36. Kapitel

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Immer noch stand ich da. Mein Körper hatte an der Stelle schon Wurzeln geschlagen und mein Herz pochte so laut, dass ich Angst hatte, ganz Portland könnte es hören.

Es wurden keine Worte ausgesprochen. Das Einzige was ich wahrnahm, war der laute Regen, welcher auf uns herab prasselte.

"Olivia", kam es dann seufzend und sanft von ihm.

Das ließ mich aufwecken und da er mich immer noch fest im Griff hatte, würde wegrennen jetzt erstmal auch nichts bringen.

Also stellte ich ihm die Frage, die ich schon die ganze Zeit wissen wollte.

"Was tust du hier?"

Liebevoll und mit einem verzweifeltem Lächeln sah mich mein Vater an.

"Weil ich dich vermisst habe, meine Kleine."

Verdattert und nicht sehr glaubwürdig sah ich ihn an.

"Ich will die Wahrheit hören", blieb ich stur und bekam direkt wieder Angst es bereuen zu müssen.

"Du bist meine Tochter, meine Familie, Olivia. Ich liebe dich und durch euer Verschwinden habe ich es verstanden. Du hattest Angst. Ich wollte doch immer nur ein guter Vater sein, der seine Kinder zu großartigen Menschen erzieht. Ich wollte, dass etwas aus euch wird. Aus dir ist etwas geworden, mein Schatz. Aus Luce nicht", kam es am Schluss abwertend von ihm.

"Er hat dich alleine gelassen, dabei war er alles für dich. Ich hab dich nie alleine gelassen, mein Engel. Und ich werde dich auch nie alleine lassen. Gib mir eine zweite Chance, lass es mich wieder gut machen. Ich möchte einen Neuanfang", meinte er und wirkte ängstlich.

"Du willst einen Neuanfang und hältst mich dabei fest? Das nimmt mir nicht wirklich die Angst", krächzte ich dann mutig heraus.

Tatsächlich hob er dann seine Hand an und ließ mich los.

Ich schluckte schwer.

Sollte ich jetzt rennen? Was war, wenn er schneller reagierte als ich? Wenn er schneller rannte als ich?

Erneut fing mein Herz an zu klopfen. Adrenalin, lass mich nicht hängen.

"Ich zwinge dich zu nichts, Olivia. Du musst nicht mit mir mitgehen. Wir können uns gerne immer in der Öffentlichkeit treffen, wo du dich erst einmal wohler fühlst, ja?"

Da ich Angst hatte, was er tun würde, wenn ich ablehnte, nickte ich einfach. Das zauberte ihn ein Lächeln auf seine Lippen. Ein Lächeln, welches ich schon immer gruselig fand.

"Bekomme ich noch eine Umarmung?", schmunzelte er und breitete seine Arme aus.

Noch nie schwirrten mir so viele Entscheidungen durch den Kopf wie jetzt. Wollte ich ihn umarmen? Nein. Aber was war, wenn ich nicht wollte? Würde er austicken? Ich blieb also stehen und zeigte überhaupt keine Reaktion. Auch nicht, als er mich dann in seine Arme schloss. Meinen Kopf drückte er an seine Schulter und ich zog verwirrt meine Augenbrauen zusammen. Seine Jacke roch ganz ekelhaft. Bevor ich ihn aber noch fragen konnte, was das für ein abscheulicher Geruch war, wurde mir plötzlich ganz schummrig vor Augen. Keine Sekunde später wurde alles schwarz und es zog mir den Boden unter den Füßen weg.

Verwirrt wachte ich auf. Wo war ich?

Ich lag in einem schönen Bett, welches ganz angenehm warm war. Allerdings war mir der Geruch von meiner Umgebung definitiv unbekannt. Was war denn passiert? Jegliche Erinnerungen fehlten mir. Überfordert stand ich von diesem fremden Bett auf und steuerte auf die verschlossene Tür zu. Dem Raum gab ich keine weitere Aufmerksamkeit mehr, ich wollte nur wissen, was sich hinter dieser Tür verbarg.

Allerdings wurde ich nicht wirklich schlauer daraus. Eine weitere, mir unbekannte Umgebung, blickte mir entgegen. Nervös ging ich den Flur entlang und rief:"Mom?"

Auf einmal nahm ich laute und tiefe Schritte an einer Treppe wahr. Derjenige stampfte zu mir nach Oben und ich erstarrte, als mein Vater vor mir stand.

Plötzlich konnte ich mich wieder an unsere Begegnung nach der Schule erinnern. Er hatte mich noch umarmt und ab da fehlten mir die Erinnerungen.

"Wo bin ich?", fragte ich ihn sofort.

"Du bist umgekippt. Ich wusste nicht wohin mit dir, deshalb habe ich dich zu meiner Wohnung gebracht."

"Deiner Wohnung?"

"Ja, hier in Portland. Gefällt dir dein Zimmer?"

"Mein Zimmer? I-Ich will nach Hause", stammelte ich ängstlich.

Wo war denn mein Handy eigentlich?

"Lass uns doch noch zu Abend essen. Ich habe extra mehr gekocht. Danach kannst du gerne nach Hause. Komm schon, Olivia."

Ich hatte Angst vor ihm. Definitiv. Aber wie schon damals, war er bestimmt noch eine tickende Zeitbombe, die man lieber sanft behandelte. Also willigte ich zu dem Abendessen ein und hoffte einfach nur, dass er mich danach gehen lassen würde.

Er begleitete mich nach Unten, bis in das Esszimmer, wo bereits das dampfende Essen auf dem Tisch stand.

Unruhig und leicht zitternd setzte ich mich auf einen Stuhl, und mein Vater mir gegenüber.

"Weisst du, Olivia. Mir ist bewusst, dass ich viele Fehler gemacht habe und ich würde sie einfach zu gerne wieder gut machen wollen. Ich flehe dich wirklich an, mir nochmal eine Chance zu geben."

Nervös rieb ich mir über meine Narbe von meinem Handgelenk, welche Luce ebenfalls hatte. Mein Vater warf sofort einen Blick darauf und seufzte.

"Hat dir Luce gebeichtet, warum du diese Narbe bekommen hast?"

Überrascht hob ich meinen Blick an und sah meinem Vater gespannt in die Augen.

"Er hatte es verbockt. Luce ist mit seinen Drogen abgestürzt und ich wollte definitiv nicht, dass meine Kinder aus dem Haus gehen und sich kaputt machten. Das war ein Grund für meine Erziehung. Es war immer Luce, der mich zu all dem gebracht. Seine Taten, haben dir das weitergegeben. Und besonders diese Narbe. Er hatte etwas verbockt und hat es dir in die Schuhe geschoben. Erst im Nachhinein hatte ich erfahren, dass es seine Schuld war, dass das Bad so verwüstet war. Also habt ihr beide die gleiche Narbe bekommen."

"Es war immer Luce's Schuld."

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2. Teil der Lesenacht

Meinung?

Eure
Melli♡

My IdiotWhere stories live. Discover now