Himmelsfarben und wahre Worte

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Der Himmel erstrahlte in tausend Farben. Er war blauer als der blaueste Anblick des Ozeans, röter als der von sonnengeküsstem Tau besprenkelte Mohn im Sommer, quittengelber als die fleißigste und fetteste Biene, grüner als das frischeste, weichste Moos auf einer weiten Waldlichtung. Und noch in jeder anderen Farbe, die es unter der Sonne zu finden gab.

»Wow«, entglitt es Colour. Die Gefühle, die bei diesem Anblick durch ihr Herz streiften, waren so unbeschreiblich und tief glücklich, dass sie es selbst kaum fassen konnte. Dafür hatte sich all das fast gelohnt.

»Hab ich zu viel versprochen?«, fragte Shade und lehnte sich bei diesem Satz genüsslich nach vorn. Obwohl er diesen Orgasmus aus Farben schon kannte, sprengte unendliche Freude durch seine Adern, im Rhythmus seiner Venen zirkulierend. »Wir teilen eben mehr ...«

»... als die Absonderlichkeit unserer Namen. Wir teilen Erinnerungen, Geheimnisse und Leben. Das Vergangene, Das Gegenwärtige und Das Zukünftige. Groß geschrieben«, beendete Shadow die Rede seines Bruders und verdrehte die Augen. »Wir kennen das jetzt mittlerweile, Bro.«

Shade lachte. »Hab ich das wirklich schon so oft gesagt?«

Colour, der die wahnsinnige Bewunderung, die dieses Farbenspiel in ihr auslöste, schon fast peinlich war, fügte ein: »Nur bei jedem Geburtstag, Weihnachten, Ostern und Thanksgiving seit wir zwölf geworden sind. Und ein paar anderen Gelegenheiten. Hast du das nicht sogar gebracht als Shadow das erste Mal warmen Schokokuchen mit Vanilleeis gegessen hat?«

»Hey, das war ein wichtiges Ereignis!«

Shade, Colour und Shadow. Drei, die schon immer zusammengehörten, obwohl sie so viel unterschied. Shadow war der jüngste, ziemlich genau zwei Minuten und siebenunddreißig Sekunden jünger als Colour und sieben Minuten und achtundfünfzig Sekunden jünger als Shade. Ihre ungewöhnlichen Namen verdankten sie ihrer Mutter Jane, die sie ihnen wiederum aus drei Gründen gegeben hatte (eins für jedes ihrer Babys, wie sie heute gern sagte). Nämlich a), dass sie sich den Nachnamen Art teilten und jeder ihrer Namen auf Kunst hindeutete. Colour war die Farbe, die auf die schneeweißen Wände gepinselt wurde, um sie mit Magie zu füllen, Shade stand für die Nuancen, die den Bildern Tiefe verliehen und sie so facettenreicher machten. Und Shadow schließlich war der Schatten, der dem Kunstwerk erst wirkliches Leben verlieh. b) waren zusätzlich zu diesem ungewöhnlichen Nachnamen (oder vielleicht genau deswegen) Jane und ihre Vorfahren so weit man sich erinnern konnte Künstler gewesen. Seit sich das Rad der Zeit drehte, war da immer ein Art gewesen, der sich darauf verstand, die Zeit so festzuhalten und auf einer Leinwand umzuschreiben, wie es ihm gefiel. Und c) hatte Jane sich selbst ihr Leben lang einen außergewöhnlicheren Namen gewünscht. Auf der Schule hatte es allein in ihrem Jahrgang drei andere Mädchen gegeben, die das Synonym ihrer Person trugen. Vielleicht hatte sie deshalb einen Mann namens Cook geheiratet und den Künstlernamen Ava Faith angenommen.

»Natürlich war es das«, sagte Shadow und in seiner Stimme schwang der Sarkasmus mit wie eine eigenwillige Melodie. Er war von magischen Momenten, Gedichten und Büchern längst nicht so leicht zu beeindrucken wie seine Geschwister. Der Anblick dieser Farbexplosion und wie die Drillinge hier auf der Motorhaube von Shades klapprigem Volvo saßen, öffnete sein Herz nun doch ein für ihn weites Stück, aber er versuchte es so gut wie möglich herunterzuschlucken. »Und du bist wirklich sicher, dass wir verwandt sind? Manchmal hasse ich diesen sentimentalen Shit wirklich, Shade.«

Colour und Shade kannten ihren Bruder. Er suchte ständig streit und meistens gingen sie ihm bereitwillig in diese Falle aus Beleidigungen und sinnlosen Argumenten. Doch jetzt waren sie gewillt, es zu ignorieren. Sie wussten, dass er es nicht so meinte.

Eine Weile betrachteten die drei einvernehmlich den Himmel.

»Dieses Ereignis ist aber wirklich etwas Besonderes«, murmelte Shade irgendwann. »Immerhin hat es auch mit unseren Namen zu tun. Es ist also ein Fass ohne Boden. Wir teilen wirklich die Absonderlichkeit unserer Namen und das hier, aber mit einem zusätzlichen Verweis auf unsere Namen, also ...«

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