Kunst

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Unten angekommen hörte ich schon zwei Stimmen, die sich angeregt miteinander Unterhielten. Durch die geschlossene Tür konnte ich allerdings nicht hören um was es in dem Gespräch ging.
Unschlüssig ob ich einfach eintreten sollte oder doch lieber klopfen, blieb ich davor stehen.

„Geld spielt keine Rolle!"

Ich hatte mich dazu entschieden einfach ohne zu klopfen reinzugehen, es ging ja schließlich um mich, um meine Zukunft, also konnte mir wohl keiner verbieten rein zu gehen.

Nick stand nach vorne gebeugt vor einem Holzschreibtisch und hatte seine Hände auf dem Tisch abgestürzt. Er wirkte verärgert und wütend, während er den Mann, der gegenüber des Tisches saß, musterte.
„Und ich habe dir schon das letzte Mal gesagt, dass es so nicht weitergehen wird!"
Der Mann war aufgestanden und wirkte genauso verärgert wie Nick.
Mit seiner tief sitzenden Baggy Hose und seinem ' Vans of the Wall' T-shirt, wirkte er allerdings weniger bedrohlich.
Seine dunkel braunen Haare standen in alle möglichen Richtungen von seinem Kopf ab, die typische >bin gerade erst aufgewacht< Frisur, von fast allen Männern.
Für einen Moment fragte ich mich ernsthaft ob wir hier richtig waren, unter einem Spezialisten für gefälschte Ausweise, stellte ich mir einen alten schmierigen Typen vor, der den ganzen Tag nichts anderes macht und nicht jemanden wie ihn hier.
Der Mann wirkte so alt wie ich, 20.. vielleicht 25. Es fiel mir schwer mir vorzustellen, meine Zukunft in die Hände von so jemandem zu legen.

„Also gut, Nikolaj. Ein letzter Auftrag. Über das Geld sprechen wir später, aber jetzt solltest du mir deine neue Bekannte vorstellen! " grinsend drehte sich der Kerl zu mir um und musterte mich eingehend.
Auch Nick drehte sich zu mir und deutete einladend auf den Stuhl, der sich neben ihm befand.
„Du bist ja doch runter gekommen." meinte er spöttisch, lächelte dabei jedoch leicht.
Schulter zuckend nahm ich Platz und erwiderte zuckersüß: „Ich konnte ja nicht zulassen, dass du meinen Pass verpfuscht."

Seine Augen verengten sich leicht, doch ein lautes Lachen gegenüber des Tisches ließ seine Aufmerksamkeit schnell wieder zu dem Mann wandern.
„Ich mag sie jetzt schon!" immer noch lachend sah der Mann mich interessiert an „Also sag mir, wie kann ich dir helfen?"
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht erklärte ich ihm was genau ich mir vorstellte.
Wie ich heißen wollte und wo ich gerne leben würde.
Es war sehr einfach ein Gespräch mit ihm zu führen. Trotz seines jungen Alters, hatte ich das Gefühl er wisse genau was er tat.
Aufmerksam notierte er sich alle wichtigen Daten und schlug mir sogar Dinge vor, die man verbessern könnte um es später zu vereinfachen.
Auch Nick entspannte sich von Minute zu Minute mehr und schon bald hatten wir alles nötige Besprochen.

Nach einer Weile führte er uns in den hinteren Teil des kleinen Kellerabteiles.
Dort stand ein riesiger Greenscreen, vor dem ein Stuhl platziert worden war.
Wir veränderten immer wieder meine Frisur und meine Mimik. Natürlich durfte ich nicht lächeln oder ähnliches, aber ich musste dafür sorgen nicht gleich erkannt zu werden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir fertig und betrachteten alle Skeptisch das Resultat der Bilder.
Auf einigen wirkte ich viel älter als ich eigentlich war, das kam mir gelegen, denn auf meinem neuen Ausweis war ich 27.
Mit meinen 20 Jahren wäre es schwierig gewesen, allein in ein fremdes Land zu fliegen, denn in einigen Ländern war man erst mit 21 Volljährig.
Zufrieden mit dem Ergebnis entschieden wir uns für ein Bild und druckten es aus.

Etwa zwei Stunden später saß ich auf einem sehr gemütlichem Sofa, mit einer Tasse Kaffee in der Hand und studierte ein Motorsport Magazin.
Ich interessierte mich nicht wirklich für Autos, aber es war das einzige Magazin, dass sich hier befand.
Die Männer hatten sich in einen separaten Raum zurück gezogen um das geschäftliche zu Besprechen.
Nick hatte beschlossen, dass solche Gespräche nicht für Frauen geeignet wären und mich hier allein gelassen. Wahrscheinlich hätte ich beleidigt über eine solche Aussage sein sollen, aber stattdessen hatte ich mich schulterzuckend auf das Sofa fallen lassen und meine Beine ausgestreckt.
Sein Bekannter, dessen Namen ich noch immer nicht wusste, hatte mir daraufhin eine Tasse Kaffee und die Zeitschrift gebracht und mich entschuldigend angesehen.
Also saß ich jetzt hier und studierte die Zeitung..

.. aufgestellten Rekord für das weltweit schnellste straßenzugelassene Auto behalten. 457,2 km/h bzw. 277,9 mph schaffte der 1.176 PS starke Agera RS am 4. November 2017 auf einem abgesperrten Highway im US-Bundesstaat Nevada. In der absoluten Spitze fuhr er gar 457,9 km/h schnell.

Gähnend legte ich das Magazin zur Seite, es war mir eigentlich ziemlich egal wie schnell ein Auto fahren konnte. Wichtig war, dass es mich sicher von A nach B brachte.
Mein Dad war früher begeisterter Formel 1 Zuschauer und ein paar mal musste ich mich mit ihm vor dem TV im Wohnzimmer setzten um es gemeinsam zu schauen. Meine Mutter hatte sich schon frühzeitig davon befreien können und immer wieder die Ausrede gebraucht, kochen zu müssen. Schon damals konnte ich nie verstehen warum man sich freiwillig Autos anschaute die immer wieder wie die blöden im Kreis fuhren und das ganze auch noch spannend fand.

Nach einiger Zeit waren die beiden Männer immer noch nicht zurück und ich fing an mich zu langweilen, also beschloss ich mich etwas umzusehen.
Viel gab es nicht, der Raum war klein.
In der Mitte des Raumes befand sich der Holztisch auf dem einige Dokumente lagen.
Ich wollte nicht schnüffeln, aber neugierig war ich schon, also warf ich einen kurzen Blick auf die Papiere auf dem Tisch.
Das meiste davon waren irgendwelche alten Steuerunterlagen. Ein gerahmtes Bild, auf dem drei Kinder zusammen um die Wette strahlten befand sich auch darauf. Er hatte Kinder? Vielleicht war er doch wesentlich älter als angenommen..
In der hinteren Ecke befand sich der Greenscreen und daneben das Sofa.
Ein paar Bilder von unbekannten Künstlern hingen an den Wänden. Eins davon wollte ich mir allerdings näher ansehen, eine Berglandschaft mit einem Wasserfall der das Bild zu dominieren schien erregte meine Aufmerksamkeit.
Ich liebte schon als kleines Kind die Kunst und zeichnete selbst sehr gerne.
Dieses Bild allerdings war ein Meisterwerk, viele feine Pinselstriche die so akkurat plaziert wurden, dass Picasso sich davon eine Scheibe hatte abschneiden können.
Unten links war mit dünner Schrift eine Widmung zu sehen.

Für den besten Freund den man sich nur wünschen kann.
- Nikolaj

Nikolaj? Nick? Entsetzt laß Ich mir die Widmung noch ein zweites Mal durch, das konnte nur ein schlechter Scherz sein.
Er war ein Mörder und ein Arschloch aber bestimmt kein Künstler..
Und die Widmung war auch viel zu nett formuliert..

In diesem Moment öffnete sich die Tür im Raum nebenan und die beiden Männer traten heraus.
„Schön dich einmal wieder gesehen zu haben, aber komm bitte nie wieder!" lachend umarmt der Mann Nick und die beiden verabschiedeten sich herzlich.
Breit lächelnd drehte Nick sich zu mir um und erstarrte kurz, als er mich vor dem Gemälde stehen sah.
Sein Lächeln erfrohr augenblicklich und er durchbohrte mich mit seinen Blicken.
„Wir gehen jetzt!" und mit diesen Worten stampfte er auch schon die Treppe hinauf.
„Bye und Danke." flüsterte ich dem Mann noch zu, bevor ich mich beeilte um Nick hinterher zu laufen.
Der Kerl war wirklich anstrengend mit seinen Stimmungsschwankungen.

Oben angekommen warf er mir einen Kaputzenpulli zu und herrschte mich an, mir die Kapuze tief in das Gesicht zu ziehen.
Die Sonne ging langsam schon wieder unter, wir hatten den gesamten Tag bei seinem Bekannten verbracht.
Der Rückweg verlief schweigend.
Trotz meiner Bemühungen etwas aus ihm herauszubekommen, was das einzige was ich in Erfahrung brachte, dass er morgen früh meinen Reisepass und den Ausweis abholen würde.
Nach einiger Zeit gab ich es auf und lief einfach lustlos und erschöpft hinter ihm her.

Später am Abend saßen wir auf dem kalten Holzboden und aßen die Nudeln, die Nick irgendwo her geholt hatte.
Die Stimmung war nicht wirklich besser geworden, obwohl ich mich schon entschuldigt hatte.
Ich wusste das man nicht herumschnüffeln sollte, aber wegen einem Bild ein solchen Fass aufzumachen war auch übertrieben.
Die letzten Nudel Reste spülte ich noch mit einem schluck Wasser hinunter und ließ mich mit einem Stöhnen auf den Rücken fallen.
Ich starrte für einige Momente die Löcher und Risse in der Decke an und schloss dann die Augen.
Langsam dämmerte ich in das Land der Träume als mich Nicks leise Stimme wieder in die Realität zurück holte.
„Morgen wird unser letzter gemeinsamer Tag sein, Liebes."



Dunkles Verlangen [✔️] Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz