Stromausfall

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Genervt drücke ich auf den roten Hörer meines Handys, als zum fünften Mal nur die Mailbox meines Vaters angeht. Und auch meine Mutter ist nicht zu erreichen, was an meinen eh schon angeschlagenen Nerven zerrt. 

Mittlerweile ist der Blizzard gut zu hören und das bedeutet, dass er schon bald über das Hotel hinwegfegen wird. Immer wieder flackert das Licht, sodass es für ein paar Sekunden lang dunkel ist. Die Gäste werden immer unruhiger, was sich auch auf mich überträgt. Ich hasse es eingesperrt zu sein, egal ob in kleinen Räumen oder in einer großen Hotellobby. 

Okay, lieber in einer großen Lobby, als in einem kleinen Raum oder so, aber es kommt aufs Gleiche heraus. Nämlich, dass ich mich wie ein Tier im Käfig fühle, unruhig auf und ab gehe und irgendwann, genau wie ein Tiger, ausraste.

„Bitte beruhigen Sie sich", höre ich die Stimme des Portiers, der mich vor weniger als einer Stunde davon abgehalten hat das Hotel zu verlassen. Eine Stunde, in der ich nicht zur Ruhe gekommen bin und in der ich vergebens versucht habe meine Eltern zu erreichen, um ihnen zu erklären, dass es mir gut geht. Sie werden sich bestimmt Sorgen machen und das will ich nicht. 

Wäre ich nur in New York geblieben.

 Dieser Gedanke schleicht sich nicht zum ersten Mal in meinen Kopf, doch dieses Mal führt er dazu, dass ich meine Chancen ausrechne, um heil zu meinen Eltern zu kommen, bis der Blizzard über uns hinwegfegt. 

Das Tosen des Windes wird zwar deutlicher, genauso wie das Flackern des Lichts immer häufiger vorkommt, aber ich könnte es schaffen. Ich bin eine schnelle Läuferin, in der Highschool war ich bei der Leichtathletikgruppe und hatte immer gute Noten. 

Das könnte mir helfen ...

„Was haben Sie vor?" 

Erschrocken bleibe ich stehen und erstarre zur Salzsäule, als ich hinter mir jemanden spüre. Ein Mann ragt über mir auf und nach der herrischen Art in seiner Stimme, weiß ich auch, um wen es sich handelt.

„Mr Gates", sage ich knapp und drehe mich langsam zu ihm um. Der Knopf seines Jacketts ist offen und gibt mir den Blick auf sein weißes Hemd frei. Die Krawatte hat er ganz weggelassen und die oberen zwei Knöpfe geöffnet, sodass ich etwas von seiner Brust erkennen kann. 

Wie sie ohne den Stoff darüber aussehen würde?

„Sie sind immer noch hier", stellt er nüchtern fest und sein Blick heftet sich an meinen. Ich halte dem stand, denn ich bin niemand der leicht aufgibt. Sonst hätte ich mein Studium schneller abgebrochen, als meine Eltern auf zehn hätten zählen können. 

Denn auch mir kam der Gedanke das ganze abzublasen, aber ich habe durchgehalten und als der Erfolg kam, motivierte es mich mehr und mehr. Sodass ich zu einer der besten in meinem Jahrgang wurde und mit Bestnoten abgeschlossen habe.

„Sonst würden Sie nicht vor mir stehen und ich wäre längst bei meiner Familie", erwidere ich mit einem sardonischen Lächeln auf den Lippen. Ein Blitzen geht durch seine Augen, was mich fasziniert. 

Wieso ist das so und was hat es ausgelöst?

„Ich dachte die leidliche Angelegenheit wäre vom Tisch."

„Dann sollten Sie Charlotte feuern, denn es war ihre Aufgabe mich loszuwerden", schneide ich ihm das Wort ab, bevor er es wieder ergreifen kann. Zuerst entgleiten ihm für eine einzelne Sekunde die Gesichtszüge, was ihn auf einmal zehn Jahre jünger aussehen lässt, doch dann fängt er sich wieder und ein Lachen hallt durch den Raum. 

Es klingt echt und der Klang des leicht heiseren Tones beschert mir eine Gänsehaut, die sich länger hält, als sie sollte.

„Der war gut. Sie haben Mumm." Er nickt anerkennend und ich verschränke die Arme vor der Brust, hebe den Kopf und schaue ihm direkt in die congnacfarbenen Augen, die geheimnisvoll funkeln. Ich will mehr über ihn erfahren. Ich möchte wissen, wo er in New York überall war, welche Cafés er bevorzugte oder ob er sich in einem schicken Apartment herumgetrieben hat, während andere ihren Jobs nachgingen. Doch mein Mund bleibt verschlossen und das ist auch gut so.

Falling SnowDove le storie prendono vita. Scoprilo ora