18. Gestaltenwandlerin Teil 2

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Majikku

Eigentlich wollte ich wegen dieses Rückschlags in Felicitas' Vertrauen die Faust in den Boden rammen, doch plötzlich fehlte mir auch dazu die Kraft.
Statt mich auf die Frustration zu konzentrieren, versuchte ich die Erleichterung zuzulassen, dass ich wenigstens während dem nächsten Aufsuchen einer Gestalt immerhin keine Schmerzen leiden musste - auch wenn das ein schwacher Trost angesichts der Leiden der Raubkatze war.
Also dann: Welches Tier brauchte ich als nächstes am dringendsten? Ich konnte jetzt fliegen, jagen und fliehen. Und doch wäre es mir lieber, noch eine weitere Gestalt zu besitzen, die sich gut verbergen konnte und eine natürliche Waffe besaß.
"Die wäre es dann mit einer Schlange? Sie sind nachtaktive Jäger, die sich lautlos bewegen können, Giftzähne besitzen und dennoch ganz nach Wunsch vollständig verschwinden können."
Auch wenn sie das sagte, klang Ayita, als wäre ihr diese Erläuterung unangenehm.
"Was ist los?", fragte ich, auch wenn ich mir nicht viel davon erhoffte.
Sie schnaubte, eine Mischung aus Verärgerung und Angst.
"Zu viele meiner Freunde sind schon durch hinterlistige Schlangen in den Tod gegangen.", erwiderte sie schließlich.
Ich war nicht sicher, was ich erwidern sollte. Ein 'Tut mir leid' schien so unzureichend.
Noch in diesem Zusammenhang war es mehr ein Segen, dass wir die Gefühle des anderen spüren – wenn auch nicht immer verstehen – konnten.
Die Stute verströmte unausgesprochene Dankbarkeit – jetzt konnte ich mich wieder dem Problem widmen, ohne dass eine merkwürdige Sprechpause entstand oder ich nicht einfühlsam wirkte.
"Eine Schlange, hm? Lass mich überlegen, welche Schlangen leben in Deutschland, die auch Giftzähne besitzen?"
Mir wollte einfach kein Name für das passende Tier einfallen. Aber, zum Teufel, brauchte ich überhaupt einen Namen um das Tier darzustellen? Schließlich kam es bei der Verwandlung ja vielmehr darauf an, dass Tier nachzuahmen, sich in es hinein zu versetzen und ganz in diese Rolle zu versinken. Wozu brauchte es da einen Namen? Ich hatte das Tier einmal im Zoo gesehen – Es hatte ein schönes, zickzackförmiges Muster auf einem kräftigen Körper.
Reptilien waren auf ihre eigene Art und Weise geschmeidig, aber ohne jeden Zweifel hatten auch sie eine bedrohliche Ausstrahlung - ähnlich wie Raubkatzen, nur merkwürdig bösartiger. Doch wie sich ja bereits gerade gezeigt hatte, konnte man nichts auf das äußere Erscheinungsbild geben, dann auch der edel aussehende Rotmilan hatte sich als gemeiner, brutaler Fiesling herausgestellt.
Dermaßen ermutigt schloss ich erneut die Augen und versuchte gedanklich, das gleitende Bewegungsmuster einer Schlange zu imitieren. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wohl wäre, die Zähne wie die Krallen Aus- und Einfahren zu können oder über den Geruchssinn unglaublich viel über Umgebung und Gegner zu erfahren.
Einen Moment lang geschah nichts, doch dann wurde ich kleiner, länger und hätte fast vor Überraschung geschrien, als Arme und Beine in mich hinein zu wachsen schien. Zwar hatten sich bisher meine Extremitäten im Rahmen der Verwandlung auch stark verändert - der Beleg hierfür war die Verwandlung in das Eichhörnchen - aber sie waren noch nie ganz verschwunden. Plötzlich fühlte ich mich, als hätte man mir diese de facto abgehakt und als würde ich sie nie wieder zurückbekommen. Panik stieg in mir auf, deshalb war ich erleichtert, einen Grund zu haben, den Schlangen Körper wieder zu verlassen. Darum war ich bei meiner nächsten Verwandlung auch weniger schockiert und konnte mich besser auf die Gefühle des wohl jetzt kommenden Tieres einstellen. Doch leider sollte dieses Vorhaben nicht belohnt werden.
Plötzlich schien sich ein gewaltiges Gewicht auf mich zu senken. Meine automatisch offenen Augen schien die Welt nicht nur überdimensional größer, sondern auch farbloser.
Warum mochte ich noch mal diese Welt? Warum wollte ich leben? Wie fiel kein Grund ein.
Verwirrt fuhr ich die Zunge aus und kostete Luft.
Woher kamen bloß diese Gedanken?
Die Welt schmeckte nach Mineralien, Tauwasser und Blut. Doch welchen Sinn sollte es noch haben, die offenbar erlegte Beute zu suchen? Schließlich hatte ich kein Verlangen danach, zu fressen.
Gott – welch eine zerrüttete Seele habe ich denn da schon wieder erwischt?
"Hör zu."
, begann ich vorsichtig.
Meine Zunge schoss in unerwarteter Panik wieder und wieder hinaus, doch in der Nähe konnte ich niemanden riechen, nur in weiter Ferne ein einsames Pferd. Doch das konnte ja wohl unmöglich gesprochen haben.
"Wer isssst da?", fragte die Schlange - ich erfuhr instinktiv, dass sie zur Familie der Vipern gehörte und ihr Name der einer Kreuzotter war.
Das Individuum selbst hatte jedoch noch keinen Namen an mich übertragen und hoffte, eher feindselig als verwirrt zu klingen.
"Eine Freundin."
"Icccch habe keine Freunde."
, erwiderte diese.
Vielleicht auch nicht gerade der günstigste Einstieg, aber der Einblick in eine Seele, die sterben wollte, hatte mich mehr erschüttert als ich je vermutet hätte. Also war es zu verschmerzen, Schwierigkeiten mit einer gelungenen Einleitung dieser komplizierten Situation zu finden.
Instinktiv wollte ich zuerst fragen, warum dieses Tier sterben wollte, ahnte aber, dass das nicht unbedingt zur Förderung der Situation beitragen würde.
"Ich weiß, dass hier ist alles sehr verwirrend. Um abzukürzen: Willst du mir helfen, die mörderischen Wesen dieser Welt der Gerechtigkeit zuzuführen?"
"Wieso sollte ich?"
In Gedanken öffnete ich meinen Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus.
Wie erbärmlich. Und ich sollte eine Anführerin werden, oder zumindest eine Vertreterin für das, wofür hier alle offenbar kämpften. Bisher schien ich jedoch kläglich zu scheitern: Ich hatte einfach keine schlüssigen Argumente, weder gegen das Böse noch für das Gute.
Abgesehen von nutzlosen Floskeln natürlich.
"Ehrlich gesagt brauche ich eine Hilfe. Ich will gegen die Ungerechtigkeit vorgehen, und brauche dafür so viele Körper wie möglich. Ich muss mich tarnen, jagen, verstecken und fliehen können."
Ich machte eine kurze Pause, doch das Tier reagierte nicht - gefangen in einem Käfig aus Trauer, Mutlosigkeit, Verzweiflung und Schmerz.
"Doch ich will dich nicht zu einem Leben zwingen, in dem jeder Augenblick eine Qual ist."
, fuhr ich leise fort.
Ein schwaches Gefühl von Dankbarkeit ging von der Schlange aus und ihre Gedanken an ihren Gefährten und ihre drei Jungen waren in ihrem und dadurch auch in meinem Kopf allgegenwärtig.
Mit einem Mal war sie fort, so sanft und leise wie ein Windhauch, bevor ich ihr noch irgendetwas sagen konnte und ich verwandelte mich automatisch zurück.
"Wie furchtbar...", krächzte ich zu niemand bestimmten.
Das Leben hatte mich bereits gelehrt, dass es weder Ponyhof noch Zuckerschlecken war. Doch mit dieser Realität, die mich ins Gesicht schlug, mich verhöhnte und mir den Glauben an mich selbst nahm, hatte ich nicht gerechnet.
Wieder einmal kam die Frage in mir auf, warum ich mich auf dieses wahnsinnige Unternehmen eingelassen hatte. Ein Unternehmen, bei dem andere auf meine Entscheidungen vertrauten, sich für den Kampf entschieden und damit vermutlich ihr Leben besiegelten, die sich zum Leben zwangen, weil ich es ihrem Körper befahl und ein Vertrauen in meine Fähigkeiten hatten, von dem ich nicht einmal träumen wagte. Und in der ich mich als allwissende, unfehlbare Richterin aufschwingen musste.
Diese Zweifel waren schon fast wie ein Ritual.
"Wie soll ich das nur durchstehen? Woher soll ich die Kraft nehmen? Wie soll ich die richtigen Entscheidungen treffen? Wer weiß, ob diese Schlange nicht vielleicht doch den Lebenswillen zurückerhalten hätte? Wer weiß, ob der Rotmilan noch eine Veränderung in seinem Charakter hätte bewirken können? Wer weiß denn, welche Fähigkeiten wirklich in mir schlummern und welche nur durch eine Prophezeiung herbeigewünscht werden?"
Verwirrt spürte ich, dass meine Augen und meine Nasenspitze zu brennen begannen und hinter meinen Augen Tränen aufstiegen.
Ich konnte mir nicht länger einreden, dass diese Menschen und Tiere mir nichts bedeuteten und ich sie einfach verlassen würde, sobald man mich geheilt hatte.
Zwar konnte ich mir genauso wenig einreden, dass ich die Tiere und Menschen hier inzwischen so gut kannte, hat sie mir ganz automatisch ans Herz gewachsen waren, doch es musste irgendetwas dazwischen sein.
Schon bei unserer ersten Begegnung war bereit gewesen, Elias zu schützen und hatte mich unbewaffnet in die Arme einer vor Erinnerungen verwirrten Nyoko gestürzt, wohl wissend, was sie mir mit ihren Dolchen antun konnte. Und ich hatte einiger meiner intimsten Gedanken mit der Heilerin Izanmi geteilt. Ich war sogar Aadil zuliebe erstaunlich schnell bereit gewesen, genau das hier zu tun. Meine Persönlichkeit mit den Tieren heilen - mich sogar möglicherweise davon auffressen zu lassen - um ihm und seinen Idealen beistehen zu können.
Also war ich vor allem eines: Verrückt.
Auch kein besseres Resümee als vorher, doch zumindest war ich mir etwas klarer über mich selbst.
Ich starrte noch eine Weile wie betäubt auf das schmutzige Unterholz, bevor ich es wirklich bewusst wahrnahm.
Zusammen mit dieser Wahrnehmung kehrten Kälte, Muskelverspannungen und Erschöpfung in mein Bewusstsein zurück. Aber das war vermutlich nichts im Vergleich zu den Leiden der Raubkatze Felicitas.
"Ich denke, das war es für heute.", versuchte ich ruhiger zu wirken, als ich eigentlich war.
"Du kannst wieder näherkommen. Vorausgesetzt, ich habe dich mit meinen Gedanken und denen der anderen nicht völlig verschreckt.", fügte ich den etwas lahmen Witz hinzu.
Wir beide wussten, seine Wirkung verfehlt hatte. Aber die Stute wusste auch, warum ich ihn trotzdem ausgesprochen hatte und tat mir den Gefallen, entsprechend zu reagieren.
"Ich hatte schon Angst, das Procedere würde die ganze Nacht dauern - schließlich bin ich nicht nachtaktiv."
Irgendwie passte das überhaupt nicht zu ihr, und plötzlich begann ich vor Lachen zu prusten. Die ganze Situation war einfach nur merkwürdig. Ich sprach mit einem Pferd über mein Seelenleiden, kommunizierte hauptsächlich über meine Gedanken und machte mir Sorgen darüber, wie ich am besten meine Seele - oder was auch immer es sonst war - mit einer Raubkatze, einem Windhund, einer Schlange und einem Rotmilan teilen konnte. Wobei die letzten beiden zählten ja eigentlich nicht.
Trotzdem würde mir vermutlich niemand auch nur ein Wort glauben, sollte ich jemals mit jemanden außerhalb dieser Kuppel darüber sprechen.
Wie weit war es nur gekommen, dass ich mich so weit von meiner eigentlichen Welt entfernt hatte, dass diese mich nicht einmal mehr verstehen würden?
Verdammt, düstere Gedanken kamen aber auch immer um alle möglichen Ecken und schlichen sich besser an, als Nyoko es jemals würde tun können.
Wie geplant tauchte Ayita vor mir auf und bewies damit erneut, wie wertvoll sie mir geworden war. Allein schon für die Zerstreuung der düsteren Gedanken war sie unbezahlbar.
"Wollen wir dann? Ich kann mich fast vorstellen, dass du genauso Schlaf brauchst wie ich."
Wieder begann ich zu grinsen, weil sie sich so untypisch anhörte. Mission Aufheiterung erfüllt.
Wie wir es bereits unzählige Male geübt hatten, kniete sie sich hin, damit ich die Kleider nehmen und mich anziehen konnte.
Nach einigen unangenehmen Minuten hatte ich es schließlich geschafft und zog mich auf ihren Rücken. Inzwischen merkte ich sogar selbst, dass meine Körperspannung zugenommen hatte und ich mich leichter und weiter bewegen konnte.
"Ich hoffe, du kannst mich jetzt auch wieder zurück führen. Mein Orientierungssinn ist immer noch schrecklich.", sagte ich und schaffte dieses Mal sogar ein Lächeln.
Stute schnaubte mit gespielter Empörung.
"Natürlich!"
Ich war schon fast albern, wie leicht man mich aufheitern konnte. Aber vermutlich würde das später mich daran hindern, im Laufe dieses Gemetzels - ob nun sinnlos oder nicht - nicht in Depressionen zu verfallen oder den Verstand verlieren.
Doch so sehr ich auch aufgeheitert werden wollte, konnte ich mich nicht weiter mit belanglosen Small Talk beschäftigen - die Charaktere und Geschichten der vier verschiedenen Tiere ging mir nicht mehr aus dem Kopf und hatten mich tiefer berührt, als ich es mir je hätte träumen lassen.
Wie war Alrand gestorben und wieso? Hatte Hektor eine Familie und musste ich mich darum sorgen, dass er zu naiv war? Und was war mit Faruk - war er schon immer so bösartig gewesen, oder hatte dies die Erfahrung mit dem Tod herbeigeführt? Und was hatte die Schlange so erschüttert, dass sie nicht einmal darüber nachgedacht hatte, weiter zu leben? Ich hatte ja nur ganz kurz eine Ahnung von einem Gefährten und drei Jungen bekommen, kannte nicht einmal die groben Züge ihres Schicksals.
Es klang vermessen, sich mit den Schicksalen so vieler Geschöpfe im Detail auseinanderzusetzen, doch ich fühlte mich für sie verantwortlich. Schließlich bewohnte ich ihre Körper, sie waren bereits physisch ein Teil von ihnen und auch ihre Gedanken flossen automatisch in die meinen über. Da konnte ich nicht einfach so tun, als könne ich mich von ihnen wie von jedem Menschen, der mir auf der Straße über den Weg lief, distanzieren.
Taktvoll wie bisher immer schwieg Ayita auf dem gesamten Rückweg, während ich in immer tiefere Grübeleien versank und unaufhörlich versuchte, wenigstens einigermaßen mit mir ins Reine zu kommen.

Inzwischen war es fast schon wieder Mittag, als die Stute mich aus dem Wald hinaus zurück in das Lager der Organisation führte.
"Ich muss zurück zum Zelt der Heilerin und ihr Felicitas übergeben. Kannst du mich bitte dorthin bringen?"
Doch sie hatte bereits den Weg in Richtung des Zeltes eingeschlagen und erwiderte deshalb nichts.
"War dein Ausritt erfrischend?", fragte die gerade mit schmutzigen Verbänden aus dem Zelt kommende Izanami und die ungewöhnliche Schärfe war aus ihrer Stimme verschwunden.
Ich lächelte etwas schief.
"Das war er. Mir war gar nicht bewusst, wie nötig ich Bewegung und frische Luft tatsächlich hatte."
Vielleicht übersah die Heilerin mein Unwohlsein, vielleicht hatte sie aber auch keine Zeit, sich damit auseinanderzusetzen - schließlich waren in ihrem Zelt zwei Schwerverletzte.
Kurt stand ich etwas unschlüssig vor dem Zelt, erstaunlich irritiert davon, dass sie mich nicht hereinbat.
Doch schon kam aus dem Inneren eine gereizte Stimme:
"Braucht die verehrte junge Frau vielleicht noch eine extra Einladung? Komm sofort hier rein - du bist noch lange nicht weit, dass du wieder den ganzen Tag draußen herumspazieren könntest."
Mit einem leichten Grinsen und einem kurzen Gedanken bat ich die Stute, sich hinzuknien, damit ich am Pfosten des Zeltes entlang wieder zurück hineingehen konnte.
Bevor ich auch nur das Bett wieder angesteuert hatte, begann das Huhn wieder mit seinem Gackern. Damit ging er mir erstaunlich schnell bereits auf die Nerven.
Die erschöpft wirkende Izanami ignorierte Fredolin und auch ich tat mein Bestes, mich ungerührt neben das Tier zu legen.
"Und schon wieder kann ich dich nicht zum Lächeln bringen. Dabei müsstest du doch wegen deiner Erfolge ziemlich fröhlich sein."
"Was soll das heißen?", fragte die Heilerin sofort.
"Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wovon Fredolin redet."
Er kann ja kaum gewusst haben, was ich gerade gemacht habe.
"Sie hat jetzt außerdem Kätzchen noch ein paar andere Gefährten in ihrem Körper.", meinte Fredolin fröhlich.
Ich merkte, wie ich rot anlief.
Die Heilerin sah mich streng an und mir war bewusst, wie verdächtig ich aussehen musste, also gab ich nach.
"Tja, weißt du, das ist so..."
Eigentlich hatte ich vor der Einmischung des Huhns nur vorgehabt, ihr von Felicitas' Leiden zu erzählen, doch so wäre die Erzählung zusammenhanglos und unglaubwürdig geworden, also erzählte ich alles.
Erst tobte die Heilerin:
"Ist es das, was du unter 'Ich erfrische mich und treibe durch die leichte Bewegung auf Ayita's Rücken meinen Kreislauf und meine Gesundung an' verstehst?! Ich hatte doch ausdrücklich gesagt, dass du dich nicht in neue Gefahren stürzen sollst! Weißt du, wozu ein Mensch ein Hirn statt einem Stein im Kopf hat?!"
Und auch Elias schloss sich an, mit einem Elan, wie nur er ihn bei einem Tadel aufbringen konnte.
"Weißt du, so regelmäßig, wie du Anweisungen ignorierst, frage ich mich, ob du den Titel 'Schlüssel' noch verdienst."
Ich konnte gerade noch den bissigen Kommentar herunterschlucken, dass ich sowieso keinen Wert darauf legte, objektiviert zu werden.
"Vielleicht sollten wir dich eher Gestaltenwandlerin nennen – so viele Pelze, Federn und Schuppen, wie du inzwischen trägst."
Ich lächelte still in mich hinein.
Das gefiel mir – das hatte etwas Mystisches, denn ich hatte eine besondere Fähigkeit, die momentan nur mir Verfügung stand und mich wertvoll machte. Anders als einen Schlüssel, den man jederzeit neu herstellen oder kopieren konnte.
Doch ich hatte keine Zeit, diese Kreation von Elias zu genießen, als Izanami auch schon besorgt fragte:
"Und jetzt? Wie willst du es bewerkstelligen, dass dich die Tiere nicht überwältigen? Schließlich wärst du auch fast mit diesem verrückten Rotmilan in den Tod gestürzt, den du auch noch nicht vertrieben hast. Und auch dieser Windhund könnte auch nur so tun, als würde er kooperieren, nur um dich dann in einem schwachen Moment zu hintergehen. Schließlich sind nicht alle so zu bekehren wie die Raubkatze."
"Deswegen habe ich dir das auch erzählt - ", wich ich der Frage aus.
"Felicitas ist schwer verletzt worden bei dem Versuch, unseren freien Fall aus der Luft abbremsen. Ich musste ihr versprechen, dass du sie behandeln und retten wirst. Wobei ich das sowieso in die Wege geleitet hätte.", fügte schnell hinzu.
"Du bist auch wirklich immer schnell dabei, Versprechen zu geben, bei denen du nicht zur Verantwortung gezogen wirst.", murmelte Izanami so leise, dass ich sie vermutlich nicht hatte hören sollen.
Doch gerade deswegen traf mich dieser Kommentar erstaunlich tief.
War das wirklich so? War ich so selbstgerecht?
Doch ich hatte wirklich keine Zeit, schon wieder in Selbstzweifeln zu versinken.
Nach einem kurzen Blick zur provisorischen Trennwand entkleidete ich mich erneut und begann die Verwandlung.

Zum Glück war sie abgeschlossen, bevor die Schmerzen mich übermannten und mir die Fähigkeit zum bewussten Denken raubten.

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Hier das zweite Kapitel - was sagt ihr? Ist der neue Name gerechtfertigt? Was haltet ihr davon?

Nouli

Die mit vielen NamenWhere stories live. Discover now