Alte Freunde

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Keine Ahnung, wie lange ich hier schon sitze, aber langsam tut mir der Hintern weh. Die Polsterung sieht bequemer aus, als sie in Wirklichkeit ist. Ich schaue kurz zum Empfang rüber, wo mich Charlotte noch immer mit einem abschätzigen Blick und einem überheblichen Lächeln ansieht. 

Was ich nur zurückgebe, denn am liebsten würde ich ihr noch zuwinken und rüberbrüllen, dass sie mich nicht immer anglotzen soll. Aber ich beherrsche mich, denn ich habe Klasse und beweise es, indem ich immer noch hier sitze. Obwohl schon mindestens zwei Stunden vergangen sein müssen. 

Ich überlege schon, ob ich einfach aufstehen und gehen soll, aber das kann ich nicht. Denn zum einen hätte ich dann keine Klasse und zum anderen, würde ich mich vor Charlotte – dieser Natter – blamieren und das kann und will ich nicht zulassen. Ich reibe mir den Nacken, rutsche unruhig hin und her, in der Hoffnung, dass mir der Po nicht mehr so arg wehtun würde. Doch weit gefehlt.

„Ich denke, dass könnte Ihnen helfen", höre ich eine männliche Stimme, weshalb ich erschrocken den Kopf hebe und aufschaue. 

Das zwar kantige aber doch weich wirkende Gesicht kenne ich, schießt es mir durch den Kopf, weshalb ich den Mann genauer betrachte. Und ein Blick in die unverwechselbaren blauen Augen reicht, um ihn zu erkennen.

„Bash!", rufe ich freudig aus. Wie der Blitz stehe ich auf, sodass wir fast die Köpfe an einander gestoßen hätten, wäre er nicht instinktiv nach hinten ausgewichen. Auf seiner Stirn zeichnet sich ein kleines Dreieck ab, wie immer wenn er nachdenkt.

„Jenna?", erwidert er überrascht und es klingt viel mehr nach einer Frage, als nach einer Feststellung. Doch das erinnert mich an all die Male, in denen wir als Teenager was zusammen unternommen haben. Es war jedes Mal ein Abenteuer und diese rufen Erinnerungen in mir wach, die ich schon seit einer langen Zeit vergessen hatte.

„Ja, die bin ich. Live und in Farbe", sage ich lachend und schließe ihn in eine Umarmung. Die er am Anfang noch etwas steif und unbeholfen erwidert, sie dann aber dann doch fester werden lässt. Er riecht noch immer nach Wald, was mich noch breiter lächeln lässt.

„Was ... was machst du hier? Bist du nicht in New York?" Auf seinem Gesicht bildet sich ebenfalls ein Lächeln, das seine ozeanblauen Augen zum Leuchten bringt. 

Man, er hat nichts von seiner scheuen Attraktivität verloren!

„Ich helfe meinen Eltern über Weihnachten im Geschäft", erkläre ich hastig.

„Das ist toll, ich hole noch immer jeden Freitag eine Schachtel Pralinen", meint er und reibt sich über den Arm. 

Macht er das wirklich noch? 

Früher, als wir nicht nur beste Freunde, sondern auch zusammen waren, hat er mir jeden Freitag Pralinen gekauft, die wir zusammen in seinem Baumhaus gegessen haben.

Das waren noch Zeiten, denke ich und spüre diesen sentimentalen Stich, den man immer wieder in Büchern liest. Es gibt ihn also doch ...

„Das ist wirklich süß von dir", sage ich und streiche mir das braune Haar aus dem Gesicht. Normalerweise trage ich stets einen hohen Pferdeschwanz, aber heute habe ich sie offen gelassen, was mich langsam aber sicher stört. Ich frage mich, ob ich ein Haargummi dabei habe, oder ob die im Gepäck sind, das ich im Laden meiner Eltern gelassen habe.

„Hast du Zeit, oder wartest du auf jemanden?", fragt er und sieht mich hoffnungsvoll an. Ich schaue kurz zur sauertöpfigen Charlotte rüber, die mich noch immer mit giftigen Blicken bombardiert und schüttle den Kopf.

„Ich habe Zeit." Sein Lächeln wird breiter, als er mir den Arm anbietet, bei dem ich mich einhake. Ich folge Bash – der mit richtigem Namen Sebastian heißt – in den Restaurantbereich des Hotels und frage mich, wieso er hier ist, aber das kann ich ihn ja gleich selbst fragen. 

Falling SnowNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ