß nicht, was das gestern für uns bedeutet hat, aber mir ist eigentlich nur wichtig, dass wir nicht wieder zum Hass zurück gehen.«
»Nein nein«, sagt er hastig. »Ich meinte, was ich gestern gesagt habe. Ich möchte befreundet sein. Es ist nur...« Zögerlich sieht er mir in die Augen. Es scheint ihm Angst zu machen, die Wahrheit auszusprechen. »Ehrlich gesagt ist es schon eine Weile her, dass ich das letzte mal jemanden einen Freund nennen konnte. All die Menschen die das mal für mich waren, wurden von mir enttäuscht.«
Einen Moment antworte ich nichts.
Ich habe nie darüber nachgedacht, doch jetzt wo es raus ist, überrascht es mich nicht. Noe gibt sich nicht sonderlich sympathisch und für einen normalen Menschen ist es bestimmt nicht unbedingt angenehm, die ganze Zeit von Fotografen verfolgt zu werden, wenn man draußen ist.
»Okay, wie wäre es mit einem Deal?«, sage ich schließlich. »Du kannst mir in der Öffentlichkeit zeigen, wie es ist, mit jemanden zusammen zu sein und ich zeige dir privat, wie es ist, mit jemandem befreundet zu sein.«
Schmunzelnd sieht mein Gegenüber mich an. »Okay, klingt gut.«
»Sehr schön. Lektion 1: Freunde lassen einander essen was sie wollen.« Übertrieben breit grinsend lege ich den Kopf schräg.
Mit einem leisen Lachen schiebt er das Honigglas zu mir herüber. »Dir würde etwas entgehen wenn du das nicht probierst.«
Als ich mir das Brot streiche höre ich ein leises Klicken und sehe sofort alarmiert auf. Wahrscheinlich haben mich die ganzen Paparazzis paranoid gemacht.
Zum Glück war es nur Noe, der ein Bild von mir gemacht hat.
»Was tust du?«
»Lektion 1: Paare machen Bilder voneinander und posten es, um zu zeigen, wie glücklich sie darüber sind, beisammen zu sein.«
»Wow, wer hätte gedacht dass ich die Schule abbreche, um so etwas zu lernen.«
Wir müssen beide kurz lachen, wobei unsere Stimmen auf seltsame Weise harmonieren.
Kurz bleibe ich an seinen Augen hängen und für einige Sekunden sehen wir uns nur an. Dann dreht er rasch den Kopf weg und nimmt noch einen Schluck aus seiner Tasse.
»Kein Scotch heute morgen?«, frage ich, um die Stimmung wieder etwas aufzulockern.
»Ne, Rotwein. Und bitte sag mir nicht, dass es eine Freundschafts-Lektion ist, dass man nicht vor dem anderen trinken darf. Ich habe noch genug Erinnerung, um zu wissen, dass das nicht so ist.«
Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Nein, keine Sorge. Ich werde mich nicht auf diese Weise in dein Leben einmischen.«
»Und schon wieder überraschst du mich, April Collins.« Amüsiert lehnt er sich vor.
»Tja, ich hasse es, es zugeben zu müssen, aber ich kann es irgendwie verstehen. Der Stress, die Verfolgungen, der Erwartungsdruck - all das ist bestimmt mit ein wenig Alkohol im Blut besser zu ertragen.«
»Oder auch viel Alkohol.« Er prostet mir zu. »Lass mich wissen, wenn du auch etwas möchtest.«
»Nein, danke.«
Er nickt kurz und scheint meine Entscheidung zu respektieren.
»Hast du Lust heute etwas zu machen?«, frage ich und beiße von meinem Honigbrot ab. Es ist das erste mal seit einem Monat, dass ich wieder etwas Süßes esse.
»Worauf hast du denn Lust?«, fragt er.
»Weiß nicht, einen Film schauen oder so.«
»Klingt gut. Also gehen wir zuerst in mein Heimkino im Keller und heute Abend zeige ich dir dann, wie ein Mann seine Partnerin mit in die VIP-Lounge eines Clubs nimmt.«
Der Gedanke, endlich mal hinter die roten Samtbänder zu kommen und nicht nur immer von der anderen Seite neidisch zu den VIPs dahinter schauen zu müssen, ist aufregend, doch ich muss meinen Enthusiasmus etwas bremsen.
»Bist du sicher, dass Mrs Stryker damit einverstanden wäre? Ich meine, ein ungekündigter öffentlicher Auftritt - und dann auch noch in einem Nachtclub...«
»Du hast es selbst gesagt.« Leicht grinsend stellt er seine Gasse ab. »Man kann dich nicht feuern. Du bist unersetzbar.
Außerdem wird es auch keine negative Presse geben, solange du doch nicht volllaufen lässt.«
»Ich glaube das kriege ich hin«, sage ich mit einem kleinen Lächeln.
»Sehr gut. Übrigens sahst du fantastisch aus in dem Design meines Vaters. Ich bin mir sicher, deine Stylistin kann dir für heute Abend einen ganzen Berg seiner Kleider besorgen.«

SpotlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt