Akt V

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06.01.2020

Han Jisung

Die Tage vergingen und Jisung verstand nicht, warum er nun hier war. Dieses Gefängnis war erschreckend. Er vermied jeglichen Kontakt zu Menschen und verließ die Zelle nicht. Er hatte bereits seit Tagen nichts gegessen und nur das Wasser aus dem Wasserhahn in den naheliegenden Sanitäranlagen getrunken. In die Waschräume hatte er sich nicht getraut. Er wollte nicht mit anderen ihm fremden Menschen duschen und von diesen angesehen werden. Er wollte nicht, dass jemand seinen Körper gierig anstarrte und mit ihm dasselbe tat wie sein Stiefvater. Jisung wollte die Erniedrigung und diesen Schmerz nicht nochmal spüren. Er wollte einfach gar nichts fühlen. Leider hatte er schon am ersten Tag einiges zu spüren bekommen.

Bei der Leibesvisitation war er ein wenig langsam gewesen, was einer der Wachmänner als Anlass genommen hatte ihm ins Gesicht zu schlagen und ihm in den Rücken zutreten, während er nackt vor dem Wachpersonal stehen und sich mit heißem Wasser bespritzen lassen musste. Jisung hatte sich geschämt.

Die Menschen waren gemein und herzlos. Selbst der Wachmann, -Woojin-, der ihm sein Zimmer zu gewissen hatte, hatte eher monoton gewirkt, obwohl er versucht hatte ihn vor seinem Zimmergenossen zu warnen. Jisung hatte deutlich Angst vor Minho. Der Ältere sah zwar ziemlich gutaussehend aus, aber Jisung hatte schnell bemerkt, dass er die Augen eines Jägers, -eines Killers-, hatte. Er beobachtete ihn wie ein Raubtier, während Jisung die Beute war. Bisher hatte Minho sich ihm nicht genähert, aber was noch nicht war, konnte noch werden.

Jisung zog seine Beine fest an seinen Körper und schlang seine Arme um diese. Seinen Kopf legte er auf den Knien ab. Er saß in der hintersten Ecke seines Bettes. Minho war nicht im Raum, was Jisung ein wenig beruhigte. Er spannte sich aber deutlich an, als er ein Klappern an der Tür vernahm und diese geöffnet wurde. Zu der Überraschung des unschuldigen Häftlings steckte Woojin seinen Kopf zwischen den Türspalt. Sein wachsamer Blick besah sich das Zimmer bis er auf Jisung hängen blieb.

„Komm mit.", meinte der Wachmann anordnend, „Du hast deine erste Sitzung mit Dr. Kim. Ich zeig dir den Besprechungsraum."

Normalerweise hätte sich Jisung eher langsam und schwerfällig erhoben, aber weil er Woojin nicht wirklich einschätzen konnte, stand er doch recht zügig von seinem Bett auf. Er wollte nicht nochmal Schläge kassieren. Etwas wacklig auf den Beinen verließ Jisung die Zelle und blickte zu Woojin, der ihm deutete, ihm zu folgen. Sie begaben sich durch einige Flure, die Jisung noch nie betreten hatte. Fremde Augenpaare legten sich immer wieder neugierig auf ihn. Sie liefen an dem großen Speisesaal vorbei, wo Jisung kurz Minho erblickte, welcher sich mit ein paar anderen recht jungen Häftlingen unterhielt.

Schnell lief Jisung Woojin nach, da dieser nicht stehen geblieben war, sondern einfach weiter den Weg ablief. Sie kamen vor einer Art Schleuse zum Stehen, wovor sich ein Wachmann befand. Woojin wandte sich kurz zu Jisung.

„Wenn du eine Sitzung hast oder es dir nicht gut geht und du in den Krankentrakt willst, musst du dich hier bei dem Wachpersonal melden. Sie lassen dich dann unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen in den Bereich.", erklärte dieser und sprach anschließend den anderen Wachmann an, damit dieser sie durch die Schleuse ließ. Jisung schien unter Sicherheitsstufe Grün zu fallen, weshalb er nicht mal Handschellen umgelegt bekommen hatte.

Sie gingen einen langen weißen Flur entlang und blieben vor einer Tür mit einer großen Nummer Drei stehen. Woojin musterte Jisung noch ein letztes Mal und erklärte ihm, dass er nur klopfen müsste und nach der Antwort den Raum einfach betreten durfte. Anschließend verschwand Woojin erneut mit den Worten, er hätte noch andere Arbeit zu verrichten als der Babysitter für Jisung zu sein.

Nervös und mit einer kleinen Spur Unbehagen klopfte er wie geheißen an der Tür und öffnete diese nachdem ein ruhiges ‚Herein' erklungen war. Vorsichtig schloss Jisung die Tür hinter sich und drehte sich zu dem großen Schreibtisch, an dem ein junger braunhaariger Mann saß. Er blätterte durch eine dünne Akte und trug einen schneeweißen Kittel, unter welchem er einen bordeauxroten Rollkragenpullover anhatte. Irgendwie wirkte er wie ein niedlicher Welpe, weshalb Jisung's Anspannung nachließ. Dieser Zustand hielt nur äußerst kurz an, bis der Psychologe seinen Kopf hob und zu Jisung blickte. Etwas Kühles und auch Hochnäsiges lag in seinen Augen, während ein falsches Lächeln die Lippen des anderen zierte. Jisung mochte ihn schon jetzt nicht.

„Setz dich.", ordnete der Psychologe an und deutete auf den Stuhl vor sich auf der anderen Seite des Tisches. Jisung setzte sich schnell hin und sah direkt zu seinem Gesprächspartner.

„Mein Name ist Kim Seungmin. Ich bin der Psychologe hier in Zellblock 2 und werde von nun an regelmäßig mit dir sprechen, ob du es nun willst oder nicht."

Leicht nickte Jisung. Er fand es zwar nicht sonderlich angenehm mit jemanden über seine Probleme zu sprechen, wenn man ihn dazu zwang. Genau dies schien auch Seungmin zu wissen, weshalb er seine nächsten Worte weise wählte.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass es für dich nicht leicht ist. Du kennst mich nicht und ich dich nicht. Wir sind uns gänzlich fremd. Diese Sitzungen sind zu Beginn Sicherheitsmaßnahmen, weil die Gefängnisleitung behauptet, dass man nicht früh genug damit beginnen kann die Probleme von den Häftlingen zu beseitigen.", erklärte der Psychologe und blickte Jisung ernst in die Augen, „Seien wir aber mal ehrlich... In diesem Umfeld kann man keine Probleme beseitigen. Es können nur immer mehr werden. Du, Jisung, bist einer der Fälle, die ihre eigenen Probleme mit in den Bau bringen, statt sie hier erst zu entwickeln."

„Wie meinen Sie das?", hakte Jisung ein wenig verwirrt nach. Seungmin hob leicht eine Augenbraue und schien im ersten Moment zu denken, dass der neue Häftling nicht ganz die Lage begriff.

„Dein Problem ist, dass du ein sogenannter weißer Engel bist. So bezeichnen wir hier im Gefängnis Insassen, die unschuldig verurteilt wurden. Du warst ein Opfer und nicht der Täter. Diese Last schleppst du mit dir herum und wirst sie auch nicht so schnell ablegen können. Vielleicht wirst du diesen Gedanken auch nie wieder los."

„Das klingt aber sehr hoffnungslos.", gab Jisung stirnrunzelnd von sich und versuchte seine Erinnerungen an das Geschehene zu verdrängen. Seungmin notierte sich etwas in der Akte und blickte wieder auf.

„Ich bin nicht dafür zuständig dir Hoffnung zu machen. Du bist verdammt deine nächsten zehn nutzlosen Jahre hier zu verbringen."

Law Of Total MadnessWhere stories live. Discover now