1. Der Auftrag eines Fremden

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Eliza schloss ihren Rucksack, öffnete das Fenster und kletterte geschickt wie eine Katze auf den Baum davor. Die alten Äste waren stabil und würden die zwanzigjährige ohne Probleme tragen können.

Sie war schon öfters durch die Fenster von Hostels geklettert, wenn ihr mal wieder das Geld ausgegangen war, dieses Mal würde nicht anders sein. Schnell bevor einer der anderen Hostelgäste Fragen stellen konnte, verschwand sie in der Dunkelheit der Nacht.

Ihr Atem ging regelmäßig als sie die menschenleeren Straßen entlang zur Bushaltestelle lief und sich dort auf die Wartebank fallen ließ. Der Mond schien hell, die Luft war kühl. Der Sommer hatte gerade erst begonnen. Eliza strich ihre langen, schwarzen Haare nach hinten und band sie in einen Zopf. Die kurze braune Lederjacke schützte sie vor der Kälte während sie ungeduldig wartete.

Es war keine leichtsinnige Entscheidung gewesen auf die Bezahlung des Hostels zu pfeifen und sich aus dem Staub zu machen. Eliza hatte gute Gründe für ihr Verhalten. Erstens war gerade wieder eine Nachricht auf ihrem Handy eingegangen. Ein weiterer Auftrag.

Sie war eine recht gute Hackerin und liebte es Rätsel zu lösen und Verschwundene wiederzufinden. Tatsächlich hatte sie sich einen einigermaßen guten Ruf erarbeitet und verdiente damit ihren Lebensunterhalt. Der zweite Grund für ihr abruptes Aufbrechen war das fehlen ebenjenes Lebensunterhaltes. Momentan war es mit dem Geld nicht einfach. Irgendwer schien ihr die Aufträge zu klauen.

Allerdings war Mittelosigkeit nichts das Eliza fremd war. Sie hatte ihr Leben auf der Straße verbracht. Pflegefamilien oder ähnliches hielten sie nie lange. Nur um die Schule tat es ihr irgendwie leid. Sie liebte es zu lernen und in manchen Situationen, wenn die Bücherei ihr keine Antworten geben konnte, wünschte Eliza sich einen Lehrer.

Der Bus kam und mit zusammengebissenen Zähnen bezahlte sie das Kleingeld für eine Fahrt weit weg. Sie hoffte nur dieser Auftrag würde ihr zumindest ein wenig Geld einbringen und sie nicht auf dem Trockenen sitzen lassen. Seufzend entsperrte sie ihr Handy und überflog den Inhalt der Nachricht. Ihre Kleinanzeige war an Orten wie Craigslist und ähnlichem online und öfter als ihr lieb war, meldeten sich Vollidioten, die nur Blödsinn wollten. Diese Nachricht jedoch schien ernsthaft zu sein.

Ein junger Mann suchte seine leiblichen Eltern und wollte dafür ihre Hilfe in Anspruch nehmen. Ein Auftrag, der Eliza persönlich ansprach. Unbewusst fühlte sie nach dem Stück Papier, das bereits seit über zwei Jahren in ihrer Jackentasche auf ihre Aufmerksamkeit wartete. Wie immer nahm sie das Papier raus und laß die Namen zum hundertsten Mal. Cataleya und Tristan. Keine Nachnamen, keine Adresse, nichts außer diesen Namen. Laut der Krankenschwester die sie damals entbunden hatte, waren dies die Namen ihrer leiblichen Eltern. Mehr als das hatte der Staat ihr nicht geben können. Eliza hatte nicht versucht sie zu finden. Ihre Eltern hatten sie weggeworfen, warum sollte sie etwas mit ihnen zu tun haben wollen?

Mit schmerzendem Herzen steckte sie das Papier wieder ein und konzentrierte sich auf die Nachricht. Schnell tippte sie eine Antwort ein, arrangierte einen Treffpunkt und eine Zeit. Manchmal reichte es ihre Aufträge digital zu erledigen, doch in diesem Fall lagen die Dinge anders.

Ihr Klient hatte ein Dokument von seinen leiblichen Eltern und wollte dieses nicht aus der Hand geben, geschweige denn Kopien anfertigen. Eliza kümmerte es kaum, sie hatte nichts dagegen mal wieder in die Innenstadt zu kommen.

"Endstation.", sagte die elektronische Stimme des Buses und hastig stieg Eliza aus. Der Busfahrer sollte nicht auf die Idee kommen, Fragen zu stellen. Ohne lange nachzudenken, entschloss sie sich in einen Nachtklub zu gehen und dort die restlichen Stunden bis zu ihrem Auftrag zu verbringen.

Mit einigen schnellen Handgriffen, zog sie die Lederjacke und den Pullover darunter aus, offenbarte ein enges schwarzes Top. Noch ein wenig Make-up und die Haare durchschütteln und niemand würde Fragen stellen. Sie hatte dieses Spiel schon zu oft gespielt. Die Stunden in dem Club vergingen wie im Flug, während sie tanze, lachte und sich in der Musik verlor.

Die Suche nach Unsterblichkeit #Wattys20Where stories live. Discover now