1. Alex

105 16 13
                                    

Jeder wusste wie beliebt, selbstbewusst, aber gleichzeitig auch egoistisch ich sein konnte. Mit diesen Gedanken kramte ich am späten Abend meine Sachen zusammen, griff eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank und holte meine Cap aus dem Regal. Ich suchte den Haustürschlüssel, während ich mir hastig meine Schuhe anzog. Sie waren nicht mehr ganz so weiß wie zu Anfang, als ich sie gekauft hatte. Straßenschmutz und andere Verunreinigungen hatten ihre Spuren hinterlassen. 

„Ich bin weg. Wo ist der Schlüssel?", rief ich genervt in den Flur. 

„Auf dem Küchentisch", rief mein Dad mir hinterher, „wann bist du wieder zuhause?" 

Er schob sich durch die Tür, die Flur und Küche voneinander trennten. 

„Weiß nicht, mal schauen", war meine Antwort, ich hatte die Türklinke bereits in der Hand. 

„Alex tu mir einen Gefallen und komm heute bitte nicht ganz so spät nach Hause", er klang ein wenig besorgt. 

„Dad ich bitte dich, ich bin zwanzig, du brauchst mir keine Ausgehzeiten mehr zu setzen", protestierte ich und balancierte die Cap zwischen Zeigefinger und Ringfinger ehe ich sie aufsetzte. 

Hämisch grinste ich ihn an, das konnte ich gut, dieses typische „Willst-du-dich-echt-mit-mir- anlegen-Grinsen". 

„Ach komm geh", winkte mein Vater ab und ging in die Küche. 

Ich wusste, mittlerweile hatte er sein Durchsetzungsvermögen gegen mich aufgegeben. Ich tat immer so, als hätte ich null Respekt vor ihm, doch eigentlich war er die Person in meinem Leben, vor welcher ich am meisten Respekt hatte. Dies zeigte ich ihm jedoch so gut wie nie, ich hasste mich dafür, aber ich war kein Gefühlsmensch. Ich stieß die Tür hinter mir zu und setze mich in mein Auto. Ein alter schwarzer Audi, den ich mir für wenig Geld erspart hatte. „Mein Baby" dachte ich und grinste vor mich hin. Die Musik dröhnte in meinen Ohren, als ich das Gebäude mitten in einem Vorort von Brooklyn erreichte. Es war schon bereits dunkel und die silbern schimmernde Schrift des Fitnesscenters leuchtete mir in die Augen. Ich schnappte die Sporttasche von meinem Beifahrersitz und atmete die lauwarme Sommerluft ein. 

„Alex, Bruder", rief Nick mir zu, während er eine Hantel in die Luft stemmte, als wäre sie mit Federn gefüllt. 

„Nick, was machst du hier?", ich gab ihm kurz einen Handschlag und widmete mich schließlich der Tür, die im hinteren Bereich des Raumes lag. Wie immer, wenn ich durch die Tür kam, galt die Aufmerksamkeit mir. Wie sollte es auch anders sein. Großer Typ mit breiten Schultern und leichtem Sixpack, kein Wunder, dass sämtliche Mädels mit ihren gierigen Blicken an mir hafteten. Ich sonnte mich in ihrem Anblick und genoss die pure Aufmerksamkeit, die mir geschenkt wurde. Gerade als ich um die Ecke bog, hinter der die Türe zu den Umkleidekabinen und Duschen lag, rannte mir ein Mädchen in die Arme und knallte mit voller Wucht gegen mich. Erschrocken schaute sie mich an und blickte schnell betreten zu Boden. Nicht ausrasten, befahl ich mir selbst, doch ich merkte, wie sich alles in mir anspannte, und die Wut wortwörtlich zu kochen begann. 

„Mädchen mach die Augen auf oder hat deine Mutter die bei deiner Geburt vergessen!?", schrie ich sie an. Ruhe. Ein paar Leute blickten von ihren Gerätschaften auf und schauten gespannt zu uns hinüber. 

„Tschuldige", gab sie kleinlaut zurück und schenkte immer noch dem Fußboden ihren Blick. 

Ich rammte sie zur Seite, drehte mich noch einmal um und zischte ihr zu, „mach einfach deine dämlichen Augen auf." 

Ich funkelte sie wütend an und verschwand schließlich in der Umkleidekabine.



True face - Zeig dein wahres GesichtWhere stories live. Discover now