Prolog: Neuanfang

1.5K 74 29
                                    

Ich starrte an die Decke des Wohnheims. Durch die Wand, an der mein Bett stand, hörte ich laute Stimmen. Ich verstand die Worte nicht, aber das Lachen und der fröhliche Tonfall verriet mir, dass die Leute auf der anderen Seite freundschaftlich beieinandersaßen und ihren Spaß hatten.

Ein weiteres lautes Lachen drang durch die Wand. Ich zog meine Bettdecke ein wenig höher und schloss seufzend die Augen. Es war bereits elf Uhr abends. Für die meisten nicht besonders spät, aber ich musste morgen früh zu meiner ersten Vorlesung und die kleine Gesellschaft nebenan hinderte mich daran meine Ruhe zu finden. Ich war es nicht gewohnt in einer lauten Umgebung zu schlafen. Erst vor zwei Tagen war ich in die Stadt und in dieses Wohnheim gezogen, um an der UA zu studieren. Aufgewachsen war ich auf dem Land, wo in der Nacht Totenstille herrschte.

Ich kniff meine Augen ein wenig fester zusammen, wie um mich selbst davon zu überzeugen jetzt endlich einzuschlafen. Als jedoch das hohe Quieken eines empörten Mädchens und anschließend neues lautes Gelächter die kurze Stille durchbrach, riss ich sie wieder auf. Seufzend schob ich die Bettdecke zur Seite und setzte mich hin. Es war aussichtslos, so würde ich niemals einschlafen können.

Tastend fuhr ich mit der Hand durch die Dunkelheit bis ich den Schalter meiner Nachttischlampe fand. Das kalte Licht blendete mich, als ich es mit einem leisen Klicken einschaltete. Zögernd schwang ich die Beine über die Bettkante. Ich sollte rübergehen und etwas sagen, oder? Aber nein. Ich wollte nicht derjenige sein, der ihr fröhliches Beisammensein so rüde störte. Ich würde mich einfach daran gewöhnen müssen.

Bei dem Gedanken versteifte ich mich ein wenig. Hatte ich mir nicht geschworen, dass mein Umzug in die Stadt ein Neuanfang für mich sein würde? Dass ich endlich meine sozialen Ängste überwinden und mich ein wenig öffnen würde? Doch jetzt saß ich hier auf meiner Bettkante. Meilenweit entfernt von meinem Zuhause. Hier, wo ich keine Menschenseele kannte. Ich sollte wirklich rübergehen. Entweder um um Ruhe zu bitten oder um mich zu ihnen zu gesellen.

Meine Finger schlossen sich um meine Bettkante. Schon allein von dieser Entscheidung würde wohl abhängen, ob mein Zimmernachbar mich mögen könnte oder ob er mich nach dieser Aktion meiden würde. Meine Hände fingen an zu schmerzen und ich löste meinen festen Griff um das Bettgestell. Das war doch albern! Wieso machte ich mir bei allem so viele Gedanken?

Entschlossen stand ich auf und ging zur Tür. Einen Moment hielt ich vor dem Spiegel inne, den ich auf der Innenseite angebracht hatte. Meine schulterlangen schwarzen Haare waren vom Bett zerwühlt und meine müden Augen waren von dunklen tiefen Ringen gezeichnet. Schnell strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und fuhr mit den Fingern hindurch. Dann griff ich entschlossen nach der Türklinke. Doch bevor ich mich tatsächlich dazu durchringen konnte hinauszugehen, hörte ich ein Klopfen, dass durch die Stille des Flures hallte.

Die Stimmen von nebenan verstummten und dann hörte ich wie im Nachbarzimmer die Tür geöffnet wurde, ein kurzes leises Gespräch und dann kehrte Ruhe ein.

Wie angewurzelt blieb ich vor meiner Tür stehen, die Hand noch immer an der Klinke. Ein anderer hatte sich beschwert. Jemand war mir zuvorgekommen. Ein Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung durchflutete mich. Erleichterung, weil jemand anderes mir diese Entscheidung abgenommen hatte und Enttäuschung, da ich schon wieder nicht selbst den Mut dazu gefunden hatte.

Zögernd ließ ich die Hand wieder sinken, als mich eine Welle des Unmutes übermannte. Dann hob ich sie wieder und starrte auf die markante 11, die auf die Innenseite meines Handgelenkes mit elektronischer Tinte tätowiert war. Elf Zukunftstage. Elf Tage, die ich zwischen die Tage meiner Gegenwart einfügen konnte. Tage, an denen ich zurückgezogen im Save Space in staatlich gestelltem Luxus verbringen konnte. Gerade schien mir das überaus verlockend.

FUTURE ZERO (Kirishima x Bakugou)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt