KAPITEL 3 | SYDNEY

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ALS DAS POLTERN und Hämmern immer lauter wird, schmeiße ich erschrocken die Decke von meinem Körper weg und bin kurz darauf sofort auf den Beinen. Der Platz neben mir ist nach wie vor leer, was bedeutet, dass Bronwyn entweder in ihrem Zimmer schläft oder diejenige ist, die diesen Lärm veranstaltet.

Meine Augen weiten sich, als es erneut an der Tür klopft. Das ist definitiv nicht Bronwyn, denn sie würde niemals so laut dabei dein, dafür ist ihr diese Tür zu heilig. Derjenige jedoch hämmert geradezu auf die Tür ein und es ist ein Wunder, dass sie unter den Fäusten nicht einbricht, denn wirklich stabil scheint sie mir nicht zu sein. Zusätzlich zu dem lauten Klopfen höre ich jetzt noch ein Ächzen und Keuchen, das mir eine Gänsehaut bereitet. Ich glaube, ich habe in meinen neunzehn Jahren noch nie so viel Angst gehabt wie in diesem Moment.

Bronwyn wird nicht wach, denn im Gegensatz zu mir kann sie ohne Probleme weiterschlafen, obwohl vor unserer Zimmertür vielleicht ein Einbrecher oder ─ schlimmer noch ─ ein Entführer steht.

Ganz langsam gehe ich auf die Tür zu, obwohl das Klopfen längst verklungen ist. Ich frage mich, wie niemand sonst im Wohnheim wach geworden ist. Es kann doch nicht sein, dass jeder einen festen Schlaf besitzt, oder?

Als erneut gegen die Tür gehämmert wird, reicht es mir. Ich nehme all meinen Mut zusammen und schnappe mir den erst besten Gegenstand, den ich finde, dann reiße ich die Tür auf und halte schützend und drohend mein ... Nudelholz. Ich halte ein verdammtes Nudelholz in der Hand, das mich weder schützen noch meinem Gegenüber drohen wird.

Vor mir steht ein Typ, so viel kann ich im Dunkeln erkennen, dann schlüpft er schon neben mir durch die Tür hindurch und schließt sie hinter sich mit einer beinahe ängstlichen Hektik. Das alles spielt sich so unglaublich schnell vor mir ab, dass ich nur perplex blinzeln kann.

Der Kerl steht mit dem Rücken zu mir. Seine Schultern heben und senken sich schnell, so als wäre er gerade eine sehr weite Strecke gerannt. Er wirkt irgendwie verzweifelt und plötzlich überhaupt nicht mehr wie ein Einbrecher oder Entführer.

Zur Sicherheit halte ich dennoch das Nudelholz in meinen Händen und starre warnend seinen Rücken an.

Er dreht sich in diesem Moment zu mir um und der ernste Gesichtsausdruck verschwindet, als er mich ansieht. Beinahe belustigt hebt er eine Augenbraue. »Willst du mich etwa damit zusammenschlagen?«

»Wenn es sein muss«, entgegne ich, ohne den Blick abzuwenden. Das würde ihm nur bestätigen, dass ich immer noch ein wenig Angst habe.

Nachdenklich legt er den Kopf leicht schief, während er einige Schritte auf mich zukommt. Ich entferne mich mit dem gleichen Abstand wieder von ihm, woraufhin er mich am Unterarm zu sich zieht und mich mit zusammengezogenen Augenbrauen mustert. Sein Griff ist so leicht und sanft, dass ich mich ziemlich einfach von ihm losmachen könnte, aber ich tue es nicht.

Ich weiß nämlich genau, wer vor mir steht.

Das ist der Typ ─ Dean Walker ─ der mir vor ungefähr zwei Wochen auf einer College-Party begegnet ist. Ich habe ihm mehr oder weniger zur Flucht verholfen und die Polizei daraufhin angelogen, als ich die Zeugenaussage machte. Das Seltsamste daran ist, dass ich ihn nicht einmal kenne. Klar, er ist mir schon vor seiner Flucht aufgefallen, weil er mich angestarrt hat und das kommt nicht wirklich oft vor. Eigentlich so gut wie nie. Er ist zwar betrunken gewesen und wäre fast umgekippt und trotzdem hat er mich angeschaut, als ... als hätte er noch nie ein Mädchen wie mich gesehen.

Dabei ist das unmöglich.

Mädchen wie mich sieht man an jeder Ecke. Ich bin ein zurückgezogener Einzelgänger, dem es schon immer schwergefallen ist, Freunde zu finden. Die meisten Leute sehen meine hellblonden Locken und stempeln mich gleich als eine unterbemittelte Blondine ab. Jungs haben mich schon immer als ›gute Freundin‹ gesehen und ich kann gar nicht zählen, wie oft ich mich schon in jemanden verknallt habe, der nicht mehr als Freundschaft von mir wollte.

Dean Walker | ✓Where stories live. Discover now