24. Kapitel

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"War was zwischen dir und meinem Bruder?", platzte es plötzlich aus Lexy's Mund, während wir im Physikunterricht hockten und uns langweilten.
Erschrocken riss ich meine Augen auf und schüttelte viel zu schnell meinen Kopf. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah sie mich an.

"Habt ihr euch geküsst?", fragte sie einfach weiter.
"Nein, haben wir nicht... I-Ich mag ihn doch eigentlich gar nicht so", nuschelte ich überfordert.
"Eigentlich?"

Ich zuckte mit meinen Schultern und wickelte nervös eine Haarsträhne um meinen Zeigefinger.

"Okay, erzähl. Was ist dann passiert?"
"Naja, mir ging es nicht so gut und er wollte mich nicht alleine Zuhause lassen. Also meinte er ich könnte mit zu ihm und dort auch auf dich warten. Ich war dann ziemlich schlecht drauf und er hat mich einfach so lange umarmt, bis es mir wieder besser ging und ach keine Ahnung..viel zu viel ist passiert", murmelte ich.

Lexy musste sofort anfangen zu grinsen. Ich wollte gar nicht so genau wissen, was ihr gerade durch den Kopf ging.
"Und jetzt bist du dir nicht mehr sicher ob du ihn hassen oder mögen sollst?", fragte sie nach.
Ich nickte etwas zaghaft.

Gott, sie brachte alles durcheinander. Ich hatte mich doch entschieden, dass wir nur noch Freunde wären. Wenn ich Lexy auch noch sagen würde, dass wir uns schon geküsst hatten, dann würde sie uns niemals in Ruhe lassen. Mir war klar, dass Lexy es nur gut meinte, aber sie verwirrte mich. Timothy war für sie ihr ein und alles und wenn sie von ihm erzählte, könnte ich mich sofort in ihn verlieben. Aber das sollte ich nicht. Es wäre zu viel für mich.

Auch wenn ich ihn jetzt schon vermisste.

Wenigstens konnten wir Freunde bleiben. Das war mir mehr als nur wichtig gewesen.

Als dann endlich die Schule aus war, packte ich meine Sachen und schlenderte alleine zu meinen Spind. In Ruhe verstaute ich meine Bücher und lief dann auf den Ausgang zu. Erleichternd drückte ich die Türe auf und erstarrte dann.

Geschockt schaute ich auf die beiden und spürte wie es meinem ganzen Körper weh tat. Alles zog sich innerhalb einer Sekunde zusammen.

Als Timothy seine Lippen von dem Mädchen entfernte, trafen sich unsere Blicke.

Er zeigte mir keine Emotionen.

Ich konnte nicht sagen, ob es ihn schockte, weil ich es gesehen hatte oder ob es ihm einfach egal war.

Vielleicht hatte ich einfach die ganze Zeit recht gehabt mit ihm. Er war nichts für eine längere Beziehung.

Es enttäuschte mich nur, dass ich meinen ersten Kuss so an ihm verschwendet hatte.

Auf einmal rempelte mich ein Junge von hinten an, welcher gerade das Schulgebäude verlassen wollte. Erschrocken zuckte ich zusammen und löste mich dann von meiner Starre. Eilig lief ich an den Beiden vorbei und ging so unauffällig wie nur möglich, aber trotzdem schnell über den Parkplatz und bog dann um die nächste Ecke ab.

Erleichtert blieb ich stehen und atmete erstmal tief ein und aus.

Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und fuhr mir durch meine Haare. Wieso schockte mich das ganze eigentlich so?

Ich meine, mit sowas hatte ich doch die ganze Zeit gerechnet? Warum fühlte ich mich dann jetzt so elendig?

Meine Gedanken schweiften zu Timothy und dem fremden Mädchen. Ich stellte mir in meinem Kopf viel mehr vor, als wahrscheinlich passiert war.

Vielleicht fühlte ich mich nicht nur wegen Timothy so beschissen. Vielleicht war momentan alles zu viel für mich. Die Flucht von meinem alten Zuhause war noch nicht allzu lange her, das Wiedersehen von meinem Bruder und diese neuen Gefühle für Timothy. Das alles war für diese kurze Zeit zu viel für mich gewesen.

Ich schluchzte auf und konnte einfach nicht anders. Ich musste einfach mal weinen. Ich musste jetzt einfach mal schwach sein.

Mein Vater wäre enttäuscht wenn er mich so sehen würde.

So zerbrechlich und schwach.

Kraftlos setzte ich mich auf den Boden und zog meine Knie an mich. Mein Rücken lehnte an einer kalten Mauer und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass mein ganzer Körper glühte.

Mir schossen die Erinnerungen von meinem Vater in den Kopf. Als ich genau so mal in meinem Zimmer gehockt war. Weinend und am Boden sitzend in einer Ecke.

Er hatte mich am Arm gepackt und auf die Beine gezogen. Seine finsterer Blick brannte sich in meine Augen.

"Du bist schwach, genauso wie es deine Mutter und dein Bruder sind. Wann wollt ihr endlich begreifen, dass man mit Schwäche nicht durch's Leben kommt!? Ihr müsst stärker sein als diese grausame Welt dort draußen. Du musst stärker sein, Olivia."

Ich konnte mich noch an jedes einzelne Wort von ihm erinnern. Manchmal hatte er wirklich keine bösen Absichten gehabt. Im Endeffekt hatte er es immer nur gut gemeint, er wusste nur nicht, wie man es auch anders zeigen konnte. Er hat uns vieles mit Gewalt gelernt. Während andere Väter es mit viel Liebe und Geduld taten. Tatsächlich konnte er uns auch manchmal diese liebevolle Seite von sich zeigen. Aber auch nur wenn er zu besorgt um uns war. Ja, dann waren seine Umarmungen die Schönsten.

Manchmal fragte ich mich, ob wirklich er daran Schuld war? Schließlich wurde er genauso aufgezogen. Sein Vater, mein Grandpa war nicht anders zu ihm gewesen. Woher hätte er also wissen können, was Erziehung war?

Ach keine Ahnung. Warum dachte ich jetzt überhaupt soviel an ihn?

Die Zeiten waren vorbei und das war gut.
Auch wenn ich manchmal meinen liebevollen Vater vermisste, welcher er manchmal sein konnte.

"Liv. Was machst du denn nur?"

 Was machst du denn nur?"

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Meinung zum Kapitel?

Wie fandet ihr die kleinen Erinnerungen an ihren Vater? Interessiert es euch oder eher nicht? Soll der Vater noch eine wichtigere Rolle in dem Buch spielen?

Liest das hier überhaupt noch jemand?

Eure
Melli♡

My IdiotWhere stories live. Discover now