Endlich zuhause

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Nie hätte ich gedacht, dass ich erst gegen Abends des folgenden Tages die Wohnung meiner Eltern, die über dem Laden liegt, betrete. Sofort steigen mir weihnachtliche Gerüche in die Nase, welche mich seufzen lassen.

„Jenna!", rufen die zwei Jungs meiner Schwester im Chor und rennen auf mich zu, als sie mich in der Tür stehen sehen.

„Hey!", begrüße ich sie und schließe sie in die Arme. Der Kleine umklammert meine Beine und der Grosse reicht mir mittlerweile bis zum Nabel. Ich streichle ihm über seinen Lockenkopf – den er von seinem Vater geerbt hat - und schaue beide lächelnd an.

„Na, wie geht's euch denn so?", frage ich lachend und höre, wie jemand mit dem Geschirr klappert. Ebenso die Stimme meiner Schwester, die sich über irgendetwas aufregt – wie immer.

„Grandmom, sieh doch!", ruft Sam – der Ältere – und winkt meiner Mutter aufgeregt zu. Sie sieht kurz hin und dann wieder weg, um dann inne zu halten und sich wieder in Richtung Tür zu drehen.

„Oh Gott!", stößt sie aus, lässt den Topf achtlos stehen und eilt auf mich zu.

„Ich ... wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht." Sie schließt mich augenblicklich in ihre Arme. Mir entgehen die Tränen nicht, die in ihren Augen schimmern, was mir die Schuldgefühle hochtreibt. Klar, ich kann nichts dafür, aber trotzdem tut es mir leid, das sie sich um mich gesorgt haben.

„Mir geht es gut, Mom", sage ich schnell und streichle ihr über den Rücken. Sie schnieft und betrachtet mich, als sie sich von mir gelöst hat. In ihrem Blick schwingt mütterliche Besorgnis, doch ihr Lächeln zeigt mir, dass sie von meinem Wohlergehen überzeugt ist. 

Dann kann ich nicht so beschissen aussehen, wie ich mich fühle, denke ich für mich.

„Darüber bin ich so froh", meint sie und bittet mich herein. Inzwischen hat mich Clay – der Kleine – losgelassen und ist zu seiner Mutter geeilt. Die mit einem Glas Wein in der Hand in der Küche steht und mit Dad über irgendetwas diskutiert.

„Seht doch, wer endlich bei uns ist!", quietscht Mom überglücklich und drückt mich noch einmal. Dad schaut mich lächelnd an und legt das Messer weg, trocknet sich die Hände und kommt auf mich zu. Auch auf seinem Gesicht kann ich Sorge erkennen, doch er hat sich schneller wieder im Griff, als Mom zuvor.

„Du siehst gut aus, mein Schatz."

„Danke, Dad. Du siehst aus gut aus", erwidere ich und schließe ihn in meine Arme. Sein Haar ist etwas grauer geworden und sein Bart etwas länger, doch es hält sich alles im Rahmen. Die Stoppeln kitzeln an meinem Kinn, als er mir einen Kuss auf die Wange drückt und mich wieder loslässt.

„Du kommst gerade recht zum Essen", meint er und zwinkert mir zu.

„Der Strom kam vor ein paar Stunden wieder, also habe ich mich sofort an die Arbeit gemacht", plappert Mom drauf los und wickelt mich sofort in die Mithilfe ein. Wo meine Schwester hin ist, weiß ich nicht, aber ich werde sie bei Gelegenheit suchen. Normalerweise ist unser Verhältnis besser, nicht immer wahnsinnig innig, aber dennoch gut. A

ber wenn sie eine ihrer Launen hat, dann ist es besser, wenn man sie in Ruhe lässt. Die Kinder spielen im Wohnzimmer – welches an die offene Küche angrenzt und mit dem Kamin warm und gemütlich wirkt. Noch immer sieht alles so aus, wie in meiner Kindheit. Die Küche ist schon etwas älter, besitzt Fronten aus Eichenholz und die braunen Griffe, verleihen dem ganzen etwas rustikales. 

Der Herd und der Backofen sind aber moderner und wurden erst vor ein paar Jahren ersetzt. Das kleine Fenster in der Mitte der Küchenfront bietet einen perfekten Ausblick auf die verschneite Strasse und ist mit den Vorhängen meiner Großmutter bestückt. Während mich Mom auf den neusten Stand in Sachen Nachbarschaft bringt, helfe ich ihr das Essen fertig zu kochen.

Falling SnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt