Kapitel 20: Ganze Wahrheit

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Es war ein seltsames Gefühl hier zu sein. Nicht nur, weil ich mir gerade bewusstwurde, dass ich mich tatsächlich in einer Art Paralleluniversum befand, sondern auch, weil es sich anders anfühlte, als bei einem normalen Seelensprung.

Nana hatte ja erwähnt, dass für diesen Sprung keine Freigabe erfolgt war und die eigentliche Seele dieses Körpers nicht vollständig unterdrückt werden konnte. Und genau das bemerkte ich gerade. Ich war nicht alleine in diesem Körper. Unterschwellig spürte ich Gedanken und Emotionen, die nicht die meinen waren.

Ich rieb mir meine schmerzende Schulter und machte ein paar unsichere Schritte durch die Küche. Dieser Körper war derselbe, indem ich schon einmal war und dennoch spürte ich, dass er nicht mehr konkret zu mir gehörte.

Ich amtete tief durch und versuchte mich zu konzentrieren. Ich musste die Zeit nutzen und anfangen Informationen zu sammeln. Schließlich hatte ich wegen nichts anderem diese Reise auf mich genommen. Ich schloss die Augen und dachte nach. Ich sollte wohl erst einmal systematisch das Haus durchsuchen, da ich nicht genau wusste wonach ich suchte.

Ich ging durch die Küche hinaus in den Hausflur in Richtung Treppe. Das Schlafzimmer im ersten Stock hatte mir beim letzten Mal am meisten Aufschluss gegeben. Ich setzte gerade den ersten Fuß auf die Treppenstufe, als ein Ruck durch meinen Körper ging. Emotionen, die nicht die meinen waren wallten in mir auf und signalisierten in enormer Intensität: Stopp!Ich stöhnte und fasste mir an den Kopf. Das Gefühl war unangenehm und obwohl ich keine Stimmen hörte war mir so, als hätte mir jemand das Wort ins Ohr geschrien. 

Ich setzte den Fuß wieder auf den Boden und drehte mich zögerlich um. Anscheinend hatte das Bewusstsein, dass durch meine Seele unterdrückt wurde genau verstanden, worum es hier ging. Und es gab mir einen Hinweis. Zögerlich drehte ich mich um und ging den kurzen Hausflur wieder in Richtung der Küche und des Wohnzimmers.

Ein leichtes Ziehen am Hinterkopf brachte mich zum Stehen. Ich stand direkt vor der schweren Labortür, hinter der ich das letzte Mal auf einer Bahre aufgewacht war. Zögerlich legte ich die Hand an die Klinke und spürte die Bestätigung durch meine Adern fließen.

Die Tür ließ sich genauso leicht und geräuschlos öffnen wie beim letzten Mal. Die Monitore waren ausgeschaltet und so tastete ich blind hinter der Tür nach einem Lichtschalter. Die Neonröhre an der Decke gab ein Summen von sich, nachdem sie flackernd ansprang.

Der Schreibtisch war bei weitem nicht so voll wie beim letzten Mal. Generell wirkte es so, als wurde dieser Raum eine Weile nicht genutzt. Die Papiere waren in einigermaßen ordentlichen Stapeln beiseitegeschoben und nur in der Mitte lag ein einzelner sorgsam drapierter Brief.

Ein weiterer Impuls aus meinem Inneren ließ mich näher an den Tisch herantreten. Auf dem Brief stand in meiner vertrauten Handschrift: An mein vergangenes Ich.

Ich zog scharf die Luft ein. Dort lag meine Antwort. Die Antwort auf all das worüber ich mir die letzten Monate den Kopf zerbrochen hatte. Informationen, von denen ich schon gar nicht mehr geglaubt hatte sie in Erfahrung zu bringen.

Ich starrte den Brief an, während ich mich hinsetzte und mit zitternden Händen danach griff. Ich öffnete den Umschlag und zog die zwei sauber zusammengefalteten Papiere heraus. Dann atmete ich tief durch, bevor ich sie entfaltete.

Ich weiß nicht, ob du – ich – diese Worte jemals lesen werde. Ich hatte diese Idee, dass ich es irgendwie rückgängig machen könnte. Dass ich Katsuki wie durch ein Wunder zurückbringen könnte. Wenn schon nicht in dieser Zeit, vielleicht in einer anderen. Doch ich weiß auch, dass du keinen Seelensprung mehr in diese Zeit machen kannst. Aber seien wir ehrlich: Dieses Leben ist nicht sehr lebenswert. Ohne den Menschen den man liebt und gefangen in einem grausamen System.

FUTURE ZERO (Kirishima x Bakugou)Where stories live. Discover now