23.Kapitel

581 56 51
                                    

»Guten Morgen, Malena!«

Cara lief freudig über den Schulhof auf Malena und mich zu. Es kränkte mich mehr, als ich zugab, dass sie es anscheinend nicht für nötig empfunden hatte, mich auch zu erwähnen. Ich schaute auf meine türkisfarbenen Chucks. Ich sollte die beiden jetzt alleine lassen. Ich wollte nicht stören.

Cara ist mittlerweile bei uns angekommen und umarmte Malena. Die Gelegenheit nutzte ich und lief weiter Richtung Haupteingang. Malena rief mir nicht hinterher, dass ich bleiben sollte. Natürlich nicht. Ich bin schließlich gegangen, damit sie ihre Ruhe von mir hatte. Mein Herz zog sich zusammen. Ich verschwand zwischen den ganzen Schülern und betrat das Schulgebäude. In der ersten Stunde hatten wir Englisch. Das war nicht gerade mein Lieblingsfach. Vor allem nicht dieses Jahr. Mein Lehrer, also Herr Lehmann nahm mich ständig dran. Es war einfach die Hölle zumal ich in Englisch auch nicht besonders gut war. Ich betrat angespannt das Klassenzimmer, sah zu Boden und lief zu meinem Platz. Herr Lehmann war noch nicht da, zum Glück. Ich setzte mich an meinen Tisch, der immer noch der vor dem Pult war, und packte meine Englischsachen aus. Danach holte ich mein Handy aus meinem Rucksack und schaltete es, genauso wie Mobile Daten, an. Lienchen hatte mir eine Nachricht geschrieben. Sofort bekam ich ein Lächeln auf die Lippen und las sie mir durch. Als ich ihr antwortete, konnte ich aus den Augenwinkeln erkennen, dass Leon nach vorne lief. Ich beachtete ihn nicht weiter und konzentrierte mich auf die Nachricht, ein großer Fehler.

Gelächter ertönte und augenblicklich sah ich von meinem Handy auf. Das hieß nie etwas Gutes. Schlagartig fühlte ich mich unwohl. Ich wusste nicht wieso, bis ich an die Wand sah. Dort sah ich mich. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich war geschockt. Das Gelächter wurde lauter und ich verstand ein paar böse Kommentare darüber, dass mein Gesicht gerade von einer Dokumentenkamera fixiert wurde und ich somit auf der Wand abgebildet wurde.

»... bescheuerten Blick ...«

»... komplett unbeholfen ...«

»... keine Freunde hat, muss man eben gleich an das Handy ...«

Mir schossen Tränen in die Augen. Ich fühlte mich beobachtet. Kein Wunder, genau das wurde ich ja auch.

Immer noch starrte ich in mein deutlich verzweifeltes Gesicht. Wie versteinert saß ich da. Zudem sah ich noch komplett hässlich aus und dass ich alleine hier saß, machte das Gesamtbild auch nicht gerade besser. Wie peinlich das war. Das Gelächter sowie Gemurmel wurde immer lauter und ich wollte mich am liebsten in Luft auflösen. Ich war zu unfähig, um irgendetwas zu tun. Ich befand mich in einer Starre, nur Tränen liefen mir gegen meinen Willen die Wangen herab. Wann hatte es endlich ein Ende? Ich hasste mich. Ich hasste mich. Ich hasste mich.

Blitzartig wurde mir bewusst, dass sich Markus ziemlich sicher auch in diesem Raum befand. Ich wand den Blick von mir ab und drückte gleichzeitig meine Zehen in den Boden, so dass ein fast schon erlösender Schmerz auftrat. Was dachte er jetzt nur? Bereute er es nun zum hundertsten Mal, dass er mich am Hals hatte? Warum machte ich unserer Beziehung nicht endlich ein Ende, um ihm die Ruhe vor mir geben zu können? Ich war so egoistisch. Natürlich tat ich das nicht. Erstens wollte ich ihn nicht verlieren und zweitens würde ich mich sowieso nicht trauen, das zu tun. Ich konnte nicht anders, als wieder zur Wand zu schauen. Das Bild bewegte sich. Ich wurde angezoomt. Verdammt, konnte Leon es nicht einfach sein lassen? Ich wollte hier weg, so schnell es ging. Ich wollte aufstehen, den Raum verlassen. Nur kurz auf die Toilette gehen, um dieser Situation zu fliehen, aber dazu war ich nicht in der Lage. Ich wollte so sehr aufstehen, doch ich schaffte es einfach nicht. Irgendetwas hinderte mich daran. Ich wusste es selbst nicht ganz. Ich stellte meine Füße richtig auf. Der erste Schritt zum Aufstehen. Ich wollte mich erheben, ich wollte es wirklich tun, doch ich spürte die ganzen Blicke auf mir. Ich hörte den Geräuschpegel, der wegen meinem Anblick so laut war. Und ich sah aus den Augenwinkeln Leon, der schadenfroh zu mir sah. Ich konnte so nicht aufstehen. Ich. Konnte. Es. Nicht. Verdammt noch mal, selbst dafür war ich zu blöd. Wann kam endlich Herr Lehmann und erlöste mich von dieser Situation?

Mehr als nur extrem schüchtern | ✓Where stories live. Discover now