Ich konnte mich nur bedingt an meine Kindheit erinnern. Aber eigentlich machte mein Vater immer einen normalen Eindruck. Er war zwar nicht viel anwesend, weil er viel zu tun hatte.

Früher hatte ich ihn zur Arbeit begleitet, ihm geholfen. Ich wollte ja schließlich mal das Unternehmen mit ihm leiten. Das war unsere gemeinsame Zeit zu zweit.

Doch wenn man an die Spitze einer solchen Karriere kommen möchte, konnte man nicht anders als über Leichen gehen. Also im übertragenden Sinn. Man musste abgebrüht sein und konnte nicht der empathischste Mensch sein. 

Geld stand in unserer Gesellschaft nun mal über dem Wohl von einzelnen Menschen oder teilweise auch Menschengruppen. 

Aber nie im Leben hätte ich gedacht, dass mein Vater zu so etwas fähig war. Nicht mal damals, als er uns verlassen hatte. Ich dachte, wir bedeuteten ihm was. Da hatte ich mich wohl geirrt.

"Meinst du, wir können das essen?", fragte Grace leise. 

Wurden wir wohl belauscht? Beobachtet? 

"Ich weiß es nicht. Lieber nicht." Ich konnte dem Ganzen hier nicht trauen. Wenn er uns schon entführte, dann wäre er wahrscheinlich auch verrückt genug, etwas unters Essen zu mischen.

Aber ich konnte Grace verstehen. Keine Ahnung, wie spät es war, hier war ja kein Fenster, um sich zu orientieren. Doch mein Magen meldete sich, dass er Hunger hatte. Also waren ein paar Stunden vergangen, seit ich die Wohnung verlassen hatte.

Es herrschte Stille, während Grace immer noch an meinem Arm klammerte und wir an der Wand lehnten. 

Wie konnte es so weit kommen? Was war das Ziel? 

"Es tut mir leid, Claire.", nuschelte Grace. "Ich-ich hätte auf euch hören sollen." 

Ich schaute zu ihr herunter, ihr Kopf war gesunken. 

"Ist okay, Grace. Wir machen alle mal unsere Fehler.", erwiderte ich. "Es tut mir leid, dass ich mich nicht mehr darum bemüht habe, dich von Mutter wegzuholen." 

Sie schaute zu mir hoch mit Tränen in den Augen. Es brach mir das Herz, meine kleine Schwester so zu sehen. Sie hatte in ihren jungen Jahren schon so viel Scheiße erlebt. Das war einfach nicht fair. Niemand hatte so etwas verdient. Und erst recht nicht meine kleine, unschuldige Schwester.

"Ich hätte etwas sagen sollen."

"Nein, Grace. Es ist nicht leicht über so etwas zu reden. Ich hätte die Anzeichen bemerken sollen. Es war eigentlich so offensichtlich, wenn ich nur aufmerksamer gewesen wäre. Aber ich war zu sehr mit meinen eigenen dämlichen Problemen beschäftigt.", gestand ich. 

Grace drückte meinen Arm ein wenig fester und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. 

"Wenn wir hier raus sind, dann regeln wir das. Du bekommst die beste Unterstützung, die du bekommen kannst. Du wirst bei David und mir wohnen, ich bekomme das Sorgerecht für dich. Es wird alles wieder gut."

"Falls wir hier raus kommen.", murmelte Grace leise, aber ich hörte es dennoch.

Ja, falls.

Die Metalltür öffnete sich kurze Zeit später wieder mit dem lauten Knarren.

"Ach, wie rührselig. Aber jetzt mal Klartext." Unser Vater betrat wieder den kleinen Raum und setzte sich wieder auf das Feldbett wie zuvor schon.

"Was willst du?", fragte ich und richtete mich etwas von der Wand auf. Schützend positionierte ich mich etwas vor Grace. 

"Was ich schon immer wollte; Geld." Warum war das nicht verwunderlich? "Ich war ziemlich enttäuscht, als ich erfahren habe, dass du unseren Plan nicht befolgt hast, Claire.", tadelte er.

Married to the Devil's SpawnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt