Prolog

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Nicht überspringen! Wichtiger Bestandteil der Geschichte!

„Die Welt ist grausam, Cinnamon", murmelte ihr Vater und starrte gedankenverloren über die Stadt, die nur aufgrund von einigen wenigen Fackeln beleuchtet war. Kein Mond und keine Sonne hatten hier jemals ihr Antlitz gezeigt. Ihr Himmel hatte keine Sterne, zeigte kein Azurblau. Er trübte sich nie vor einem aufkommenden Sturm und keine Wolkenfetzen zogen ihre Bahnen. Ihr Himmel war eine Höhlendecke und sie verlor sich nur zu oft in den Schatten, die die Stalaktiten warfen. Ewige Dunkelheit umgab sie in der Unterwelt, der Stadt unter der Erde unter dem Bezirk Stohess.

Seufzend wandte sie sich von ihrem Vater ab und folgte seinem Blick während sie sich an die Felsformation in ihrem Rücken lehnte. „Du redest wie ein alter Mann, Papá", erwiderte sie neckend im Versuch ihn ein wenig aufzuheitern und von seinen trübseligen Gedanken abzulenken.

Seine dünnen Mundwinkel zuckten tatsächlich kurz, bevor er sie wieder zu einer schmalen Linie zusammen presste. „Das mag daran liegen, dass ich alt bin, mein Mädchen", versuchte er seine Tochter zu belehren, doch sie war bei diesem Thema unbelehrbar. Ihr Vater war nicht alt. Er war krank und verbraucht. Cinnamon konnte nicht viel mit Zahlen anfangen, konnte weder sonderlich gut rechnen, lesen, noch schreiben, aber sie wusste, dass er etwas mehr als 40 Winter erlebt hatte, vier mal soviel wie sie.

Zähneknirschend stieß sie sich wieder von der Wand ab und schulterte mehrere Taschen und Beutel, die diese Bezeichnung kaum verdienten, denn sie bestanden aus zusammengenähten Stofffetzen und sonstigem Material, das man in den Gassen des Untergrunds fand.

Sie hatten eine Pause auf ihrem Weg nach Hause einlegen müssen, denn ihr Vater wurde von einem seiner üblichen Hustenanfälle geplagt. Ein Blick auf die hagere, gekrümmte Gestalt ihres Vaters genügte ihr und sie griff kommentarlos nach seinen Taschen.

So schwer beladen rannen ihr schon nach wenigen Minuten Schweißperlen über die Schläfen und sie keuchte ehe sie hinter ihrem Vater den Trampelpfad zur Stadt hinunter schlurfte. Er hatte ihre Geste nicht mal mehr bemerkt. Allerdings konnte sie ihm dies nicht übel nehmen, denn sein verkrampfter Kiefer ließ sie darauf schließen, dass die Hustenattacke seine Schmerzen in der Brust verschlimmert hatten.

Aufmerksam sah sie sich um. Jetzt kam der gefährlichste Teil des Tages. Ihr Vater und sie verdienten ihren mageren Lebensunterhalt indem sie Erze, Kohle und Gestein in den Minen der Unterwelt abbauten. Trotz ihres jungen Alters spannten sich deshalb sehnige Muskeln über ihren Körper, der ansonsten vor Unterernährung längst versagt hätte. Diese kleinen Schätze sicherten ihnen ihre Existenz. Armut und Verelendung herrschten hier in dieser Welt und ließen ihre Bewohner vor Neid zu Tieren verkommen, die sich gegenseitig bekämpften und töteten, sollten sie einen Vorteil darin sehen.

Mit schnellen Schritten und schnell schlagendem Herzen eilte sie ihrem Vater hinterher, ihr Blick hetzte durch die Gegend wie der eines in die Enge getriebenen Tieres. Das Gewicht ihrer Dolche an ihrem Gürtel beruhigte sie nur wenig, wusste sie doch, dass sie gegen eine Gruppe von Angreifern nur wenig Chancen hatte. Doch die einbrechende Nacht meinte es gut mit ihnen, denn sie kamen dieses Mal ohne Zwischenfälle vor ihrer Haustür an.

Die zwei zusammen genagelten Bretter, die sie als Haustür bezeichneten, kratzten über die Fugen, als sie sie aufstießen. Zuhause. Ihre verkrampften Muskeln entspannten sich beinahe sofort als sie die schweren Taschen im Hauptraum fallen ließ und sich suchend nach ihrer kleinen Schwester umsah. Diese lag friedlich schlafend auf den Strohmatten in der Ecke des Raumes, die kleinen Hände fest um ihre alte Puppe geschlungen.

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen und sie fuhr sich zufrieden mit den Fingern durchs grau-weiße Haar. Heute war ein ergiebiger Tag. Er hatte sie viel Kraft gekostet, denn von Tag zu Tag musste sie mehr von der Arbeit ihres Vaters übernehmen, dessen Lungen unter dem aufkommenden Dreck und Staub beim Schürfen zu Leiden haben. Aber die Ausbeute war heute gut und sie überschlug im Kopf grob, welche Lebensmittel sie sich davon leisten konnte. Sie wollte ihrer Schwester eine Freude machen, denn diese war es, die unter ihren Lebensbedingungen am meisten zu kämpfen hatte.

Pure Souls (Attack on Titan FF)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant