Zwei

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Kreischend schlug ich um mich, versuchte einen Blick auf die Person zu erhaschen, die mich ergriffen hatte.

"Lass mich los!", rief ich aufgebracht. Ich hatte keine Angst. Jedenfalls keine große. In mir tobte einfach nur eine rasende Wut. Feuer. Das war weitaus stärker als das stechende Gefühl der Panik, das mein Herz schneller schlagen ließ.

"Beruhige dich, Sophie. Beruhige dich." Das war nicht die Stimme des Mannes. Diese hier war mir nur allzu bekannt und sofort schlug mein Herz ein paar Takte höher. Vor Erleichterung. Ich drehte mich um und ließ mich in die Arme meines Gegenübers sinken, während ich mein Gesicht in seiner Brust vergrub.

"Was ist los?", fragte Mike nun sanft. Ich merkte, wie er sich umsah. Ich löste mich von ihm und blinzelte ein paar Male, bevor auch ich meinen Blick durch die Umgebung schweifen ließ. Keine Menschenseele war zu sehen. Da waren nur ich und mein bester Freund.
Der Fremde Mann, der mich vor wenigen Herzschlägen noch berühren wollte, seine Hand fest um meinen Arm geschlossen und mich zu sich gezogen hatte, war verschwunden. Nichts deutete auf das kleine Gefecht hin. Die Taten unentdeckt, die Spuren verwischt. Keine Zeugen, einzig die schmerzende Erinnerung an das Geschehene blieb.

"Ich...da war..." Verwirrt richtete ich meinen Blick wieder auf Mike und traf eine Entscheidung. Der fremde Mann schien mir nicht gefolgt zu sein. Ich hatte ihn abhängen können, seinen Fängen entwischen und dem unaufhaltsamen Schicksal, das mich noch vor wenigen Sekunden wie ein unbarmherziger Felsen zu überrollen gedroht hatte.
Erleichtert atmete ich aus.

"Vergiss es, Mike. Ich bin einfach nur froh, dass du da bist." Um die nicht ganz gelogene Aussage zu unterstreichen lächelte ich halbherzig.

"Sicher?" Er legte mir sanft eine Hand an die Wange und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, während er mich aus seinen dunklen Augen ansah.
"Du weißt, dass du mit mir reden kannst, nicht wahr?"

Ich nickte nur. Das wusste ich. Und dennoch hatte ich nicht vor, ihn damit zu belasten. Er sollte die Party doch genießen können. Also zwang ich mich dazu, noch breiter zu lächeln.

"Ich weiß, Mikey." Als er seinen Spitznamen hörte, schüttelte er lachend den Kopf, sodass seine wirren dunklen Haare meine Stirn streiften. Vorsichtig nahm ich seine Hand von meiner Wange und senkte sie. "Vertrau mir, alles ist in bester Ordnung!"

"Wenn du meinst..." Er musterte mich erneut prüfend bevor er sich geschlagen gab. "Sag mal, wo warst du? Ich wollte dich doch bei dir zuhause abholen kommen."

Ich schluckte. "Entschuldige... Ich hatte wieder Stress mit meiner Erzeugerin. In der Hitze des Gefechts habe ich mein Handy zuhause vergessen."

Seine Augen weiteten sich ungläubig. "Du bist fast eine Stunde gelaufen? Anstatt einfach dein Handy zu holen und mich anzurufen?"

Ich grinste schief und nickte.

"Sophie Johnson. Du bist echt besonders.", schleimte er dann lachend, legte den Arm  um mich und schob mich in die Richtung, aus der die laute Musik ertönte.

Grinsend warf ich ihm einen Luftkuss zu und zwinkerte bevor ich mich losriss und an ihm vorbei in Richtung des Hauses stolzieren wollte. Dabei hatte ich die Rechnung scheinbar ohne mein schmerzendes Fußgelenk gemacht. Quiekend verlor ich das Gleichgewicht, als ich erneut umknickte.

Das wars. Jetzt erfahre ich, wie gut der Boden küssen kann.

Bevor es jedoch so weit kommen konnte, spürte ich zwei Arme um meinen Körper und ehe ich mich versah, lag ich erneut in den Armen meines besten Freundes. Vorsichtig sah ich zu ihm hoch.

"Danke." Meine Stimme klang zwei Oktaven zu hoch.

Er half mir wieder auf die Beine und betrachtete mich tragisch seufzend. "Alles in Ordnung?"

GefangenWhere stories live. Discover now