KAPITEL 7 | SYDNEY

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SEIT ACHT TAGEN habe ich nichts mehr von Dean Walker gehört.

Ich weiß sehr wohl, dass er mir keine SMS schreiben wird, in der er mich fragt, wie es mir geht. Und ich weiß auch, dass er nicht dazu verpflichtet ist, mir ein Lebenszeichen von sich zu geben, aber trotz allem ist es nicht zu viel verlangt, wenn wenigstens Gavin mir sagen würde, dass es Dean gut geht. Aber Gavin wechselt jedes Mal gekonnt das Thema, sobald ich versuche irgendetwas herauszufinden, was meiner Meinung nach einfach nur unfair ist. Hätte ich Dean der Polizei ausliefern wollen, hätte ich es längst getan. Es liegt doch auf der Hand, dass ich mir einfach nur Sorgen mache und deshalb viel zu neugierig an diese ganze Sache herangehe.

An eine Sache, die mit mir gar nichts zu tun hat und die mich genau deswegen nicht interessieren sollte, hat Bronwyn gemeint. Ich gebe ihr zu hundert Prozent recht und trotzdem fällt es mir schwer die Gedanken an Dean erfolgreich zu verbannen.

Genervt bohre ich meinen Bleistift in das immer noch weiße Blatt Papier, auf dem eigentlich bereits eine Menge Notizen über Persönlichkeitsstörungen und -entwicklungen stehen sollten. Stattdessen starrt mich das grelle Weiß fast schon an und wartet nur darauf, dass sich Dean Walker wieder in meinem Kopf breitmacht. Kopfschüttelnd lehne ich mich zurück und sehe mich auf meinem Schreibtisch um, der mit Büchern, Ordnern, Karteikarten und unzähligen Stiften gefüllt ist, die überall herumfliegen. Dieses Chaos muss ich früher oder später aufräumen.

Ich entscheide mich für später.

Also stehe ich auf, binde meine langen, verknoteten Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz und gehe mit neugieriger Miene in die Küche, in der meine Mitbewohnerin so laut singt, dass ich jeden Moment mit genervten Studenten vor unserer Tür rechne. Es riecht verdächtig nach Nudeln ─ mein absolutes Lieblingsgericht ─ und als Bronwyn fröhlich in einem Topf herumrührt und den Schöpflöffel dann als Mikrofon benutzt, kann ich das Grinsen nicht mehr zurückhalten. Sie ist vielleicht kein ganz so großer Schokoladen-Fan wie ich, aber trotzdem gerät sie schnell in ... unangenehme Situationen.

Sie wird prompt rot, als sie mich wenige Sekunden später bemerkt. »Oh, ähm, hallo Sydney. Ich hab für dich und Gavin Nudeln gemacht, genauso wie du sie magst.«

»Mit viel Käse?«

»Mit extra viel Käse.«

Ich grinse über beide Ohren. »Danke, aber wo ist Gavin? Oder hat er gesagt, wann er kommt?«

»Er wollte schon vor einer Viertelstunde da sein«, antwortet sie. Jetzt erst bemerke ich, wie zurechtgemacht sie ist. Die Haare sind ordentlich weggesteckt und das dunkelgrüne, enge Kleid mit dem passenden Schmuck sagt mir ganz genau, was Bronwyn noch vorhat, bevor sie es überhaupt ausspricht. »Rate mal, wer heute Abend mit mir ausgehen will.«

Wenn sie jetzt sagt, dass es Kolin ist, lache ich.

»Eigentlich kannst du es gar nicht erraten, weil du ihn nicht wirklich kennst. Ich ja bis heute Morgen auch nicht.«

Augenverdrehend schenke ich mir ein Glas Wasser ein. »Jetzt sag schon, wer es ist, Bron.«

»Hunter McRae.«

Ich verschlucke mich und huste mindestens dreimal, während ich sie mit großen Augen ansehe. Hunter McRae? So wie Hollyns Bruder Hunter McRae? So wie der Kerl, der Dean zusammengeschlagen hat? Dieser Hunter McRae?

Bronwyn fährt sich verlegen über die Wangen. »Okay, ich weiß, dass man über ihn nichts Gutes hört, aber ich würde mir wünschen, dass du keine Vorurteile ihm gegenüber hegst. Wir haben vorhin auf dem Campus miteinander geredet und er ist wirklich, wirklich nett. Und sieht natürlich gut aus.«

Dean Walker | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt