Sofort erhellte sich die Gegend um mich ein wenig und ich richtete die Taschenlampe mit einem Lächeln auf den Boden. Ich konnte keine Tasche erkennen. Ein wenig panisch richtete ich den grellen Strahl der Taschenlampe weiter weg, mal nach rechts, mal nach links. Auf einmal verharrte ich in der Bewegung. Weiter weg leuchtete etwas auf. Mit schnellen Schritten lief ich darauf zu. Tatsächlich war es meine Tasche. Der Reflektorstreifen darauf war das Leuchtende. Mit immer noch zittriger Hand hob ich die Tasche auf und umklammerte fest den Stoff. Ich hatte es geschafft.

Beim Laufen fiel mir erst wieder auf, wie fertig ich eigentlich war. Der Weg kam mir doppelt so lang wie sonst vor und ich blickte immer wieder hinter mich, um zu überprüfen, ob die Jungs nicht doch noch da waren. Aber ich hatte Glück und ich kam ohne irgendwelche weiteren Zwischenfälle zu Hause an, über eine halbe Stunde zu spät, wie ich nach einem kurzen Blick auf mein Handy feststellte.

Bevor ich überhaupt klingeln oder meinen Schlüssel aus der Tasche holen konnte, wurde auch schon die Tür aufgerissen und ich starrte erschrocken in das besorgte Gesicht meiner Mutter.

»Weißt du eigentlich, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe?«, fragte meine Mutter fast schon hysterisch und in mir kamen sofort Schuldgefühle hoch.

Ich seufzte und ging unter dem bohrenden Blick meiner Mutter in unser Haus.

»Die Carter hat heute mal wieder überzogen und dann haben wir noch kurz etwas wegen der Prüfung nächstes Jahr besprochen«, log ich und zog mir möglichst beiläufig die Jacke aus in der Hoffnung, meine Mutter würde meine Lüge nicht erkennen. Sie sah mich lange kritisch an und zog die Augenbrauen hoch, nickte dann aber zu meiner Erleichterung und ging ohne ein weiteres Wort in unsere Küche.

»Das nächste Mal schreibst du mir dann aber bitte. Ansonsten musst du gehen, wenn Schluss ist und kannst nicht mit weitertrainieren«, rief sie mir zu, als sie schon in der Küche war und ich verdrehte genervt die Augen. Immer musste sie so übervorsichtig sein, das nervte.

»Mama, ich bin kein Kleinkind mehr. Mir passiert schon nichts, wenn ich mal nicht auf die Minute pünktlich vor der Tür stehe, ohne dir dabei Bescheid gesagt zu haben«, schrie ich zurück und pfefferte meine Schuhe in die Ecke. Ich wollte jetzt einfach nur meine Ruhe und mich abduschen, das hatte ich bitter nötig.

»Räum die Schuhe richtig auf und du sagst mir ab sofort Bescheid. Punkt. Aus. Ende. Und jetzt will ich davon nichts mehr hören!«, ordnete meine Mutter in der gleichen Lautstärke an, in der ich ihr zurück geschrien hatte. Ich vernahm aus der Küche ein Klirren. Es hörte sich nach irgendwelchem Geschirr an. Ich setzte für einen Widerspruch an, schloss dann aber wieder meinen Mund. Für eine Diskussion hatte ich jetzt wirklich keine Nerven mehr. Ich nahm also meine Tasche und verschwand ohne ein weiteres Wort nach oben. Die Tür fiel hinter mir laut ins Schloss, worauf sofort eine Ermahnung meiner Mutter folgte, die ich einfach ignorierte. Dann holte ich ein gelbes Blümchenkleid und Unterwäsche aus meinem Schrank. Nachdem ich mein Zeug geschnappt und noch schnell mein Fenster gekippt hatte, lief ich mit hastigen und etwas lauteren Schritten als sonst zum Bad. Erst jetzt keimte Wut über das Zusammentreffen mit den Jungs in mir auf.

»Ich geh duschen«, schallte meine angespannte Stimme durch das Haus und ich schloss die Badezimmertür zu. Als ich mich alleine in dem kleinen Raum befand, sackte ich auf den Boden und brach in Tränen aus. Ich winkelte meine Beine an und umfasste sie mit meinen Händen. Ich konnte nicht mehr, ich wollte einfach nur noch schlafen, der heutige Tag war zu viel für mich. Ich blieb einige Minuten so sitzen, bis ich anfing, meinen Dutt aufzulösen. Immer wieder rutschte ich an einer Haarnadel ab. Nachdenklich betrachtete ich diese in meiner Hand und legte sie dann gegen meinen Willen auf das Waschbecken rechts neben mir, während ich wieder mühsam aufstand. Ich entledigte mich meiner restlichen verschwitzten Kleidung, die ihren Platz auf den kalten Fließen fand, überprüfte kurz, ob Duschgel in der Dusche war, und ging dann schließlich rein. Das heiße Wasser prasselte auf meinen Körper und ich ließ den ganzen Tag Revue passieren.

Mehr als nur extrem schüchtern | ✓Where stories live. Discover now