4. Erinnerungen einer alten Dame

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"Ich bin Lazslo. Das hier ist meine Großmutter Judith. Ich werde so gut es geht übersetzen, aber erwartet euch nicht zu viel. Also, was wollt ihr wissen?", brummte der junge Mann. Eliza lächelte die Frau an und holte das Bild ihrer Eltern heraus.

"Das hier sind meine Eltern. Vor etwa genau zwanzig Jahren haben sie in dieser Wohnung gewohnt. Kann sie sich an sie erinnern?" Judith nahm zittrig das Bild entgegen. Ihr Blick war traurig und sofort fragte Eliza sich ob sie eine schmerzende Geschichte erwartete. Laszlo übersetzte schnell und abgeharkt.

"Cat und Tristan. Sie haben in dieser Wohnung gewohnt, bevor sie sie meiner Großmutter überlassen haben. Sie sind weggezogen. Für Jahre waren sie Nachbarn gewesen. Meine Großmutter hatte viel Kontakt zu ihnen, hat sie sehr gemocht. Fast so etwas wie Familie."

"Kannst du dich auch an sie erinnern?", fragte Eliza Laszlo. Dieser schüttelte den Kopf.

"Ich war damals noch nicht mal auf der Welt." Judith strich liebevoll über das Bild und beugte sich dann vor um Elizas Hand zu greifen. Eliza verstand Judiths ungarisch nicht, doch alleine der Tonfall rührte sie zu Tränen.

"Du erinnerst sie an Cataleya. Stolz und stark. Eine Kämpferin."

"Auf dem Bild ist sie schwanger. Warum hat sie das Baby nicht behalten? Warum hat sie mich nicht behalten?", hauchte Eliza erstickt. Judith schüttelte krampfhaft den Kopf und ihre Stimme wurde lauter. Lazslo kam kaum mit dem übersetzten hinterher.

"Meine Großmutter war da als Cataleya den Schwangerschaftstest gemacht hat und sie kann sich noch genau an ihren Gesichtsausdruck erinnern. Damals hat sie sie ebenfalls gefragt, warum sie nicht überglücklich war. Schließlich waren die beiden verheiratet und könnten sich ein Kind leisten. Cataleya hat meiner Großmutter nie eine Antwort darauf gegeben."

Etwas in Eliza hatte gewusst, dass es niemals so einfach sein würde. Vincent schaltete sich ein. Sein Englisch war schlecht, aber er schien trotzdem entschlossen sich am Gespräch zu beteiligen.

"Wohin sind sie gegangen?" Judith zuckte mit den Schultern. Sie schien keine Antwort zu haben. Nun wenn es keinen Weg nach vorne gab, musste man den Weg nach hinten nehmen.

"Woher sind sie gekommen?", fragte Eliza und wartete. Judith sprang auf und ging so schnell sie konnte in den Nebenraum. In peinlicher Stille saßen sie ihrem Übersetzter gegenüber. Als Judith wieder auftauchte hielt sie eine Schuhschachtel in den Händen. Vorsichtig legte sie sie in Elizas Schoss.

"Das haben deine Eltern vor all diesen Jahren zurückgelassen."

Unsicher hob Eliza den Deckel der Schachtel an. In ihr ruhten Kleinigkeiten. Ein tiefroter Schal, eine bemalte Holzbox, Postkarten und Stoffbänder. Vermutlich noch vieles mehr, doch bevor Eliza Zeit hatte wirklich darin zu stöbern, griff Judith hinein und holte eines der Stoffbänder heraus. Die alte Frau griff nach einer von Elizas langen Haarsträhnen und begann das Band hinein zu flechten. Dabei erzählte sie weiter.

"Anscheinend hat deine Mutter ihr Haar oft mit diesen Bändern verziert. Meine Großmutter und sie haben viele Stunden damit zugebracht sich Frisuren zu machen."

Es war etwas so simples, doch gerade darin lag die Macht. Eliza spürte die sanften Hände der Großmutter und die salzigen Tränen auf ihren Wangen. Ihre Mutter war ebenfalls vor Judith gesessen und hatte dasselbe gefühlt wie sie. Die Verbundenheit ließ sie laut schluchzen.
Judith war fertig mit ihrem Zopf und umfasste Elizas Gesicht lächelnd. Ihre runzeligen Hände waren warm und sicher. So jemand in Elizas Leben wäre eine Bereicherung gewesen. Judith sprach weiter.

"Sie sagt, du kannst die Box mitnehmen und alles darin behalten. Das meiste davon hat überhaupt keinen Wert." Zumindest nicht für ihn.

"Danke, für die Sachen und für ihre Hilfe.", meinte Eliza aufrichtig. Judith winkte ab und beugte sich noch einmal vor. Laszlo tat es ihr gleich und hörte hoch konzentriert zu.

Die Suche nach Unsterblichkeit #Wattys20Where stories live. Discover now