Mo; 10.2.2020

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Kapitel von TheThirdAngel


Dreams

Der Traum ist der beste Beweis dafür, dass wir nicht so fest in unsere Haut eingeschlossen sind, als es scheint.

~Friedrich Hebbel

Ich öffnete meine Augen und das erste, was ich sah, waren die weißen Latten meiner Zimmerdecke. Ich merkte, wie zwei einsame Tränen ein Wettrennen über mein Gesicht veranstalteten. Neue Wassertröpfchen bildeten sich und rannen aus meinen Augenwinkeln. Ich weinte. Doch wieso? Ich starrte an die Decke und vor meinem inneren Auge erschien das Bild eines Jungen. Ich begann zu schluchzen. Ich rollte mich zur Seite und krümmte mich leicht. Eine nach der Anderen tanzten die salzigen Tränen über meine Wangen. Ich sah auf meinen Wecker vor mir auf dem Nachttisch. Noch eine Minute, dann würde er klingeln. Wieso weinte ich? Ich versuchte mir die Person in mein Gedächtnis zu rufen. Ein etwas älterer, rothaariger Junge mit Sommersprossen, tiefbraune Augen und ein schweigendes Lächeln auf den Lippen. Ich hatte von ihm geträumt. Kannte ich ihn denn? Noch dreißig Sekunden blieben mir im warmen Bett. Eine letzte Träne vollendete ihren Weg bis hinunter auf das weiße Kissen, welches von den Tränen einen Fleck bekommen hatte. Ein weiteres Bild kam mir vor Augen. Der Rothaarige umarmte mich, hielt mich in den Armen, lag neben mir und streichelte mich. All das war ein Traum gewesen. Wieso war ich dann so traurig. Noch fünf...vier...drei... Wieso konnte ich mich so gut an diesen Traum erinnern? Noch zwei...eins. Ring Ring Ring Ring!

Ich erhob meinen Kopf langsam und streckte meinen Arm aus, vor zum Wecker. Nachdem ich das Geräusch abgestellt hatte, schlug ich die Bettdecke zurück. Eine Gänsehaut fuhr mir über Arme und Beine. Ich griff mir die erstbesten Klamotten aus meinem Schrank und streifte sie mir über. Dann schlurfte ich in die Küche, meine Gedanken galten weiterhin dem rothaarigen Jungen aus meinem Traum. Es war noch niemand wach, also deckte ich den Tisch. Ich suchte mir Joghurt, Obst und Müsli und setzte mich an den Tisch. Gedankenverloren machte ich mein Frühstück und aß alleine in der Küche. Immer wieder auf Neue wiederholte mein Gehirn das Gefühl, wie es war, als mich der Junge in den Armen hielt. Nein! Es war ein Traum, ich konnte es nicht wissen. Ich zwang mich, nicht wieder anzufangen zu weinen und stand auf.

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Ich saß auf der kalten Bank in dem kleinen Haltestellenhäusschen an der Kirche in meinem Dorf und wartete auf meinen Bus. Um mich herum standen und saßen die anderen Jugendlichen, die ungeduldig auf den Bus warteten. Eine Gruppe Mädchen hier und zwei rauchende Oberstufenschüler dort. Durch meinen einen Kopfhörerstöpsel drang Musik in mein Ohr. Doch nach wie vor drehte sich in meinem Kopf alles um den Rothaarigen. Ich hatte das Gefühl, dass ich von niemandem je so viel Liebe bekommen hatte, wie von dem Jungen, in dessen Armen ich mich fühlte. Die Glocken der Kirchturmuhr läuteten schallend die siebte Stunde des Tages an. Einige der Kleineren standen auf und gingen mit ihren riesigen Taschen auf den Rücken in Richtung Haltestellenschild. Auch die beiden Schüler aus der Oberstufe schmissen ihre Zigarettenstummel weg und bewegten sich auf die Straße zu. Ich stand auf und näherte mich schweigend der Menge Jugendlicher, die sich nun an den Türen des Busses scharten.

Ich schwang mich als letztes die drei Treppenstufen in den Gang hinauf und ging langsam weiter hinter in den Bus. Ich setzte mich neben einen älteren Jungen mit einer roten Mütze, der seinen Kopf gegen die Fensterscheibe gelehnt hatte und die Augen geschlossen hielt. Die Musik aus meinen Kopfhörern schien mich ganz zu umhüllen und ließ mich meinen Traum für die fünfzehn Minuten der Busfahrt vergessen

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Als ich ausstieg, erwartete mich bereits meine beste Freundin. Angelehnt an das Haltestellenschild, tippte sie auf ihrem Handy herum. Als sie mich sah, grinste sie verschlafen und kam auf mich zu. Ich steckte meine Kopfhörer in meine Hosentasche und umarmte sie. Während sie anfing über ihr Wochenende zu erzählen, hörte ich ihr schweigend zu und lief neben ihr her in Richtung Schulgebäude. Bei der Hälfte der Straße, sah ich wie auf der anderen Straßenseite zwei Leute gegen den Schülerstrom liefen. Ich ließ meinen Blick hinüber schweifen und erblickte zwei Jungen. Der Rechte kam mir seltsam bekannt vor. Ich blieb abrupt stehen, als ich den rothaarigen Jungen aus meinem Traum erkannte. Ich streckte meinen Hals und starrte den Beiden hinterher. War das der Junge aus meinem Traum? Konnte das sein? Wie wahrscheinlich war es, dass ich von jemandem geträumt hatte, der wirklich existierte? Auch er drehte sich kurz um und für einen Augenblick bildete ich mir ein, dass unsere Blicke sich gekreuzt hatten.

„Was ist?", fragte meine beste Freundin mich. Ich antwortete zögernd, immer noch den Blick auf dem roten Haarschopf: „Ach nichts...nichts."

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⏰ Last updated: Feb 12, 2020 ⏰

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