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Als ich aus dem Taxi aussteige, ist es, als würde ich eine andere Welt betreten.
Ich stehe vor einem riesigen Eisentor, durch dessen Gitterstäbe ich eine altmodische Villa erkennen kann. Die Fassade des riesigen Gebäudes ist durch mehrere Erker und verspiegelte Fenster geprägt. Umgeben ist das Haus von einem perfekt gepflegten Garten. Büsche sind in hübscher Form zugeschnitten, bei dem Rasen ist nicht ein Grashalm länger als der andere und seitlich des Bauwerkes wurde ein hübscher kleiner Teich angelegt.
Hinter mir startet der Motor des Taxis. Schweigend sehe ich dem Auto hinterher.
Auf einmal fühle ich mich seltsam verloren?
Was mache ich nur hier?
Warum habe ich dieses irrsinnige Angebot bloß angenommen?
Eigentlich macht es keinen Sinn, sich darüber jetzt noch Gedanken zu machen. Ich bin jetzt hier, ich habe zugestimmt. Es gibt kein Zurück mehr.
Es ist noch früh, doch da die Castings in den letzten Jahren immer zu unterschiedlichen Zeiten waren, habe ich schon lange keinen vernünftigen Schlafrhythmus mehr.
Ich habe mir Mühe gegeben, etwas eleganter als sonst gekleidet zu sein, aber jetzt, da ich tatsächlich hier stehe, vor diesem altehrwürdigen Haus, fühle ich mich dennoch fehl am Platz.
Nicht zu fassen, dass ich hier in den nächsten 365 Tagen ziemlich viel Zeit verbringen soll.
Schluckend sehe ich mich um das Tor herum um. Das Haus ist von einer Mauer umgeben, doch zu meiner linken ist ein Klingelschild angebracht.
Noch ein letztes Mal hole ich tief Luft, dann drücke ich.
Einen Moment geschieht gar nichts und ich bekomme unwillkürlich das Bedürfnis, mich ganz weit weg, von diesem Haus mit den kleinen Erkern und dem perfekten Garten zu entfernen.
Ungünstiger Weise ist der Ort hier ziemlich abgeschieden und allein mit dem Auto musste ich mich eine halbe Stunde über eine unbelebte Straße im Wald fahren lassen, bis ich endlich hier ankam.
Gerade als ich kurz davor bin, mir wieder ein Taxi zu rufen und all dashier hinter mir zu lassen, ist ein metallisches Kratzen von dem Tor zu hören. Langsam aber beständig öffnen sich die Torflügel.
Verunsichert sehe ich zu dem Haus. Auch wenn ich nichts durch die Fenster erkennen kann, ist mir bewusst, dass hinter diesen Wänden jemand steht, der für meinen Einlass zuständig ist, und mich beobachtet.
Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Trotz der heißen Sommerluft, scheinen auf einmal die Schatten der Bäume um mich herum Überhand zu nehmen.
Obwohl das Tor inzwischen weit offen steht, scheint nichts an dem Grundstück, mich zum Eintreten aufzufordern. Im Gegenteil; es scheint mir beinahe zu symbolisieren, dass niemand hier erwünscht ist.
Es kostet mich Überwindung, den ersten Schritt über die Grenze zu machen.
Kurz halte ich inne, als würde ich erwarten, dass jeden Moment ein Alarm aktiviert wird und mich aggressive Bulldoggen aus dem Garten jagen, doch nichts der gleichen passiert. Es ist nichts zu hören, außer dem ruhigen Rauschen des Waldes und einem leisen Plätschern des Teiches.
Allmählich fasse ich etwas mehr Mut und gehe festen Schrittes auf die Haustür der Villa zu.
Es sind vielleicht 100 Meter und ich muss mir Mühe geben, nicht die ganze Zeit auf das Fenster neben der Tür zu starren.
Ich gehe ein paar Treppenstufen hoch und befinde mich nun endlich auf gleicher Höhe mit dem Eingang.
Da ich keine Klingel entdecke, forme ich meine Hand zur Faust und klopfe mehrmals an.
Beinahe im selben Moment geht die Tür auf, als hätte jemand nur dahinter gewartet, dass ich da bin.
Ein blasser Mann im Anzug öffnet und sieht mich an.
»Ja, bitte?« Sein britischer Akzent sticht mir sofort in die Ohren.
»I-ich bin April Collins«, sage ich leicht nervös. »Mrs Stryker hat-«
»Ich verstehe.« Er lächelt mich schmallipig an. »Kommen sie doch rein.«
Mit einer einladenden Geste macht er einen Schritt zur Seite, lässt mich allerdings keine Sekunde aus den Augen.
»Mein Name ist James«, erläutert er, während ich über die Schwelle trete. »Ich bin Mr Glens Buttler. Darf ich Ihnen das abnehmen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, nimmt er mir meine Jacke ab und verschwindet damit in einem Nebenraum.
Noch bevor ich mich überhaupt über die ganze Situation wundern kann, steht er schon wieder vor mir.
»Darf ich Sie bitten mir zu folgen? Sie werden bereits erwartet.«
Unruhig nicke ich. Der Buttler hat eine ziemlich abweisende Aura. Wann er wohl das letzte Mal jemanden außerhalb dieses Hauses gesehen hat?
Ich werde aus dem Flur hinaus geführt und finde mich in einem geräumigen Foyer wieder.
Je länger ich durch die Villa geführt werde, je mehr Treppen ich hoch und runter steige, um je mehr Ecken ich biege, desto überraschter bin ich. Obwohl das Gebäude von außen einen eher altmodischen Eindruck macht und auch noch viele Elemente, wie die Treppengeländer, die riesigen Flügeltüren oder die Marmorböden auf das hohe Alter des Bauwerkes hinweisen, ist die Einrichtung ziemlich modern und geschmackvoll. Wo man hinsieht, finden sich hochwertige Designermöbel und kunstvolle Gemälde an den Wänden.
Schließlich halten wir vor einer mächtigen Holztür.
»Wir befinden uns vor Mrs Strykers Büro«, wird mir erklärt. Daraufhin klopft er zweimal und öffnet mir dann die Tür.
»Ah, Miss Collins.« Ich höre Sierra Strykers Stimme noch, bevor ich sie überhaupt sehe. »Treten Sie doch ein.«
Nervös werde ich James einen Blick zu, der mich allerdings schon gar nicht mehr ansieht.
Ich richte mich ein wenig auf und trete schließlich ein. Auf keinen Fall möchte ich unsicher rüber kommen.
Mrs Strykers Büro ist ein weiträumiger, hoher Raum, voller Aktenschränke, in dessen Mitte sich ein mächtiger Schreibtisch befindet. Dahinter sitzt die mittelalte Dame, mit ihrem leicht provokanten Lächeln, als wäre sie die Besitzerin dieses Hauses höchstpersönlich.
Doch der wahre Hausherr steht schräg hinter ihr und sieht mich aus seinen dunklen Augen aufmerksam an: Noe Glen.
Ich erkenne ihn von den Bildern im Internet wieder, doch ihn in Realität zu sehen, ist noch einmal etwas ganz anderes.
Zugegebenermaßen sieht er ziemlich gut aus, aber sein Gesicht lässt sich nicht die geringste Regung ansehen, als ich näher komme. Er wirkt kalt, beinahe leblos und offensichtlich ist er nicht mäßig interessiert an der ganzen Situation.
»Noe, ich möchte dir deine zukünftige Freundin vorstellen.« Mrs Stryker steht auf und schiebt mich ein Stück in seine Richtung. »Das ist April.«
Mit kritischem Blick werde ich von Kopf bis Fuß gemustert.
Ich versuche ihm in die Augen zu sehen und seinem Blick stand zu halten, aber er versucht gar nicht erst Blickkontakt aufzubauen.
»Sie braucht ein MakeOver«, sind schließlich die ersten Worte die er sagt. Er hat seine Augen wieder von mir angewendet und sieht seine Managerin an.
»Natürlich«, gibt diese zurück. »So können wir sie nicht da raus schicken, aber das lässt sich alles einrichten.«
»Entschuldigung?«, mische ich mich leicht gereizt ein. Es gefällt mir nicht, dass die beiden über mich reden, als wäre ich nicht da.
Mein Einwurf lässt Mrs Stryker leise aufseufzen. »Setzen Sie sich, Miss Collins.«
Langsam lasse ich mich auf einem schlichten Holzstuhl, gegenüber ihres Schreibtisches nieder.
»Werde ich noch gebraucht, Sierra?«, fragt Noe leicht ungeduldig und scheint meine Anwesenheit schon wieder vollkommen vergessen zu haben.
»Nein«, antwortet die Angesprochene und setzt sich ebenfalls wieder. »Ich wollte nur, dass du sie kurz kennen lernst.«
Er nickt und verlässt ohne sich zu verabschieden den Raum.
Kurz sehe ich ihm noch hinterher, doch dann beschließe ich, dass ich mir wegen ihm den Hals nicht verrenken muss.
Mrs Stryker hat inzwischen ihre volle Aufmerksamkeit mir zugewendet.
»Miss Collins, sie verstehen sicher, dass ich Ihnen gestern noch keine detaillierten Informationen über dieses Projekt verraten durfte. Doch nun, da Sie sich dazu bereit erklärt haben, zu kooperieren, werde ich Ihnen alles genau erläutern, bevor Sie den Vertrag unterschreiben.«
Ich nicke kurz.
Ein wenig Durchblick kann mir nicht schaden.
»Wie Ihnen vermutlich bewusst ist, genießt Noe Glen nicht den besten Ruf. Als seine neue Managerin, betrachte ich es als meine Pflicht, sein Ansehen zu steigern.
Ihre Aufgabe in dieser Mission ist simpel, aber prägnant: spielen Sie seine Freundin.
Mit dem Unterschreiben des vorliegenden Vertrags, erklären Sie sich bereit, ihn zu allen gewünschten Events zu begleiten, sich privat und in sozialen Netzwerken als seine Partnerin zu bekennen, auf Nachfrage immer einer bestimmten Hintergrundgeschichte zu folgen, vor Journalisten und Paparazzi ausschließlich gut über ihn zu sprechen und in der Öffentlichkeit keine negative Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.«
Erneut nicke ich, während ich mir Mühe geben muss, vollständig hinterher zu kommen. Bisher klingen meine Pflichten nicht zu hart.
»Im Gegenzug kriegen Sie ein wöchentliches Gehalt von 4000€ und Wohnrecht, sowie Verpflegung in diesem Haus. Selbstverständlich wird Ihnen auch eine Stylistin zugewiesen, allerdings steht Ihnen diese nur zu speziellen Events zur Verfügung.«
Ich muss mich bemühen, damit mir nicht die Kinnlade herunter klappt. Alles daran ist unglaublich.
Doch eine Kleinigkeit fehlt und leider ist mir die am wichtigsten.
»Sie meinten gestern, Sie könnten mich Leuten vorstellen, die mich in meiner Karriere als Schauspielerin weiterbringen würden.«
Mein Gegenüber schürzt die Lippen leicht, seufzt leise auf und beugt sich dann vor. Sie sieht mir fest in die Augen und ich weiß, dass sie keinen Widerspruch zulassen wird.
»Sehen Sie diesen Bonus als einen Extra-Preis, wenn Sie ihre Sache gut machen.«
Dann entspannt sie sich wieder ein wenig und lehnt sich zurück. »Des Weiteren sollte ich Sie wahrscheinlich darauf aufmerksam machen, dass nach wie vor Schweigepflicht über diesen Job herrscht. Auf keinen Fall, dürfen Sie an irgendjemand weiter sagen, dass es sich hierbei um nicht mehr als eine bezahlte Stelle handelt. Egal wie vertrauenswürdig diese Person scheinen mag oder wie lange sie sich schon kennen - Ihre Lippen bleiben versiegelt!
Es kann auch zu weiteren Forderungen kommen, doch das wird nur Kleinigkeiten wie beispielsweise Kleidervorschriften oder Verhalten beinhalten.«
Aus einer Schublade hinter ihrem Schreibtisch holt sie einen Stapel Papiere hervor und legt ihn auf den Tisch. Ich schätze es auf etwa zehn bis zwölf Seiten.
»Ihr Vertrag«, erklärt sie. »Laufzeit ein Jahr. Ich gebe Ihnen ein paar Minuten, sich alles durchzulesen. Wenn Sie bereit sind, die Stelle anzunehmen, unterschreiben Sie bitte ganz unten.«
Ohne auf eine Rückmeldung zu warten, steht Mrs Stryker auf und verlässt den Raum.
Als sie draußen ist, atme ich erstmal tief durch.
Das alles hier ist überwältigend - sowohl auf eine gute, wie auch auf eine schlechte Art.
Weder sie, noch Noe wirkt besonders sympathisch. Außerdem ist in diesem Vertrag indirekt festgehalten, dass ich Freunde und Familie anlügen muss und Mrs Stryker praktisch die komplette Kontrolle über mein Leben überlassen muss.
Andererseits ist dashier einmalig. Es ist eine Chance und selbst wenn es nicht unbedingt die angenehmste Zeit meines Lebens sein wird, komme ich endlich bei Mike und Kate raus und kriege eine beträchtliche Menge Geld auf mein Konto.
Ich nehme die Papiere in die Hand und überfliege Zeile für Zeile.
Viele Kleinigkeiten sind ziemlich strikt geregelt und der Vertrag, scheint für jede Situation vorsorgen zu wollen. Trotzdem lässt sich kaum etwas erkennen, was das ganze weniger effizient für mich machen würde.
Außerdem hat das ganze auch etwas aufregendes.
Ich will diesen Gedanken eigentlich unterdrückt. Er ist unreif und kindisch, doch ich kann mir nicht helfen. Irgendetwas an der ganzen Sache zieht mich magisch an.
Langsam nehme ich einen Kugelschreiber in die Hand.
Mein Blick fällt auf die schmale Linie unterhalb des Vertrages und unwillkürlich beginnt mein Herz schneller zu schlagen.
Eine Unterschrift und mein Leben wird für immer verändert sein.
Alles wird sich weiter entwickeln, doch vielleicht ist das in meiner Situation das beste.
Ich atme tief durch, dann setze ich meinen Namen in geschwungenen Buchstaben auf das Dokument.
Kaum habe ich signiert, muss ich lächeln.
Ich habe es tatsächlich getan!
Nicht zu glauben, aber es fühlt sich gut an.
Kurz darauf öffnet sich die Bürotür wieder und Mrs Stryker kommt in Begleitung von Noe Glen herein.
Augenblicklich fällt ihr Blick auf den unterschriebenen Vertrag und ein Lächeln zieht sich über ihre Lippen.
»Sehr schön«, sagt sie leise, während sie sich wieder setzt.
Noe dagegen lässt sich direkt auf dem Stuhl neben mir nieder.
Kurz werfe ich ihm einen Seitenblick zu, aber als er mich weiter ignoriert, wende ich mich wieder Mrs Stryker zu.
»So, jetzt wo das wichtigste geklärt ist und ihr beide hier seid, wird es Zeit zu klären, wie es weiter geht.
Als erstes möchte ich, dass ihr eure engsten Freunden oder Familien ganz im Vertrauen sagt, dass ihr jemanden besonderen kennengelernt hat. Sagt ihnen ruhig wer es ist, aber sie sollen es für sich behalten.
Noch diese Woche, werden wir euch dann ein- oder zweimal gegen Abend zusammen durch die Stadt schicken. Am besten sollte man Aprils Gesicht noch nicht ganz erkennen, aber es ist wichtig, dass Noe identifiziert wird. Alles sollte mit Gerüchten anfangen, dann kommt es auch glaubwürdig rüber, wenn wir es offiziell machen.
In zwei Wochen gibt es dann eine offizielle Verkündung über Social Media.
Von da an lässt sich nicht voraus sagen, wie es weiter geht, aber wir sind auf so gut wie alles vorbereitet.
Wichtig ist, dass ihr einheitlich folgende Geschichte verbreitet: ihr habt euch vor vier Monaten kennengelernt, eine Weile im Geheimen getroffen und vor einem Monat ist April schließlich zu dir, Noe, gezogen. Anfangs wolltet ihr es privat halten, damit April geschützt wird, doch nach einer Weile ist euch bewusst geworden, dass ihr eure Liebe nicht verstecken wollt, sondern euer Glück der ganzen Welt zeigen wollt.«
»Man könnte meinen, man wäre in einem Shakespeare-Roman gelandet«, kommentiert Noe mit leicht sarkastischem Unterton und lehnt sich zurück.
»Dann sind wir hoffentlich am Ende beide noch am Leben«, gebe ich kühl zurück.
Er sieht mich kurz von der Seite an und zieht eine Augenbraue hoch.
Einen Moment wünsche ich mir, ich hätte nichts gesagt, dennoch will ich mir in unter seinen Augen keine Schwäche anmerken lassen.
»Falls das eine Morddrohung war, solltest du das lieber lassen, wenn wir vor einer Kamera stehen.« Mit diesen Worten wendet er sich wieder ab.
Natürlich habe ich es nicht als Drohung gemeint, doch ich weiß, dass es besser ist, jetzt still zu sein.
»Ihr müsst euch definitiv noch etwas einspielen, wenn ihr in der Öffentlichkeit steht.« Mrs Stryker nimmt meinen unterschriebenen Vertrag und legt ihn zurück in die Schublade, aus der er gekommen ist. »Aber das ist eure Verantwortung, nicht meine. Es ist mir vollkommen egal, was innerhalb dieses Hauses passiert, so lange ihr dort draußen das perfekte Traumpaar seid.« Sie steht auf. »Miss Collins, James wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Sie können selbst entscheiden, wann Sie hier einziehen wollen, doch es sollte innerhalb der nächsten fünf Tage sein. Nehmen Sie nicht zu viel mit, das meiste wird Ihnen hier zur Verfügung gestellt.
Wenn Sie mich noch brauchen, wissen Sie, wie ich zu erreichen bin.«
Und zum dritten Male an diesem Tag verlässt Sie ihr Büro.
Noe wirkt mir noch einmal von der Seite einen Blick zu. »Na dann, willkommen in deinem neuen Zuhause, Prinzessin.« Schon wieder ist der Sarkasmus in seiner Stimme unverkennbar.
»Kann es kaum erwarten«, gebe ich bissig zurück, stehe dann auf und verlasse ebenfalls den Raum.

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