3 - Sinne

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Auch wenn ich nicht selbst ritt, war es eine wundervolle Art den näher rückenden Abend zu verbringen. Noah hielt mich „an der Hand", was so viel bedeutete wie: er hielt das Pferd auf dem ich saß an einem Strick.

So hatte ich umso mehr Möglichkeiten um mich herum zu schauen und alles von dem Rücken von Leia, der hellgrauen Stute, zu betrachten. Neben den schnellen Herzschlägen von uns dreien und der Pferde, hörte ich in der Ferne Autos entlangfahren und sonst die üblichen Waldgeräusche.

„Das hätten wir viel früher machen sollen!" Gab Lee preis und ritt um uns beide herum. Sie hatte früher Reitunterricht gehabt und besaß daher schon einiges an Wissen. Noah ist auf dem Grundstück aufgewachsen und ich... Ich hab mich nur vom Boden aus mit den Tieren bekannt gemacht.

Wir blieben ungefähr eine Stunde in den Feldern und mein bester Freund versuchte mir auf Leia das Reiten beizubringen, was sich als schwerer erwies als gedacht. „Die Zügel muss du etwas kürzer halten. Etwas so wie ich. - Genau." Er sprach als einziger von uns und während ich einfach seinen Anweisungen folgte, machte sich unsere Freundin auf den Weg und versuchte das unbenutzte Feld als Rennstrecke. Oder zumindest die wenigen 100 Meter, die es breit war.

Die Sonne näherte sich dem Horizont und der Himmel färbte sich violett-rosafarben. „Warte mal kurz." Noah blieb stehen und nahm den Strick ab. „Versuchen wir es mal..."
Ich trieb Leia, wie Noah es mir erklärt hatte, an und begann mit Schritt. Nach wenigen Minuten waren wir auch schon im Trab. Die Anweisungen, die ich bekam beinhalteten wie ich die Zügel zu halten hatte oder meine Körperhaltung, doch hörte er damit auch irgendwann auf als wir sein Haus in der Ferne sahen.
„Du traust dich nicht zufällig in Galopp?" Noah sah mich herausfordernd an und Lee galoppierte schon lachend zu seinem Haus. „Ich kann's versuchen, aber ich schaffe es grade mal richtig sitzen zu bleiben." Ich sah in von der Seite an und als Antwort nickte er nur kurz.
„Ist es ok, wenn ich auch schon vorreite?" Diesmal war ich es die nickte und lächelte ihm hinterher.

„Irgendwann werde ich mehr Zeit auf dem Hof verbringen", Murmelte ich zu Leia die weiter trabte. „Versuchen kann ich es aber..." Wie Noah es mir erklärt hatte, trieb ich sie an und genoss den Wind in meinen Ohren rauschen und die kurzen Momente die ich einfach nur genoss. Dann hörte ich Noah und Lee schreien als sie mich sahen und mit den Wolfssinnen verstand ich deren verzweifelten Rufe.
„Al! Schneller! Da ist was!" Bevor ich deren Durcheinander weiter verfolgte drang das Knurren mir zu Ohren und Leia fing an an den zügeln zu reißen. Ihr Buckeln machte nichts besser und ehe ich mich versah, fiel ich von ihr und sah keine Sekunde später in leuchtend grüne Augen eines Wolfes.

Ich schluckte hart und rückte immer weiter zurück. Der Werwolf folgte mir jedes Stück und irgendwann fasste ich mit meinen Händen ins Leere und fiel rückwärts in einen kleinen Wasserlauf, wodurch ich keuchte.
Ich blieb starr stehen und merkte bei längerem Betrachten einen Schimmer auf dem Fell und die gesamte Fellfärbung. „Was willst du?" Fragte ich außer Atem und schaute hektisch zu Noah, der die Pferde schnell wegbrachte, und Lee, die einfach nur schockiert mit einer Taschenlampe in die Dunkelheit vor ihr leuchtete.

„Das Kind..." Knurrte der Wolf und senkte seinen Körper etwas und spannte sich dabei auch an. Nervös blickte ich zwischen meinen Freunden und dem Tier hin und her. Noah war mittlerweile zurück und rief wahrscheinlich die Polizei und damit auch einen Rettungsdienst und weitere Einheiten. Er drückte Lee einen Besen in die Hand und nahm die Taschenlampe selber um vorsichtig, dicht von ihr gefolgt, näher zu kommen. „Bleibt da!" Rief ich panisch, als der Wolf seinen Blick auf die beiden richtete.

Meine Sinne schärften sich innerhalb von einem Augenblick um das Vielfache und Gerüche sowie Geräusche und noch vieles mehr strömte auf mich ein. „Das werdet ihr nicht bekommen", flüsterte ich und drehte meinen Kopf von meinen Freunden weg. Sie dürfen mich nicht so sehen... Dachte ich nur und versuchte langsam aufzustehen. Das riesige Geschöpf trat einen Schritt zurück und ließ mich machen.
„Bleibt da. Ruft Cornelia an und bleibt bitte weg!" Flehend sah ich auf den Boden und spürte wie mein Körper bebte.

„Der Kodex besagt es. Verstimme deine Eltern nicht ein weiteres Mal, Tíre." Um mich herum hörte ich tiefes Knurren und auch der Wolf in mir war nervös und auf einen Rückzug vorbereitet als auch angriffslustig und drohend, den vor mir anzufallen.
Die Zeit verging viel zu langsam, ich fiel auf den Boden und schnaufend unterdrückte ich den Vorgang des Mondes beherrscht - mich zu verwandeln.
„Tu es doch endlich. Ihr werdet euch wieder wir ein richtiger Wolf fühlen. Ihr werdet eure Eltern wiedersehen und euch ihnen stellen können."
„Nein!" Rief ich und zuckte auf dem Boden umher, zwischen der menschlichen Gestalt und der des in mir lebenden Tieres hin und her gerissen.

„Alisa! Geht es ihr gut?-" Die dumpfe Stille wurde von Noahs panischem Gefrage unterbrochen der anscheinend herum lief und nicht zur Ruhe kommen konnte.
„Seid Ihr in Ordnung, Fao?" Immer mehr Namen hallten durch meinen Kopf, welcher kurz vor dem explodieren zu sein schien. Langsam kamen meine Sinne einer mach dem anderen zurück. Zuerst mein Gehör, da ich alles hörte - wenn auch zu viel für den Moment. Danach mein Tastsinn, mit welchem ich nur schwach den Boden unter mir und die leichte Wärme um mich herum wahrnehmen konnte. Mein Geruchssinn ließ mich den Wald, die Tiere und die über mich gebeugte Person riechen. Neben dieser Person waren noch viele mehr anwesend, doch war mir diese Person am nächsten. Der Geruch ließ Panik und gleichzeitig Ruhe in mich einkehren und augenblicklich kam das Gefühl zurück, als ich zwischen der Wolfsgestalt und der menschlichen Gestalt feststeckte.
Zuletzt öffnete ich meine Augen und atmete im gleichen Moment erschrocken ein und hustete die frische Luft gleich wieder aus. Nur meine Stimme blieb weg. Als hätte mir jemand die Kehle zugeschnürt kamen nur Würggeräusche heraus und ein schweres Atmen.

~

MondkindWhere stories live. Discover now