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Die folgenden zwei Wochen fühlen sich seltsam an. In manchen Momenten scheint die Zeit nur so zu rasen und bevor ich überhaupt realisiere was passiert, verwandelt es sich in eine Erinnerung. Doch ab und zu scheint es sich so ewig zu ziehen wie ein alter Kaugummi und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass die Uhren sich verschnellern.
Noe bekomme ich nur selten zu Gesicht und nach wie vor ignoriert er mich meistens oder behandelt mich von oben herab. Wenn wir uns in der Villa über den Weg laufen verdreht er normalerweise die Augen und schlägt eine andere Richtung ein. In gewisser Weise ist das ziemlich entwürdigend, doch ich kann mit gutem Gewissen annehmen, dass es nichts mit mir zu tun hat, sondern, dass er einfach ein unhöflicher Snob ist.
Zu meiner großen Erleichterung kommt Mrs Stryker in der ganzen Zeit nur ein paar mal vorbei. Einmal teilt sie uns mit, dass sie sich dagegen entschieden hat, uns nochmal nach draußen zu schicken. Die Gerüchte um uns sollen sich erst etwas abkühlen, da niemand denken soll, wir würden unsere Beziehung nur veröffentlichen, weil man uns sowieso gesehen hat.
Da ich keinen öffentlichen Auftritt mehr habe, ist auch Laurel so gut wie nie da.
Die meiste Zeit in dem Haus verbringe ich also alleine in meinem Zimmer, probiere die verschiedensten Sachen aus meinem Kleiderschrank kennen und genieße den Luxus um mich herum.
Tatsächlich bin ich allerdings nicht sehr oft da. Fast jeden Tag entfliehe ich dem alten Gemäuer und fahre in die Innenstadt von LA.
Die kreischenden Fans haben mir bewusst gemacht, dass ich nur zu bald nie wieder einfach vor die Tür gehen kann. Wenn mein Gesicht erstmal mit Noe Glen in Verbindung gebracht wird, dann verschwindet das auch nicht mehr so einfach. Also genieße ich lieber noch die letzten Tage in Freiheit.
Ich besuche Freunde und heuchle Mike und Kate weiterhin meine perfekte Beziehung vor. Am liebsten würde ich noch mehr Zeit außerhalb der Villa verbringen, doch in dem Vertrag wurde festgehalten, dass ich mich nicht auf Partys oder ähnlichem sehen lassen darf. Somit bringt mich ein Taxi jeden Abend um 20:00 wieder zurück zu dem Haus, dass ich wohl als mein Zuhause bezeichnen sollte.
Der einzige große Event innerhalb dieses Zeitraums, ist ein Fotoshooting. Die Bilder zeigen Noe und mich, zusammengekuschelt, bei einem romantischen Abend, auf dem Sofa.
Es wirkt wie beiläufig geschossen, eine völlig normale Situation, sodass niemand den tatsächlichen Aufwand hinter dem Foto erkennen kann.
Wir haben den Raum abgedunkelt und spezielle Scheinwerfer aufgestellt, die den Eindruck von Kerzenlicht erzeugen. Noe und ich wurden beide eine halbe Stunde lang gestylt und geschminkt, um auch so makellos wie möglich auszusehen.
Das eigentliche Shooting ging fast eine Stunde, da der Mrs Stryker oder der Fotograf nie mit dem Winkel, dem Licht oder unserer Performance einverstanden waren.
Als wir schließlich das perfekte Bild geschossen haben, war ich schon ziemlich erschöpft und genervt.
Der Plan ist, dass Noe das ausgewählte Foto veröffentlicht und damit unsere Beziehung offiziell macht.
Ehrlich gesagt lässt sich schwer sagen, ob ich mich darauf freue, dass es endlich rauskommt oder nicht. Eigentlich wird es sich nicht schlecht anfühlen, wieder etwas zu tun zu haben und sich sein Gehalt wirklich zu verdienen, doch allein der Gedanke, bei jedem Schritt von Paparazzis verfolgt zu werden, jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Einmal teile ich diesen Gedanken mit meiner Stylistin und sie hat es geschafft, mich halbwegs zu beruhigen: »Man wird euch nicht ohne Bodyguards da raus lassen.«
Laurel ist die einzige Person in diesem Unternehmen, mit der ich ernsthaft reden kann. Für Mrs Stryker scheint alles nicht mehr als ein Geschäft zu sein, Noe kann kein Wort aussprechen, das mich nicht beleidigt und James wirkt viel mehr wie ein willenloser Sklave, als ein Mensch.
Während ich mich etwas einlebe, lerne ich noch eine Gärtnerin, zwei Putzfrauen und einen Koch kennen, die ebenfalls hier angestellt sind. Im Gegensatz zu den anderen, scheinen sie jedoch nicht eingeweiht zu sein, also kann ich kaum mit ihnen reden.
Immer wieder deute ich bei meinen Gesprächen mit Mike schon an, dass Noe und ich in Erwägung ziehen, unsere Beziehung öffentlich zu machen. Mein bester Freund warnt mich selbstverständlich davor, welches Aufsehen das mit sich bringen wird, doch er kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich kein Mensch bin, der sich lange verstecken kann.
So kommt schließlich nach zäher Wartezeit endlich der Tag, an dem die Lüge offiziell gemacht wird.
Als ich Mrs Strykers Büro betrete, bin ich ziemlich überrascht. Die ganze Sache scheint ihr ziemlich wichtig zu sein, denn ausnahmsweise lässt sie ihre Boss-Haltung mal links liegen und wuselt hektisch im Raum herum.
Noe sitzt ihrem Schreibtisch gegenüber. Sogar er wirkt verhältnismäßig angespannt und gibt keinen einzigen Kommentar ab, als ich mich neben ihm niederlasse.
Die Managerin stöbert noch einen Moment nervös in einem Aktenschrank herum, bevor sie sich schließlich zu uns setzt.
»Miss Collins, ich hoffe Ihnen ist bewusst, was für einen großen Schritt wir heute gehen. Ein Klick und Ihr Leben wird sich schlagartig verändern. Wenn Sie noch einen Rückzieher machen wollen-«
»Will ich nicht«, unterbreche ich ihr unnötiges Gerede. Noch nie habe ich Förmlichkeiten eine große Bedeutung zugeschrieben.
»Gut, denn dazu ist es auch zu spät«, kommentiert Mrs Stryker. Sie atmet tief durch, streicht eine Strähne zurück und versucht sich etwas zu beruhigen. »Noe, ich überlasse dir die Veröffentlichung des Fotos. Es ist dein Account.«
Mein Nebensitzer nickt und steht auf.
Schweigend verfolge ich, wie er hinter seine Managerin tritt und einen prüfenden Blick auf den Computer wirft. Ich weiß, dass er das Foto von uns beiden betrachtet.
Die Wahrheit ist, dass ich es nie gesehen habe. Bei dem Shooting war es nicht meine Aufgabe die Bilder zu überprüfen und als ich die Gelegenheit dazu hatte, erschien es mir nicht wichtig. Doch jetzt, da die ganze Welt kurz davor ist es anzusehen, wünschte ich, ich hätte zumindest einen kurzen Blick darauf geworfen.
Vor Noe und Mrs Stryker will ich mit keine Blöße geben, also bleibe ich still sitzen. In mindestens einer Stunde wird es überall im Internet zu sehen sein, also warum die Eile?
In diesem Moment heht Noe den Blick und sieht mich fragend an. Es ist das erste mal, dass er anscheinend glaubt, meine Erlaubnis für etwas zu brauchen oder überhaupt annimmt, dass meine Meinung etwas wert ist.
Auf der einen Seite würde ich dies am liebsten spöttisch kommentieren, doch andererseits schätze ich es wirklich wert.
Schließlich nicke ich ihm kurz zu.
Entschlossen nimmt er die Maus, fährt kurz über den Bildschirm und klickt dann.
Kurz halte ich den Atem an.
Es ist tatsächlich getan!
Ich bin offiziell Noe Glens Freundin und somit praktisch berühmt.
Eigentlich sollte dieser Moment sich episch anfühlen und meine Welt aus den Angeln heben, doch nichts der gleichen ist der Fall.
Nichts ist zu hören, nichts regt sich in mir, nichts geschieht.
Die wahren Auswirkungen werde ich ohne Zweifel nur zu bald zu spüren bekommen, doch in dem Moment, in dem sich eigentlich alles verändern sollte, scheint alles wie immer.
»Ich werde in Kürze mehrere Anrufe erhalten. Es wäre besser, wenn ihr mein Büro erstmal verlasst.« Ihr höflicher Tonfall gilt natürlich Noe, nicht mir, doch auch ich folge ihrer Anweisung.
Gemeinsam treten wir auf den Gang hinaus und ich hole beinahe reflexartig mein Handy heraus.
»Was tust du?«, fragt Noe mit gerunzelter Stirn.
»Ich will wissen was die Leute in den Kommentaren schreiben«, antworte ich, ohne aufzublicken.
Schon seit Tagen stelle ich mir diese Frage: was werden Noes Follower über mich sagen, wenn sie mich erstmals an seiner Seite sehen? Was werden sie von mir denken?
Ich konnte es kaum erwarten die Antwort darauf zu erhalten und nun ist es endlich so weit.
»Willst du einen ehrlich gut gemeinten Rat?«, höre ich mein Gegenüber sagen, während er sich schon zum Gehen wendet. »Tu es nicht.«
Überrascht blicke ich auf. »Was?« Rasch mache ich ein paar große Schritte, um ihn einzuholen. »Warum nicht?«
»Am Anfang mag das vielleicht noch ganz unterhaltsam sein«, antwortet er, den Blick starr nach vorne gerichtet. »Aber je länger du durch Kommentare und Artikel über dich scrollst, desto mehr beginnst du, dich selbst aus einer anderen Perspektive zu sehen. Es fühlt sich an, als wärst du dein eigener Zuschauer, nicht du selbst.« Er klingt tonlos, doch zum ersten mal scheint er seine Worte mir gegenüber vollkommen ernst zu meinen. Trotzdem ärgert es mich, dass er mir schon wieder vorschreiben will, was ich zu tun habe. Wenn ich ihm eines beweisen will, dann, dass er keine Macht über mich hat.
»Und du bist sicher, dass das nicht nur daher kommt, weil die meisten Artikel über dich nicht unbedingt positives berichten? Drogen, Alkohol, Schlägereien... Ich glaube dir gerne, dass das nicht angenehm zu lesen ist.«
»Weißt du was?!« Genervt bleibt Noe stehen und dreht sich zu mir. In seinen Augen flammt ehrlicher Zorn, was mich beinahe dazu bringt, meine Worte zu bereuen. »Mach doch was du willst!«
»Ich habe nichts anderes vor«, entgegne ich, doch meine Stimme klingt nicht mehr so selbstsicher, wie sie es eigentlich tun sollte.
Tatsächlich ist das aber nicht mehr wichtig, da mein Gesprächspartner mir sowieso nicht mehr zuhört. Ohne sich noch einmal umzusehen verschwindet er in die Richtung, in der ich sein Schlafzimmer vermute.
Etwas schuldbewusst sehe ich ihm nach.
Bin ich zu weit gegangen?
Vielleicht war sein Tipp tatsächlich gut gemeint und ich habe es nur falsch aufgefasst.
Aber wie soll ich denn reagieren, wenn alles, was er mir sonst sagt, eine angreifende Beleidigung ist?!
Eigentlich muss es nicht kümmern, ob er beleidigt ist oder nicht. Wir konnten uns noch nie leiden, also muss ich ihn jetzt auch nicht auf den Knien um Verzeihung bitten.
Während ich mich wieder auf den Weg zu meinem eigenen Zimmer mache, denke ich über seinen Rat nach.
Sicher ist es nichts schlechtes unabhängig davon zu sein, was die Leute über einen sagen, doch in den nächsten Monaten werde ich ziemlich viele öffentliche Auftritte mit ihm haben, also wäre es sicher ungünstig, nicht die geringste Ahnung davon zu haben, was die Allgemeinheit von mir denkt.
Es ist mir wichtig diesen Job gutzumachen. Wenn ich hier Erfolg habe, würde das ziemlich viel für meine künftige Karriere bedeuten und nichts ist mir wichtiger. Die Fans sind praktisch meine Rückmeldung. Ich muss es einfach als eine Hilfestellung ansehen, nicht als Verurteilung.
In meinem Schlafzimmer angekommen, setze ich mich an den Schreibtisch und öffne Instagram.
Sofort springt mir eine irrational hohe Zahl an neuen Follower entgegen.
Kurz muss ich schlucken, doch es freut mich auf ein wenig.
Ich öffne Noes Account und sehe ganz oben das Bild von uns beiden. Tatsächlich ist es ziemlich süß. Wir wirken glücklich verliebt und scheinen nur Augen füreinander zu haben, doch wenn ich das Foto betrachte, fällt es mir schwer, tatsächlich mich selbst zu sehen. Die Person auf meinem Display, ist der Mensch, den ich gespielt habe - nicht ich.
Noch einmal zögere ich kurz, bevor ich die Kommentare öffne, doch dann überwinde ich mich.
Die ersten Rückmeldungen, die mir ins Auge fallen, drücken hauptsächlich Überraschung aus, doch ebenso sehe ich viele Leute, die uns gratulieren und unterstützen.
Immer wieder tauchen auch Leute auf, die sagen, dass Noe kein Glück verdient hat oder die mich auffordern, dass ich mich lieber von ihm fernhalten sollte, doch tatsächlich kann ich kaum etwas negatives über mich selbst lesen.
Erleichterung breitet sich in mir aus. Zumindest scheine ich bisher ganz überzeugend zu sein.
Nach und nach kriege ich mehrere Anrufe und Nachrichten von meinen privaten Kontakten, die kaum glauben können, dass ich einen Star date.
Die folgenden drei Stunden verbringe ich fast ausschließlich mit Telefonaten und Chats, bei denen ich allen vorschwänre wie glücklich ich doch bin.
Bei diesen Leuten ist es anders als bei Mike und Kate. Sie bedeuten mir nicht so viel und es macht mir kein schlechtes Gewissen sie anzulügen. Ich sehe es einfach als Training für Interviews oder Fanfragen in Zukunft.
Tatsächlich bin ich etwas überwältigt von der Lawine an Aufmerksamkeit, die mich auf einmal überschüttet, doch es fühlt sich nicht schlecht an.
Die Zeit vergeht ohne dass ich es mitbekomme und als ich nach einer Weile wieder richtig aufsehe, ist es schon stockdunkel draußen.
Ich ziehe mich aus, werfe meine Klamotten achtlos auf einen Stuhl und begebe mich in mein Bett.
Bevor ich die Augen schließe, werfe ich noch einen letzten Blick auf mein Handy. Mrs Stryker hat mir eine Mail geschickt, in der sie ankündigt, dass Noe und ich nächste Woche zu einem Live-Interview eingeladen sind.
Ich bin überrascht, dass es so schnell geht, doch ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich darauf freue. Die letzten zwei Wochen untätig zu verbringen hat sich nicht gerade richtig angefühlt.
In diesem Interview kann ich endlich ausleben, was ich liebe: Schauspielern.

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