Ein Wald voller Gefahren

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Es war einmal ein Junge namens Ciel Phantomhive, der glaubte, sich vor nichts fürchten zu können, da er schon Schreckliches erlebt hatte, denn er verrichtete eine schwere Arbeit. Schon seit Jahren war es in seiner Familie eine unumgängliche Pflicht, der Dorfältesten - auch die Queen genannt - zu dienen und zu tun, was auch immer sie verlangte. Zwar war die Queen aufgrund von Ciels Alter immer gnädig mit ihm gewesen, doch es Tag war gekommen, an dem der Junge eine wirklich schwierige Aufgabe erfüllen sollte: Da es im Dorf einen fürchterlichen Brand gegeben hatte, und der Bestatter herkommen sollte, um sich die Leichen anzusehen, wurde Ciel losgeschickt, um ihm den Brief der Königin und eine Liste mit den Namen der Toten zu bringen. Doch der Weg zum Haus des Bestatters Undertaker führte durch einen dichten, verwunschenen Wald, der Gefahren barg. Um jedoch seiner Pflicht nachzukommen und die Tradition seiner Familie fortzuführen, ließ Ciel Phantomhive sich davon nicht beirren und machte sich auf den Weg.

Er ging nicht lange, da hoppelte ein Häschen mit menschlichen Zügen an ihm vorbei. "Oh, hallo", sprach das blonde Häschen und schloss zu dem Jungen auf, "wohin des Weges?"
Ciel schnaubte empört. Was wollte dieses Hasenmädchen? Ihn aufhalten? Tja, da konnte sie lange warten! "Mein Ziel hat dich nicht zu interessieren!", erwiderte Ciel schnippisch und legte einen Zahn zu, sodass das Häschen nicht mehr mitkam.
"Pah! Schön! Dann eben nicht, mein Lieber!" Der blonde Hase rümpfte beleidigt das Näschen und wollte davon hoppeln, zögerte jedoch einen Augenblick, wandte sich um und rief: "Seid lieber vorsichtig, Ciel, oh mein lieber Ciel!"
"Ach, was weiß so ein dummes Hasenmädchen denn?", fragte Ciel sich und vergaß die warnenden Worte des blond gelockten Hasen schnell wieder.

"Na, sieh mal einer an, wen wir hier haben", ertönte eine langsame, aber jedoch sehr genussvolle Stimme hinter Ciel. "Was ein Leckerbissen!"
Ciel drehte sich um die eigene Achse, lauschte, spähte, doch konnte nicht ausmachen, woher die Stimme kam.
"Darf ich mich vorstellen?" Aus dem Schatten trat ein Wesen, das aussah wie ein Mensch und ein Wolf.
"Nein, darfst du nicht!", sagte Ciel ruppig und wandte sich ab.
Der Wolfsmann jedoch war schneller, umfasste das Kinn Ciels und drehte ihn ruckartig zu sich herum.
"Mein Name ist Claude Faustus."
"Ich sagte bereits, dass ich das nicht wissen will!" Ciel schlug die Hand des Fremden weg. "Lass mich in Ruhe und geh deines Weges, Wolf!"
Claude überging die Worte des Jungen und beugte sich herab, um an ihm zu schnüffeln. "Ihr riecht köstlich!", merkte er an und lächelte.
"Ich sagte doch bereits, dass du mich in Ruhe lassen sollst, elendes Hundevieh!" Angewidert stieß Ciel den Wolf von sich und lief davon, wohl wissend, dass Claude ihm auf den Fersen war.
"He! Lass den Jungen in Frieden!" Ein Reh sprang aus dem Gebüsch hervor. Es war weiblich und hatte rotes Haar. Es lief neben Ciel her. "Kommt, junger Herr, setzt auf! Ich bringe Euch fort von diesem grässlichen Vieh!"
Ohne lange zu überlegen sprang der Junge auf den schlanken Rücken und ließ sich davontragen. Bald blieb der Wolf zurück und Ciel konnte ihn nicht mehr sehen. Das Reh blieb stehen und ließ Ciel herunter. "Soll ich an Eurer Seite bleiben, junger Herr?", fragte es nervös. Ciel verdrehte die Augen - was eine Vorstellung! Ein Reh als Beschützer! Und vor allem: Was würden die anderen Dorfbewohner sagen, wenn sie erführen, dass Ciel, der Bote der Königin, eine Beschützerin brauchte?
"Nein, ich brauche dich nicht an meiner Seite!", sagte der Junge schnippisch und ging weiter ohne sich nach dem Reh umzudrehen.

Doch leider kam der Junge nicht weit, ohne erneut auf ein wundersames Tier zu stoßen - und bei diesem handelte es sich nicht um einen freundlichen Waschbären, ein harmloses Eichhörnchen oder ein paar singende Vögel, nein. Es war ein Bär, ein Bär mit gierigen Augen, einem dicken Bauch und verbundenen Fell. Die Bandagen verdeckten den Großteil seines Gesichts.
"Ohhhh, seid Ihr Ciel Phantomhiveeee?", fragte er in einem eigenartigen singsang Tonfall, "ich kenne Euren Vater!"
Ciel entschied sich, auf das merkwürdige Gerede des Bären nicht einzugehen und weiter zu gehen.
"Ich habe Euch beobachtet, Ciel. Ich wusste, dass Ihr bald durch diesen Wald wandern würdet - darauf habe ich so lange gewartet!" Die Augen des Bären glitzerten. "Ich habe gewartet! Ich will Euch nun endlich essen!"
Die letzten Worte kamen bedrohlich heraus und als Ciel sich umdrehte sah er den Bären, wie er auf ihn zusprang, seine Tatzen nach ihm ausstreckte, ihn packen wollte. Ciels Augen rissen sich auf, er wich zurück - doch wusste schon, dass das nicht viel bringen würde. Er würde verschlungen werden. Zerrissen. Er riss reflexartig die Arme hoch, wollte sich schützen und rechnete damit, nun gepackt zu werden ... Aber es geschah nichts. Erst als er die Augen wieder öffnete und einen gigantischen Wolf sah, der sich schützend vor ihn gestellt hatte, begriff er, dass er gerettet worden war. Der Bär machte bedrohliche und zornige Geräusche, doch der Wolf ließ sich nicht beirren und zeigte seine spitzen Fangzähne. Ciel hätte nicht erwartet, jemals so froh zu sein, Claude zu sehen. Doch Claude Faustus war ein gefährlicher und gieriger Wolf, also sollte Ciel womöglich schnell zusehen, dass er Land gewann. Ohne sich zum Wolf umzudrehen, ging er zügig davon.
"Aber wo wollt Ihr denn hin? Und dann auch noch ohne sich zu bedanken ... Jemand sollte Euch Manieren beibringen."
Ciel erstarrte. Das war nicht Claudes kratzige, gierige Stimme, nein. Diese Stimme klang melodisch und angenehm und hinterließ ein wohliges Gefühl in seinem Körper.
Ciel drehte sich um und erblickte einen Wolf, der wieder die Gestalt eines Mannes angenommen hatte - nur die Rute und die Ohren waren geblieben. Irgendwie war er ... faszinierend. "Es scheint mir, als hättet Ihr viele Fressfeinde", sagte der Wolfsmann. Er hatte rote Augen und schwarzes seidiges Haar. Es war ein beinahe göttlicher Anblick. "Braucht Ihr jemanden, der Euch beschützt?"
Ciel schürzte die Lippen - ein Beschützer wäre natürlich nicht schlecht, änderte er seine Meinung, aber dies hier war noch immer ein Wolf. Er sollte auf der Hut sein. "Du willst mein Beschützer sein? Du, ein Wolf?", fragte Ciel argwöhnisch.
"Selbstverständlich. Wenn Ihr einen Packt mit mir abschließt, werde ich Euer Beschützer und ich werde Euch kein Leid zufügen, bis zu dem Tag Eures Todes."
Das war eine vielversprechende Aussicht. Dieser Wolf schien zu wissen, wovon er redete und war außerdem sehr attraktiv - das würde sicher noch interessant werden mit ihm. Und sollte der Wolf ihn doch verraten, so wäre Ciel es lieber, von ihm gefressen zu werden, als von Claude.
"Also gut", sagte der Junge, "lass uns einen Packt machen."
Der Packt besagte, dass der Wolf, der auf den Namen Sebastian Michaelis hörte, sein Fleisch fressen dürfe, wenn er tot ist. Im Gegenzug wird Sebastian Ciel vor Tier oder Mensch beschützen, bis dieser seinen letzten Atemzug getan hat.

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⏰ Last updated: May 02, 2020 ⏰

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Der große böse Wolf [Sebaciel] Where stories live. Discover now