Akt IX

576 53 9
                                    

10

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

10.01.2020

Han Jisung

Getrocknete Tränen bedeckten die weichen Wangen von Jisung, während er auf die dunkle Decke über sich starrte. Er hasste es hier. Er hasste alles. Die Stille, die ihn im Moment umgab, war kaum zu ertragen. Er würde lieber nonstop Stimmen in seinem Kopf hören, damit er sich nicht mehr so allein und einsam fühlte. Er war so bemitleidenswert.

Heftig zuckte Jisung zusammen. Er war viel zu überempfindlich. Ein Zittern erfasste seinen erschlafften Körper. Die Tür seiner Zelle war zugefallen. Schritte waren zu hören, die sich seinem Bett näherten. Sollte er sich wieder in die hintersten Ecke zwängen und die Augen kräftig zu kneifen, um nichts um sich herum mehr sehen zu können?

„Du liegst ja schon wieder hier herum."

Minho's angenehme Stimme jagte Jisung einen Schauer über den Rücken. Es war eine Feststellung, die der Ältere geäußert hatte. Sie sollte wohl emotionslos klingen, aber die Anklage war deutlich hörbar. Jisung konnte es nicht ganz beschreiben, aber seit Minho ihn in die Dusche gezwungen hatte, fühlte er sich unter seinem Blick nackt. Er glaubte nichts mehr vor dem anderen verstecken zu können.

„Komm mit zum Essen."

Es war kein Vorschlag, sondern ein Befehl. Jisung wusste, dass er Minho nicht mehr hätte widersprechen können. Der Ältere hätte ihn sonst mitgezerrt oder sogar über den Boden hinter sich hergezogen. Jisung würde es Minho zutrauen. Er konnte rau und harsch sein. Er saß schließlich hier nicht umsonst ein. Soweit Jisung es beobachten konnte, nahm sich Minho oft einfach das was er gerade wollte und kümmerte sich nicht um die anderen Leute. Sein Verhalten war oft recht ruhig und er wirkte wie jemand, der viel Geduld aufbringen konnte. Trotzdem hatte Jisung schon einige Male in den eigentlich doch recht schönen Augen ein gefährliches Aufblitzen entdecken können. Manchmal agierte er lauernd wie eine Raubkatze, die nur auf ihre Beute wartete. Es war dieser kurzzeitige Killerblick, der hin und wieder in seinen Augen erschien und Jisung Angst einjagte. Befand er sich hier nicht eigentlich in der Höhle des Löwen?

Jisung wusste nicht genau, weshalb Minho in dem Gefängnis einsaß, aber er war sich bereits sehr sicher, dass Minho für den Tod von Menschenleben verantwortlich war und das nicht aus Gründen der Selbstverteidigung, wie es bei Jisung der Fall war.

Erneut zuckte Jisung zusammen. Minho's kräftige Hand hatte sich um sein schlaffes Handgelenk gelegt und zog ihn erbarmungslos hoch. Genau das hatte Jisung gemeint, Minho würde keine Widerrede zulassen. Mit einem Ruck zog der Ältere Jisung vom Bett und führte ihn hinter sich zur Tür.

„Wir setzen uns zu den anderen. Wenn dir einer zu nah kommt, musst du zuschlagen, sonst hören sie nicht auf, kapiert?", meinte Minho trocken.

Kurzdarauf hatten sie ihre Zelle verlassen. Jisung hatte Angst auf die anderen Häftlinge zu treffen. Was wäre, wenn sie ihn genauso ansehen würden wie sein widerlicher Stiefvater? Jisung würde es nicht schaffen. Es war für ihn schon schwer genug, dass Minho ihn noch verletzter gesehen hatte als sonst. Ihm war im Waschraum der Blick des Älteren nicht verborgen geblieben. Er hatte ihn deutlich in seinem Rücken gespürt, als hätte er sich hindurchgebohrt. Lüstern, und doch hatte sich Minho nicht an ihm vergriffen, was Jisung dem anderen wirklich hoch anrechnete. Sonst wäre er nun wirklich das letzte Wrack.

Sie gingen an den unterschiedlichen Zellen vorbei und betraten mit gezielten Schritten den Speisesaal, wo sich gar nicht so viele Insassen im Moment befanden. Zumindest ein kleines bisschen löste sich Jisung's Anspannung. Nervosität machte sich stattdessen in ihm breit als sie einen bestimmten Tisch ansteuerten, an welchem bereits drei Personen saßen. Kurzerhand hatte Minho ihn auf die Bank am Tisch platziert und kurz zu den anderen gesehen.

„Das sind Chan und Felix.", deutete er auf die beiden Blondhaarigen, die sich Jisung gegenüberbefanden.

„Das ist Hyunjin.", meinte Minho zu dem braunhaarigen Schönling am anderen Ende von Jisung's Bank und zeigte kurz auf Jisung selbst, „Das ist mein Zellengenosse Jisung."

Damit verschwand Minho, um ihnen scheinbar bei der Ausgabe Essen zu besorgen. Stumm musterte Jisung zuerst die beiden Häftlinge, die ihm gegenübersaßen. Sie taten es ihm gleich. Chan, der der Ältere der beiden zu sein schien, wirkte auf den ersten Blick eigentlich recht sympathisch, wären da nicht diese überdimensional geweiteten Pupillen in seinen Augen. Hatte er etwas genommen? Hier gab es doch keine Drogen? Oder konnte man irgendwie da drankommen? Jisung begriff es nicht, aber irgendwie wollte er es auch nicht begreifen. Kurz fiel sein Blick auf Felix, der lustlos in seinem Essen herumstocherte. Bei ihm fielen Jisung sofort die niedlichen Sommersprossen auf, was eigentlich recht untypisch bei den Leuten von hier war.

Eher sich Jisung weitere Gedanken über Felix machen konnte, merkte er wie jemand zu ihm herüberrutschte. Jisung sah zur Seite, wo Hyunjin sich neben ihm befand. Eine kleine Spur Wahnsinn war in seinen Augen zuerkennen und machte Jisung schon ziemliche Angst. Der Typ wirkte wie der reinste Psychopath.

„Du bist also Minho's geheimnisvoller Zellengenosse.", säuselte Hyunjin und beugte sich näher zu Jisung's Gesicht, „Ich verstehe schon, dass er so einen schönen Engel in seinen Räumlichkeiten vor den Blicken der anderen verstecken und nur für sich allein haben möchte. Er hat noch nie gerne geteilt."

Jisung wollte gerade seinen Mund aufmachen, um Hyunjin zusagen, dass er ihm nicht so auf die Pelle rücken sollte. Jedoch erstarrte er zur Salzsäule als sich eine Hand auf seinen Oberschenkel legte und langsam höher und in die Innenseiten glitt. Panik machte sich in Jisung breit, während Hyunjin leicht zu grinsen begann. Ein leises Klappern erklang plötzlich neben ihnen. Tabletts wurden auf dem Tisch abgestellt, eher sich auch schon eine flache Hand auf das Gesicht von Hyunjin presste und ihn wegdrückte. Ein erschrockener Laut verließ seine Lippen, als Minho ihn zornig von Jisung trennte und sich zwischen die beiden setzte.

„Wag es deine dreckigen Hände nochmal auf ihn zulegen.", kam es dunkel von Minho. Hyunjin verdrehte seine Augen und formte mit seinen Lippen die Worte „Teilt nicht gerne". Chan und Felix hatten mit geweiteten Augen das Spektakel angestarrt. Sie schienen Hyunjin's Aktion kaum bemerkt zu haben. Jisung starrte auf die Tischplatte vor sich und holte mehrmals tief Luft. Bloß nicht hyperventilieren, dachte er sich mit wild schlagendem Herz. Vorsichtig wurde ihm ein Tablett mit Reis und ein bisschen Fleisch zugeschoben.

„Iss. Du bist nur Haut auf Knochen.", sagte Minho und Jisung glaubte etwas anderes in der Stimme hören zu können.

Etwas Sanftes.

Law Of Total MadnessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt